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Die erste Station der InnoTour in Schwaben beschäftigte sich mit dem Thema "Nachhaltiger Humusaufbau", die zweite Station in Oberbayern mit dem Thema "Energieautarkie", die dritte in Mittelfranken mit dem Thema "Direktvermarktung 2.0" (s. B&B Agrar, Online-Beitrag November 2021). Anfang April war die Veranstaltungsreihe in Ruhstorf an der Rott in Niederbayern zu Gast. Die historische Loher-Ursprungshalle von Siemens, in der vor exakt einem Jahrhundert der erste Schleifring-Motor gefertigt wurde, bot dafür eine beeindruckende Kulisse. Hier findet derzeit die "AgriTech-Challenge" statt, ein Wettbewerb für Startups in Kooperation zwischen dem EIT Food (Food Cluster des "European Institute of Innovation & Technology"), der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und Siemens.

Weniger Mineraldünger

Drei Startups wurden für den Wettbewerb ausgewählt: Robotec (Ukraine), Vivent (Schweiz) und Dahlia Robotics (Deutschland). Alle drei Startups arbeiten an innovativen Lösungen für die Reduktion der Verwendung von Mineraldünger und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln in der Pflanzenproduktion. Die Teams verfolgen dabei sehr unterschiedliche Ansätze; "Digitalisierung" und "Automatisierung auf dem Feld" stehen bei allen drei Startups im Vordergrund.

Wie bei den ersten drei Stationen wurde auch hier ein sehr interdisziplinärer Teilnehmerkreis aus Praxis (landwirtschaftliche Betriebsleiterinnen und -leiter), kleinen Unternehmen und Startups, Forschung, verschiedenen Verbänden und Nichtregierungsorganisationen, der Gesellschaft, der Verwaltung und Beratung sowie politischen Entscheidungsträgern eingeladen. Dadurch war eine vielfältige Zusammensetzung unterschiedlicher Expertisen vor Ort vertreten. Die verschiedenen Sichtweisen auf Sachverhalte konnten in den Diskussionen gebündelt werden. Bei der anonymen Online-Umfrage unter den Teilnehmenden im Anschluss an die Veranstaltung wurde von vielen Befragten besonders die "sehr gute Zusammensetzung und Auswahl der Teilnehmenden" hervorgehoben.

Dennoch war diese InnoTour im Vergleich zu den vorhergehenden Terminen anders. Es wurde getestet, ob das Format der InnoTour auch für die Analyse von Geschäftsmodellen von Startups in der Landwirtschaft nutzbar ist. Der Ablauf dieses InnoTour-Tages wurde entsprechend angepasst (s. Infokasten). Nach der Begrüßung am Morgen stellten sich die drei Startups mit ihren jeweiligen Innovationen anhand der vorbereiteten Timelines vor:

  • Vivent aus der Schweiz ist mit seiner Technik in der Lage, die Signalnetze von Pflanzen zu "lesen" und darüber deren Bedürfnisse (zum Beispiel die Reaktion auf Pflanzenschädlinge) zu erfassen und darauf zu reagieren. Dadurch kann beispielsweise der Befall durch Krankheitserreger noch vor dem Einsetzen sichtbarer Symptome erkannt und folglich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert werden (www.vivent.ch). Hindernisse sind im aktuellen Entwicklungsstand die Fokussierung auf Einzelpflanzen (daher sehr gut im Gewächshaus anwendbar) sowie die Preise für Technik und Betreuung. Das Innovationspotenzial wird dennoch als sehr hoch eingeschätzt; der Durchbruch für eine Anwendung bei Feldpflanzen steht kurz bevor.
  • Robotec aus der Ukraine steht dagegen noch am Anfang. Das Startup möchte mit dem punktgenauen Einsatz von Mikrowellentechnik Unkraut auf dem Feld unschädlich machen (www.paawr.com). Es nutzt für sein Modul, das an verschiedene Feldroboter angebaut werden kann, den elektronisch gesteuerten Mikrowellenstrahl. Voraussetzung ist eine gute Bilderkennungs-Software. Offene Fragen in den Diskussionen fokussierten sich auf den zu erwartenden Energieverbrauch auf dem Feld, die Genauigkeit der Strahlen, die Sicherheit sowie die Umweltverträglichkeit allgemein. Ein Fazit war, dass es noch Forschungsbedarf gibt.
  • Dahlia Robotics aus Deutschland (www.dahliarobotics.com) hat einen solarbetriebenen Feldroboter entwickelt, der im Demobetrieb bereits sehr gut funktioniert. Der verwendete elektrische Antrieb erlaubt eine achtstündige Betriebsautonomie bei einem Gesamtgewicht unter 150 Kilogramm. Derzeit ist er optimiert für Zuckerrüben und Salate und bietet dabei eine zuverlässige mechanische Unkrautentfernung bei minimaler Bodenverdichtung. Das optische System zur Unkrauterkennung läuft zu 99 Prozent erfolgreich. Das Startup benötigt zur Produktion und Markteinführung Kapital und sucht daher Investoren. Dabei sind verschiedene Vertriebsmodelle in der Diskussion, die weiterer Partnerschaften bedürfen.

Wertvolle Impulse

Während der InnoTour wurden die Geschäftsmodelle der drei Startups analysiert (s. InnoTour-Café). Dabei erhielten sie wertvolle Impulse von Praktikern, Unternehmen, Forschern und vielen verschiedenen Fach- und auch örtlichen Interessensverbänden wie dem Bund Naturschutz. Entsprechend positiv war das Resümee und Stimmungsbild der befragten Teilnehmenden: 97 Prozent würden die Veranstaltung weiterempfehlen; insgesamt wurde dem Tag die Note 2,03 gegeben. Insbesondere die Startups hatten einen maximalen Nutzen von der InnoTour, da sie nicht nur wertvolle Tipps ihrer künftigen Kundschaft bekamen, sondern sich auch mit künftigen Partnern aus Praxis, Wirtschaft und Forschung vernetzen konnten. Das heißt: Das Konzept der InnoTour kann für die Analyse von Startups in der Landwirtschaft durchaus erfolgreich angewendet werden.


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Der InnoTour-Tag endete mit der Abfrage der Teilnehmenden nach "Vereinbarungen/künftigen Aktionsplänen". Neben Forschungsfragen und -kooperationen, die den Tag über besprochen und teils auch vereinbart wurden, sind einige konkrete Themen an die Politik herangetragen worden, zum Beispiel: Was bedeutet die Pflanzenschutzmittelreduktion in Höhe von 50 Prozent konkret – Anzahl der Applikationen oder Menge an Wirkstoff? Wie sollen Landwirte dies in ihren Anwendungen steuern, wenn sie gleichzeitig kaum Entscheidungsspielräume besitzen?

Ein weiterer Effekt wurde bei der vierten Station der InnoTour deutlich: Das "konstruktive Miteinander" während des gesamten Tages wurde von den unterschiedlichen Teilnehmenden hervorgehoben. Auch konträre Auffassungen verschiedener Interessensgruppen wurden sachlich und problembezogen diskutiert. Die InnoTour bietet sich somit als neutraler Veranstaltungsrahmen an, in dem zerstrittene Lager Probleme der Landwirtschaft von morgen sachlich diskutieren, dabei möglicherweise wieder Verständnis füreinander entwickeln und dann Probleme gemeinsam angehen können.

Allgemeine Ziele der InnoTour Bayern

  • Austausch zwischen Praktikern, Beratung, Forschenden, Unternehmen und Verbrauchern (überregionale Vernetzung) ermöglichen
  • Horizont der Teilnehmenden erweitern, um für Probleme in der Praxis zu sensibilisieren
  • Vorhandene Innovationen in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft herausheben und darstellen
  • Innovationen von übermorgen anregen und entwickeln
  • Learning by Doing: durch Anwendung von Innovationsprozessen "innovative Forschungsanträge" stellen, Anwendung im Co-Creation-Prozess verstärken
  • Neuen Gestaltungsrahmen für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit entwickeln
  • Mitarbeiter der Verwaltung und Beratung zu "Innovation und Innovationsprozesse" qualifizieren (Innovation muss gelebt werden und ist kein einmaliger Vorgang)
  • Innovationsmanagement dauerhaft in der Verwaltung etablieren

Weitere Infos zur "InnoTour Bayern" unter www.stmelf.bayern.de/innotour

Ablaufplan der vierten Station

Ziele

  • Einordnung der Bedeutung technologischer Entwicklungen zur PSM-Reduktion
  • Vernetzung, ins Gespräch kommen mit Kunden und Stakeholdern
  • Jeder lernt dazu und voneinander
  • Innovationsprozesse von Startups verstehen
  • Analyse der Geschäftsmodelle
  • Startups erhalten Feedback für nächste Schritte
  • Bedarf der Praxis erfassen, Austausch zu Forschungs-, Entwicklung- und Beratungsansätzen

Ablauf

  • Begrüßung, einführender Infoblock/Ausgabe Innovationsanalysebogen
  • Innovations-Timelines der Startups
  • Erläuterung der technologischen Entwicklung in drei Gruppen
  • Analyse Innovationsprozess in Kleingruppen
  • Auswertung Gruppenergebnisse Innovationsanalyse
  • Diskussion und Statements
  • InnoTour-Café: Brainstorming, Austausch, Co-Creation, Entwicklung neuer Ideen
  • Nutzen und Kundenprofil (Dahlia/Vivent/Robotec)
  • Geschäftsmodell (Dahlia/Vivent/Robotec)
  • Wen und was brauche ich, um die Innovation zu etablieren? (Partner, Schlüsselaktivitäten, Ressourcen, Marketing)
  • Bedürfnisse der Praxis im Bereich PSM-Reduktion: Welchen Entwicklungsbedarf, welche Beratungskonzepte und weiteren Forschungsansätze gibt es?
  • Präsentationen und Diskussion der Ergebnisse der zehn Tische (s.o.)
  • Vereinbarungen, die nächsten Schritte mit Aktionsplan