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Als Folge des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" 2019 in Bayern wurden 50 neue Biodiversitätsberater-Stellen ins Leben gerufen. Dementsprechend steigt die Nachfrage nach kompetenten Fachkräften in der Biodiversitätsberatung. Dieser Trend einer Zunahme von ausgeschriebenen Beratertätigkeiten lässt sich in weiteren Bundesländern beobachten. So existieren auch in Rheinland-Pfalz bereits mannigfaltige Projekte im Bereich Biodiversitätsförderung/-erhalt – Tendenz steigend. Analog dazu wächst auch dort der Bedarf nicht nur an Beratungskräften, die beispielsweise im Naturschutzmanagement oder in der Biotopbetreuung tätig sind, sondern ganz allgemein an gut ausgebildeten Expertinnen und Experten für Planungsbüros und in der Naturschutzverwaltung. Sie sollten sowohl über Artenkenntnisse verfügen als auch ein gutes Verständnis für ökologische Zusammenhänge aufweisen und diese dann an verschiedene Zielgruppen vermitteln können.

Gemeinsames Lehrangebot

Im Rahmen eines vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) geförderten Projekts bilden die kooperierenden Hochschulen Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) und Technische Hochschule Bingen (THB) künftig die benötigten Fachkräfte von morgen aus. Mit neuen Modulen haben die beiden Hochschulen gemeinsam ein verbindliches Lehrangebot zu Biodiversitätsberatung und -management etabliert, welches sowohl in die agrarische Hochschulbildung wie auch in die korrespondierenden Umweltstudiengänge im Lauf der Projektphase integriert wird. Eine gleichrangige Berücksichtigung ökologischer, landwirtschaftlicher und ökonomischer Interessen und Kompetenzen ist dabei zentrales Anliegen.

Im Vorfeld wurde der Bedarf an neuen und relevanten Themen ermittelt. Neben der theoretischen Planung und Berechnung von biodiversitätsfördernden Maßnahmen in der Landwirtschaft, lernen die Studierenden Grundsätze der Gesprächsführung und der Beratung sowie den Ablauf eines zielgerichteten Beratungsgesprächs kennen. Entsprechend dazu konnten in Rheinland-Pfalz das Dienstleistungszentrum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück sowie die Naturschutzberatung als Kooperationspartner für verschiedene Lehrangebote, beispielsweise Exkursionen zum Thema Vertragsnaturschutz, gewonnen werden.

Vielfältige Exkursionen zum Erleben und Begreifen vor Ort vertiefen ein praxisnahes Studium. So kooperieren in Triesdorf zum Beispiel die Höhere Landbauschule und die Technikerschule für Agrarwirtschaft als Praxispartner mit der HSWT bei Auswahl und Umsetzung von konkreten, einzelbetrieblich angepassten Verbesserungsmaßnahmen. Insbesondere der Vermittlung von Artenkenntnissen in verschiedenen Organismengruppen kommt dabei eine zentrale Rolle zu.

Ergänzend zu den theoretischen Lehrangeboten werden besonders gute fachliche Beispiele der Biodiversitätsförderung auf landwirtschaftlichen Betrieben vor Ort vorgestellt. Hier ergänzen sich die Angebote der beiden Hochschulen, die in verschiedenen Naturräumen liegen, wechselseitig.

Campus Triesdorf

Grün, innovativ, praxisnah – seit 1971 ist die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf konsequent auf grüne Ingenieurstudiengänge ausgerichtet. Im Rahmen von WISAVI wird am Campus Triesdorf der Hochschule ein Studienprofil "Biodiversitätsberatung und -management" etabliert, welches sowohl in die Studiengänge mit landwirtschaftlichem als auch mit umweltschutzbezogenem Hintergrund integriert wird. Während der Projektlaufzeit werden folgende Module neu erstellt: "Biodiversität und Maßnahmen", "Ökonomie der Biodiversität" und "Landwirtschaft und Naturschutz in praktischen Beispielen".

Wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass sich die Studierenden in den Bachelorstudiengängen ausreichend gute Grundlagen aus dem jeweils anderen Fach aneignen, bevor sie sich mit der Biodiversitätsberatung beschäftigen. Für die Studierenden der Umweltsicherung werden deshalb Grundlagenkurse der Landwirtschaft geöffnet, während die Studierenden der Landwirtschaft zusätzlich Kurse zur Förderung der Artenkenntnis, zu Lebensräumen und zur Ökologie besuchen sollen.

Die bereits vorhandene Ringvorlesung "Landwirtschaft und Artenschutz" dient als Start in diesen zukünftigen Arbeitsbereich für Studierende beider Fachrichtungen. Bereits seit vier Jahren arbeiten Studierende der Umweltsicherung und Schülerinnen und Schüler der Höheren Landbauschule und der Technikerschule für Agrarwirtschaft Triesdorf in einem Tandemprojekt gemeinsam biodiversitätsfördernde Maßnahmen für je einen Praxisbetrieb aus (s. B&B Agrar 2-2021, S. 26).

Ein neues Tätigkeitsfeld erschließt sich mit der Studienrichtung "Ökologische Lebensmittelproduktion". Mit Blick auf die Aufgaben, die sich dort zum Beispiel in der Zertifizierung stellen, ist es sinnvoll, für die Studierenden des Lebensmittelmanagements ebenfalls Bildungsangebote im Themenbereich Biodiversität und Ökologie zu schaffen. Zwar ist ein Kontakt auf dem Campus Triesdorf zwischen Studierenden der Landwirtschaft, Lebensmittelmanagement und Umweltsicherung immer möglich, der Besuch von Vorlesungen anderer Fachrichtungen begünstigt jedoch einen Austausch auf Augenhöhe, schafft gegenseitiges Verständnis und hilft Vorurteile abzubauen.

TH Bingen

"Praktisch die Besten" – Unter diesem Leitsatz bildet die Technische Hochschule Bingen seit 1897 in den Ingenieur- und Naturwissenschaften aus. In den Bachelorstudiengängen Umweltschutz und Klimaschutz sind die Themenfelder Ökologie und Biodiversitätsschutz bereits ein fest verankerter Bestandteil des Studienplans. Praxisnah und anwendungsorientiert können Studierende in aktuellen Forschungsprojekten und Kooperationen ihr Fachwissen erweitern. Ein enger Kontakt zum Studiengang „Agrarwirtschaft“ hat bei Lehrenden und Studierenden eine lange Tradition.

Im Rahmen von WISAVI wird ein neues Studienmodul konzipiert und soll perspektivisch in die bestehenden Masterstudiengänge "Umweltschutz" und "Landwirtschaft und Umwelt" integriert werden. Es wird aus einer dynamischen Mischung von Vorlesungen, Workshops und vielfältigen Exkursionen bestehen. Dabei steht das wichtige Arbeitspaket "Wissenstransfer" im Fokus. Ein maßgeblicher Aspekt wird dabei sein, Forschung, Lehre und Praxis zu verknüpfen und topaktuelle Forschungsergebnisse standardisiert und anwendungsorientiert direkt an die Studierenden als spätere Multiplikatoren weiterzugeben und ihnen somit den Weg in die Praxis zu ebnen.

Die Ergebnisse vielfältigster Projekte mit großem Biodiversitätsbezug – beispielsweise aus dem Bereich Ackerwildkrautschutz, Dachbegrünung, Obstbau, Untersuchungen zum Niederwild oder zu Vogelgemeinschaften in der Agrarlandschaft –, die an der Technischen Hochschule Bingen aktiv durchgeführt werden, leben den Brückenschlag zwischen Agrarwirtschaft und Umweltschutz/Klimaschutz bereits und werden nun im Rahmen des Projektes verstärkt für die Lehre zugänglich gemacht. Somit schließt sich der Kreis. Studierende lernen aus der Praxis, die Fragestellungen der Forschung generieren sich aus dem praktischen Leben, die neuesten Erkenntnisse wiederum fließen direkt in die Lehre ein und nehmen im besten Fall wieder Einfluss auf die Praxis.

Wissen für die Praxis

Beide Hochschulen leiten aus den Lehrinhalten und den ersten Projekterfahrungen Weiterbildungsmodule für außeruniversitäre Interessengruppen ab. Da Landwirtinnen und Landwirte zukünftig die Schutz- und Fördermaßnahmen in der Fläche umsetzen und pflegen werden, ist es wichtig, Module für diese Berufsgruppe zu entwickeln, die eine Sensibilisierung für ökologische, oftmals sehr komplexe, Zusammenhänge leisten und diese gut verständlich und praxisorientiert erklären helfen.

Die Zusammenarbeit mit den projektbegleitenden Arbeitsgruppen, bestehend aus Akteuren der Praxis mit Regionalbezug, verstärkt die Verankerung des Projekts und garantiert eine Themenwahl mit großer Aktualität. Außerdem trägt sie zur weiteren Vernetzung bei. Gerade diese Netzwerke sind eine notwendige Grundlage für einen effizienten Wissenstransfer. Gemeinsam funktioniert der Wissensaustausch in der Praxis. Nur wenn die erlernten Maßnahmen zum Schutz von Ackerflora und -fauna breite Akzeptanz und Anwendung finden, können sie erfolgreich zum nachhaltigen Schutz der biologischen Vielfalt in der Kulturlandschaft beitragen.

Grundvoraussetzung dafür ist jedoch das Wissen um die naturschutzfachlichen Möglichkeiten und um die jeweilige Realsituation der Landwirtinnen und Landwirte, an die permanent vielfältige Ansprüche gestellt werden. WISAVI möchte einen wichtigen Beitrag leisten, um das nötige Wissen zu vermitteln und somit die Grundlage für eine gute, vertrauensvolle und zukunftsweisende Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Naturschutz zu schaffen. Den Studierenden von heute und Biodiversitätsberaterinnen und -beratern von morgen kommt dabei eine essenzielle Rolle zu.