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Unfall, Krankheit, Quarantäne: Im Notfall müssen helfende und unterstützende Personen über alle Vorgänge des landwirtschaftlichen Betriebs Bescheid wissen, damit die Arbeit weiterlaufen kann.
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Frau Flentje, in der sozioökonomischen Beratung geben Sie auch Seminare zum Thema Notfallordner. Inwiefern ist es wichtig, einen solchen Ordner im Betrieb zu haben?

Flentje: Für den Fall, dass der "Kopf" des Betriebes ausfällt, ist so ein Ordner aus meiner Sicht zwingend notwendig für diejenigen, die die Arbeit übernehmen. In ganz vielen landwirtschaftlichen Betrieben wissen nur die Betriebsleiter Bescheid über alle Abläufe auf dem Hof: Wen man wann anrufen muss, wer welchen Zettel kriegt oder wo man seine Milch im Verkauf hat. Das haben sie meist nicht schriftlich festgehalten, sondern alles nur im Kopf.

Haben Sie ein Beispiel?

Flentje: Einen aktuellen Fall hatten wir im Rahmen von Corona. Das Paar kam nicht aus dem Urlaub zurück, weil kein Flieger ging. Die Urlaubsvertretung musste nach der vereinbarten Woche zurück in den eigenen Betrieb. Und so kam ein fremder Betriebshelfer auf den Hof. Ein bisschen konnte in diesem Fall immerhin telefonisch geregelt werden. Wenn aber ein Unfall passiert und der Betriebsleiter auf der Intensivstation landet oder gar stirbt, dann muss jemand Fremdes von jetzt auf gleich alles ohne Einarbeitung machen. Gerade bei Betrieben mit Tierhaltung ist sofortiges Handeln notwendig. Wenn dann nichts schriftlich festgehalten ist, wird’s schwierig.

Welche Informationen muss der Notfallordner enthalten?

Flentje: Wir haben mit der Landwirtschaftskammer eine Vorlage mit zehn Rubriken entworfen. Eine ist zum Beispiel "Kontaktdaten": Da gehören alle wichtigen Ansprechpartner und Telefonnummern hin. Wichtig sind auch Passwörter: Heute sind ja PC, Fütterungs- und Lüftungsanlagen passwortgeschützt. Oder Schlüssel: Wo finde ich die? Ein Lageplan vom Betrieb ist ebenfalls sehr hilfreich. Ganz entscheidend sind Beschreibungen der einzelnen Betriebsabläufe. Ich komme zum Beispiel aus der Sauenzucht, da habe ich im Notfallordner genau beschrieben, welche Ferkel ich wie und wann umstalle. Im Ackerbau muss man wissen, wo die Ackerschlagkartei zu finden ist. Dort kann man sehen, welche Flächen zum Betrieb gehören, was wo angebaut ist und was bereits an Düngungs- und Bepflanzungsmaßnahmen erfolgt ist. Für den Fall, dass jemand langfristig ausfällt, sind auch Informationen über Verträge wichtig: Pachtverträge, Strom- oder Kartoffelabnahmeverträge. Einen Überblick über Versicherungen sollte man ebenfalls geben – und auch wichtige Informationen über die private Lage.

Inwiefern?

Flentje: Ein Beispiel: Das Betriebsleiter-Ehepaar fällt aus. Neben dem Betrieb gibt es auch Kinder, die betreut werden müssen und da ist auch noch Oma zu versorgen. Eine Aushilfe muss dann zum Beispiel wissen, welche Tabletten sie wann einnehmen muss, wohin die Kinder zur Schule oder in den Kindergarten gehen und so weiter.

Nützt der Ordner auch außerhalb von Notfällen?

Flentje: Ja klar. Ich habe selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb. Wir haben den Ordner einmal erstellt und ich habe ihn auch auf meinem PC gespeichert. Einmal im Jahr aktualisiere ich alles und drucke einige Sachen neu aus, weil sich zum Beispiel Ansprechpartner geändert oder weil wir etwas im System umgestellt haben. Unser Sohn, der langsam in den Betrieb einsteigt, guckt da öfter mal rein. Wenn ich nicht da bin, dann freut er sich, wenn er dort nachschlagen kann.

Wie lange dauert die Erstellung eines Notfallordners?

Flentje: Also, den hat ein Betriebsleiter nicht an einem Abend fertig. Es hängt natürlich von der Größe des Betriebes ab. Die meisten brauchen so zwei bis drei Arbeitstage. Ist der Notfallordner einmal angelegt, muss er regelmäßig überarbeitet und aktualisiert werden.

Welche Unterstützung bietet die Landwirtschaftskammer an?

Flentje: Der Ordner mit Formularen, Merkblättern und Vordrucken ist bei uns erhältlich. Ohne eine begleitende Beratung kann aber Folgendes passieren: Der Ordner wird mit den besten Vorsätzen gekauft und begonnen. Dann kommt die Aufschieberitis und der Ordner steht noch zwei Jahre später unfertig im Regal. Deshalb mein Tipp: Lassen Sie sich beraten. Fragen Sie bei Ihrer Landwirtschaftskammer oder beim Amt für Landentwicklung nach. Ich fahre meist mit den Listen und Vorlagen zum Betrieb und wir sprechen einmal alles durch. Dann vereinbaren wir einen zweiten Termin in sechs bis acht Wochen, um das Ergebnis durchzusehen und Fragen zu klären. Der Termin hilft dranzubleiben und bis dahin alles auszufüllen und aufzuschreiben.

Die Vorbereitung auf Notsituationen sollte gerade in landwirtschaftlichen Familienbetrieben kein Tabu-Thema sein. In den einzelnen Bundesländern sind unter den nachfolgenden Links Informationen dazu zu finden:

Stand: 07.09.2020

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