Das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL) hat gemeinsam mit dem Thünen-Institut, dem Friedrich-Loeffler-Institut und der Universität Kassel die kostenlose Online-Schulung "Tierschutzindikatoren" entwickelt. Eine betriebliche Eigenkontrolle betont die Eigenverantwortung der Tierhalterinnen und Tierhalter für ihren Tierbestand. Die systematische Anwendung von Tierschutzindikatoren bietet Chancen für die Optimierung des betrieblichen Managements hinsichtlich des Tierwohls.

Betriebliche Eigenkontrolle

Tierhalterinnen und Tierhalter haben gemäß Tierschutzgesetz seit Februar 2014 durch betriebliche Eigenkontrollen sicherzustellen, dass die Anforderungen des Tierschutzgesetzes (§ 2 TierSchG) eingehalten werden. Zur Beurteilung sollen geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) erhoben und bewertet werden (§ 11, 8 TierSchG). In der Praxis ist eine systematisch durchgeführte betriebliche Eigenkontrolle hinsichtlich Tierwohl noch immer wenig verbreitet. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass Unsicherheiten über das "Wie" eines solchen Tierwohlchecks bestehen, da der Gesetzestext keine Ausführungsbestimmungen enthält.

Auch das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung (2020) verweist in seinen Empfehlungen auf die bislang unzureichende Erhebung von Tierwohlindikatoren zur Bewertung des Tierwohlstatus. Die Zukunftskommission Landwirtschaft (2021, S. 92) empfiehlt jüngst als wichtigen Beitrag zur Transformation der Tierhaltung, die – bislang ohne genauere Vorgaben zu Inhalt, Umfang und Dokumentation bestehende – Verpflichtung zur betrieblichen Eigenkontrolle durch den Gesetzgeber zu konkretisieren und zu standardisieren. Auch eine Verpflichtung zur regelmäßigen Tierwohl-Fortbildung der Tierhalterinnen und Tierhalter wird vorgeschlagen.

 

Entwicklungsphase

Die Schulung basiert auf den Inhalten der drei Leitfäden: Tierschutzindikatoren für die Praxis – Rind, Schwein beziehungsweise Geflügel (Brinkmann et al. 2020, Knierim et al. 2020, Schrader et al. 2020), die in erster Auflage bereits im Jahr 2016 als breit abgestimmter Vorschlag zur Durchführung der betrieblichen Eigenkontrolle veröffentlicht worden waren (Zapf et al. 2015, Schultheiß et al. 2019). Die Tierschutzindikatoren wurden im Rahmen des Projekts EiKoTiGer (Eigenkontrolle Tiergerechtheit) von Tierhalterinnen und Tierhaltern auf circa 120 landwirtschaftlichen Betrieben getestet.

Erfahrungen aus vorangegangen Projekten zeigen, dass Schulungen einen positiven Einfluss auf die Qualität der Erhebung von Tierschutzindikatoren haben. Daher wurden im Projekt zwei Schulungsformen entwickelt, die die Tierhalterinnen und Tierhalter vor den praktischen Erhebungen absolvierten. Um zu überprüfen, welches Format sich langfristig zur Schulung von Tierschutzindikatoren am besten eignet, wurde eine Hälfte der Tierhalterinnen und Tierhalter live in Form eines eintägigen Präsenz-Seminares geschult. Für die andere Hälfte wurde eine Online-Schulung erarbeitet, welche die Tierhalterinnen und Tierhalter eigenständig durchführten. Der Vergleich der Schulungsformen erfolgte als Online-Test und mittels Beurteilerübereinstimmung im Betrieb, es konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden (Michaelis et al. 2021). Seit Sommer 2021 bietet das KTBL die Online-Schulung zur Erhebung von Tierschutzindikatoren für alle Interessierten kostenlos an (EiKoTiGer-Projektkonsortium 2021).

 

Ziel und Aufbau

Die Schulung soll Tierhalterinnen und Tierhalter dazu befähigen, Tierschutzindikatoren verlässlich zu erheben und eine betriebliche Eigenkontrolle selbst durchzuführen. Die Schulung vermittelt Wissen für eine sichere Tierbeurteilung anhand präzise beschriebener Definitionen. Damit bietet sie einen Zusatznutzen auch für andere Interessierte, zum Beispiel aus den Bereichen Veterinärmedizin, Aus- und Weiterbildung, Beratung oder Auditierung, die eine standardisierte Erhebungsmethodik für Tierschutzindikatoren einsetzen möchten. Zudem soll die Schulung helfen, für Tierwohl zu sensibilisieren und einer Betriebsblindheit gegenüber möglichen Tierwohlproblemen im eigenen Bestand vorzubeugen.

Für die Erstellung der Online-Schulung ergab sich die technische Anforderung, den Nutzerinnen und Nutzern neben Informationen zur betrieblichen Eigenkontrolle die Möglichkeit zu bieten, die Erhebung von Tierschutzindikatoren anhand von Fotos und Videos zu üben und das Gelernte in einem Online-Test zu überprüfen. Dies konnte mithilfe des sehr flexiblen und in Schulen und Universitäten weit verbreiteten Lern-Management-Systems und Open-Source-Software "Moodle" umgesetzt werden. Dieses e-Learning-Tool bietet einen großen Funktionsumfang und erlaubt die Erstellung unterschiedlichster Fragentypen mit automatisiertem Feedback. Auch bietet Moodle die Möglichkeit, Abschlusstests einzubinden und Zertifikate als Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an der Schulung zu erstellen.

Im Online-Test werden die Ergebnisse der Nutzerinnen und Nutzer mit den vorab bewerteten Fotos und Videos verglichen und die Beurtei-lerübereinstimmung in Form des PABAK (Prevalence-Adjusted Bias-Adjusted Kappa) berechnet. Die Schulung beinhaltet sieben Kurse zur Erhebung der Tierschutzindikatoren für die Nutzungsrichtungen "Milchkühe und Aufzuchtkälber", "Mastrinder", "Sauen und Saugferkel", "Aufzuchtferkel und Mastschweine", "Jung- und Legehennen", "Masthühner" sowie "Mastputen". Alle Kurse sind identisch aufgebaut: Einleitend werden die wichtigsten Fakten zur betrieblichen Eigenkontrolle vermittelt, unter anderem anhand eines kurzen Videoclips. Es folgen Informationen zur Durchführung, zum Beispiel wie man eine zufällige Stichprobe zieht, und zum Tierhandling, teils mit Erklärvideos.

In den darauffolgenden Abschnitten finden sich die Lektionen zu den einzelnen Tierschutzindikatoren. Bei den Tierschutzindikatoren wird unterschieden zwischen Indikatoren, die bereits anderweitig erhoben werden beziehungsweise im Betrieb vorliegen (zum Beispiel HIT, Milchleistungsprüfungs- oder Schlachthofdaten), und Indikatoren, die an einem Teil der Tiere des Bestands, einer Stichprobe, erhoben werden. Die Lektionen vermitteln neben der Relevanz auch die Erhebungsmethode eines Indikators und geben wichtige Praxistipps mit Links zu vertiefendem Material. Für die Indikatoren, die am lebenden Tier im Stall erhoben werden, enthalten die Lektionen zusätzlich detaillierte Informationen in Form von Klassifikationsanleitungen mit Beschreibung und Foto- beziehungsweise Videobeispielen. Weiterhin besteht für diese Indikatoren die Möglichkeit, das Gelernte in Übungsfragen mit einer Feedbackfunktion zu überprüfen und für den abschließenden Online-Test zu üben.

In zwei weiteren Lektionen werden Anwendungshilfen zur Erhebung und Bewertung der Tierschutzindikatoren vorgestellt. Die Excel®-Anwendung "Tierschutzindikatoren-Erhebung" erlaubt die digitale Erfassung der Tierschutzindikatoren mittels Windows®-Tablet im Stall. Eine Möglichkeit zur Einordnung der eigenen Ergebnisse bieten die Orientierungswerte, die in einem mehrstufigen Prozess von Expertin-nen und Experten erarbeitet und vom Thünen-Institut, Friedrich-Loeffler-Institut beziehungsweise von der Universität Kassel gemeinsam mit dem KTBL veröffentlicht wurden. Mit den abgestimmten Ziel- und Alarmwerten kann eingeschätzt werden, ob sich die Tierwohlsituation im "grünen Bereich" befindet oder ob kurz- beziehungsweise mittelfristig Handlungsbedarf zur Verbesserung der betrieblichen Situation in Bezug auf den jeweiligen Indikator besteht (https://www.ktbl.de/themen/tierwohlbewertung/#c4100).

Test und Zertifikat

Der Online-Test bietet die Möglichkeit, den Lernerfolg zu überprüfen. Er besteht aus Einzeltests für die Indikatoren, die am Tier im Stall beurteilt werden. Jeder Einzeltest kann beliebig oft wiederholt werden, wobei die Fragen nach Zufallsprinzip aus einem größeren Fragenpool gezogen werden. Das letzte Ergebnis eines absolvierten Einzeltests wird zur Bewertung herangezogen. Der Online-Test gilt als bestanden, wenn alle Einzeltests bestanden sind. Ein Einzeltest gilt als bestanden, wenn eine ausreichend gute Beurteilerübereinstimmung (nach Landis und Koch 1977, PABAK ≥ 0,61) erreicht wurde.

Als Ergebnis wird dann automatisiert ein Zertifikat angezeigt, das man herunterladen kann. Wird in allen Einzeltests eine sehr gute Beurteilerübereinstimmung mit einem PABAK ≥ 0,81 erreicht, wird das im Zertifikat gesondert hervorgehoben. Wenn der Online-Test bestanden und alle Lektionen angesehen beziehungsweise bearbeitet wurden, wird ein Zertifikat über die Teilnahme ausgestellt. Dieses Zertifikat weist die vermittelten Schulungsinhalte und den veranschlagten Schulungsumfang aus (zwischen drei und fünf Stunden je nach Nutzungsrichtung).

 

Einsatzmöglichkeiten

Der Vorteil der Online-Schulung liegt darin, dass sie von Nutzerinnen und Nutzern selbstständig und mit freier Zeiteinteilung durchgeführt werden kann. Die einzige technische Voraussetzung ist ein Zugang zu Internet und einem PC, Notebook oder Tablet. Damit man die Fotos und Videos sicher erkennen kann, sind Endgeräte mit zu kleinen Bildschirmen nicht empfehlenswert. Für die Online-Schulung kann man sich mit E-Mail-Adresse sowie Vor- und Nachnamen registrieren. Mit der Registrierung ist es möglich, die Schulung beliebig oft zu unterbrechen, da der jeweilige Bearbeitungsstand, zum Beispiel für begonnene Tests, gespeichert wird. Die namentliche Registrierung ist auch erforderlich für die korrekte, personenbezogene Ausstellung des Zertifikats.

Neben der Registrierung gibt es jedoch auch die Möglichkeit, über ein "Demo-Login" alle Inhalte und Funktionen der Online-Schulung zu testen; allerdings werden beim Verlassen der Schulung weder Bearbeitungsstand noch Testergebnisse gespeichert. Das Demo-Login ermöglicht es einem Personenkreis von über 100 Nutzern gleichzeitig die Online-Schulung schnell kennenzulernen. Dies kann im Rahmen eines Vortrags, einer Vorlesung oder einer Unterrichtsstunde bei Aus- oder Weiterbildung nützlich sein.

Die Einsatzmöglichkeiten der Online-Schulung sind vielfältig. Sie kann unter anderem als Schulung zum Thema Tierwohl, die von Label-Gebern wie der "Initiative Tierwohl" jährlich gefordert wird, herangezogen werden. Dabei kann das Zertifikat, das die vermittelten Schulungsinhalte und den veranschlagten zeitlichen Umfang ausweist, als Teilnahmebestätigung dienen. Auch Akteurinnen und Akteuren aus Beratung, Veterinärwesen oder Auditing, die eine standardisierte, präzise Erhebungsmethodik für tierbezogene Indikatoren zur Beschreibung des Tierwohls nutzen möchten, können die Schulung inklusive Test zum Nachweis ihrer Beurteilerqualität verwenden.

Fazit

Die betriebliche Eigenkontrolle betont die Eigenverantwortung der Tierhalterinnen und Tierhalter für ihren Tierbestand und bietet Chancen für die Verbesserung des betrieblichen Managements hinsichtlich des Tierwohls. Für die Durchführung einer betrieblichen Eigenkontrolle ist die sichere Erhebung von Tierschutzindikatoren notwendig. Die vorgestellte Online-Schulung liefert Tipps für die Überprüfung der Tierwohlsituation auf dem eigenen Betrieb und ermöglicht, die Anwendung der Tierschutzindikatoren anhand von Fotos und Videos zu üben sowie in einem Online-Test zu überprüfen. Sie kann damit als Baustein dienen, die Kenntnisse in der Tierhaltungspraxis zum Thema Tierwohl zu vertiefen und eine systematisch durchgeführte betriebliche Eigenkontrolle in der Praxis weiter zu etablieren.

 

Literatur

Brinkmann, J.; Cimer, K.; March, S.; Ivemeyer, S.; Pelzer, A.; Schultheiß, U.; Zapf, R.; Winckler, C. (2020): Tierschutzindikatoren: Leitfaden für die Praxis – Rind. Vorschläge für die Produktionsrichtungen Milchkuh, Aufzuchtkalb, Mastrind. KTBL, Darmstadt.

EiKoTiGer-Projektkonsortium (2021): Online-Schulung Tierschutzindikatoren für Rind, Schwein und Geflügel. KTBL, Darmstadt. URL: https://tierschutzindikatoren-schulung.ktbl.de (Abruf: 29.10.2021).

Knierim, U.; Gieseke, D.; Michaelis, S.; Keppler, C.; Spindler, B.; Rauch, E.; Petermann, S.; Andersson, R.; Schultheiß, U.; Zapf, R. (2020): Tierschutzindikatoren: Leitfaden für die Praxis – Geflügel. Vorschläge für die Produktionsrichtungen Jung- und Legehenne, Masthuhn, Mastpute. KTBL, Darmstadt.

Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung ("Borchert Kommission") (2020): Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung. URL: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Nutztiere/200211-empfehlung-kompetenznetzwerk-nutztierhaltung.pdf (Abruf: 29.10.2021).

Landis, J.R.; Koch, G.G. (1977): The measurement of observer agreement for categorical data. In: Biometrics. 33, S. 159–174.

Michaelis, S.; Gieseke, D.; Schubbert, A.; Cimer, K.; March, S.; Brinkmann, J.; Gund, S.; Schultheiß, U.; Knierim, U. (2021): Farmers’ training for the self-assessment of animal welfare – can online programmes replace live sessions? 8th International Conference on the Assessment of Animal Welfare at Farm and Group level, Cork, Irland, August 16–19, p. 55.

Schrader, L.; Schubbert, A.; Rauterberg, S.; Czycholl, I.; Leeb, C.; Ziron, M.; Krieter, J.; Schultheiß, U.; Zapf, R. (2020): Tierschutzindikatoren: Leitfaden für die Praxis – Schwein. Vorschläge für die Produktionsrichtungen Sauen, Saugferkel, Aufzuchtferkel und Mastschweine. KTBL, Darmstadt.

Schultheiß, U.; Zapf, R.; Brinkmann, J.; Schrader, L.; Knierim, U. (2019): Tierschutzindikatoren für die Praxis. B&B Agrar H. 1, S. 33-35.

Zapf, R.; Schultheiß, U.; Achilles, W.; Schrader, L.; Knierim, U.; Herrmann, H.-J.; Brinkmann, J.; Winckler, C. (2015): Tierschutzindikatoren – Vorschläge für die betriebliche Eigenkontrolle. KTBL-Schrift 507, Darmstadt.

Zukunftskommission Landwirtschaft (2021): Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. URL: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/abschlussbericht-zukunftskommission-landwirtschaft.pdf?__blob=publicationFile&v=7 (Abruf: 29.10.2021).


§ 2 TierSchG (Auszug): "Wer ein Tier hält… oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden…"

B&B Agrar, Ausgabe 1, Jahrgang 2019, S. 33-35: "Tierschutzindikatoren für die Praxis": nähere Informationen zur Entstehung der Leitfäden, zu den ausgewählten Indikatoren und zum Verbundprojekt EiKoTiGer (https://bildungsserveragrar.de/fileadmin/Redaktion/Fachzeitschrift/2019-1/BB_Agrar_01_2019_Tierschutzindikatoren_fuer_die_Praxis.pdf)

Die Förderung des Vorhabens "Eigenkontrolle Tiergerechtheit – EiKoTiGer" (2016-2021) erfolgte aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgte über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung.