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Im EIP-Projekt „Tierwohlampel“ wird ein neues System zur automatisierten Messung, Analyse und Bewertung des Tierwohls von Milchkühen in Brandenburger Milchviehbetrieben erprobt.
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Grundlage hierfür bildet die individuelle, sensortechnische Erfassung von physiologischen Messgrößen am Tier, ihre Auswertung mittels chronobiologischer (Biologie der zeitlichen Organisation) Regulationsdiagnostik sowie ihrer Visualisierung in Form einer übersichtlichen Tierwohlampel (TWA). 

Zur direkten, nichtinvasiven Messung der physiologischen Parameter am Tier wird das neu entwickelte Ohrmarken-Messsystem smardtag® eingesetzt. Das Ergebnis der Aufbereitung und Auswertung der erfassten Daten wird in die weit verbreitete Herdenmanagement-Software HERDEplus® der dsp-Agrosoft GmbH eingebunden und mit dem Ampelsystem anschaulich dargestellt (rot, gelb, grün). Auf der Basis dieser objektiven, tierindividuellen und echtzeitfähigen Bewertung sowie einer Verknüpfung mit vorhandenen Herdenmanagementdaten sollen betriebsspezifische Hinweise zur Optimierung des Tierwohls gegeben werden. Das Projekt wird aus Mitteln der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) finanziert und gemeinsam mit neun Verbundpartnern vom Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin (IASP) entwickelt.

Chip im Ohr

Das Ohrmarken-Messsystem erfasst jeweils über zehn Minuten einer Stunde im Sekundentakt Daten zu den Parametern Elektromyogramm (elektrische Muskelaktivität), Hautpotenzial (die zwischen verschiedenen Stellen der Körperoberfläche bestehenden elektrischen Potenzialdifferenzen), Hautwiderstand (elektrischer Widerstand der Haut gegenüber einem durchfließenden schwachen Gleich- oder Wechselstrom), Hauttemperatur und der Bewegungsaktivität und legt diese in einem internen Speicher ab. Bei jedem Melkvorgang werden diese Daten über dort montierte Basisstationen ausgelesen und online an einen Zentralserver gesendet. Bei trockenstehenden und kalbenden Tieren werden die Daten via App mit dem Tablet ausgelesen.

Es erfolgt die Datenverarbeitung anhand der am IASP entwickelten Software zur chronobiologischen Regulationsdiagnostik sowie eine anschließende Ausgabe der Ergebnisse an die Schnittstelle zur Herdenmanagement-Software. Hier wird aus den Managementdaten und den smardtag®-Daten eine gemeinsame Tierwohlampel auf Herden- und Einzeltierbasis erstellt. Die Datenerhebung und -analyse erfolgt im Rahmen des Projektes in vier landwirtschaftlichen Betrieben betriebsbedingt mit Unterstützung durch variable Referenzsysteme. Die Tierwohlampel erscheint bereits auf dem Startbildschirm der HERDEplus®. Die zugrundeliegenden Probleme können dort für die Landwirtin und den Landwirt bezüglich der Ursachen weiter analysiert werden. Darüber hinaus ermöglichen die hinterlegten Problemtierlisten sofortige Einflussnahmen hinsichtlich der Behandlungen, der Fütterung und der Selektion.

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Objektive Aussagen

Im Gegensatz zu den bisherigen Verfahren soll der Landwirtin und dem Landwirt beim täglichen Arbeitsbeginn sofort ein aktueller Überblick über Optimierungsstellschrauben durch gezielte Managementhinweise gegeben werden. In Kombination aus der Ohrmarke und dem Herdenmanagementprogramm soll ein innovatives Monitoring- und Managementsystem entstehen, welches der Landwirtin und dem Landwirt umfangreiche, einfach dargestellte Managementhinweise bietet und gleichzeitig eine objektive Aussagekraft in Bezug auf das Tierwohl ermöglicht.

Die Tierwohlampel stellt dadurch gleichzeitig ein Beratungsinstrument dar und öffnet ein neues Modul für Beratungskräfte im Bereich der Milchviehhaltung. Die Tierwohlampel setzt sich aus sieben "Komplexmerkmalen" zusammen. Jedes dieser Merkmale wird in seiner aktuellen Ausprägung in den Farben einer Ampel (rot, gelb, grün) dargestellt. Tierwohl, Tiergesundheit und Fruchtbarkeit sind nach wie vor die größten Stellschrauben für milchviehhaltende Betriebe. Die jeweilige Ampelfarbe zeigt dem Herdenmanager/dem Berater an, welcher Handlungsbedarf beim Einzeltier, in der Tiergruppe beziehungsweise in der gesamten Herde aktuell gegeben ist. Dabei wird jedes der Komplexmerkmale aus den erfassten Einzelwerten der hinterlegten Einzelmerkmale gebildet. Die Tierwohlampel ermöglicht die Analyse der einzelnen Parameter sowie eine Ursachenforschung bei Problemen.

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Spezialisierte Beratung

Darüber hinaus sind betriebsindividuelle Ausrichtungen der Tierwohlampel vorgesehen, sodass Beraterinnen und Berater die Möglichkeit erhalten, speziell auf den Betrieb angepasste Grenzwerte für die einzelnen Ampeln festzulegen. Ziele können angepasst und je nach Entwicklung immer wieder nachjustiert werden, um so eine kontinuierliche Verbesserung des Betriebsstandards zu erreichen. Die Festlegung von am Betrieb orientierten Zielen kann die Motivation der Landwirtin und des Landwirts, eine grüne Ampel zu erreichen, positiv beeinflussen und immer wieder Anreize schaffen für weitere Veränderungen. Ziel ist es, in einem fortlaufenden Prozess eine Optimierung in den Bereichen Tierwohl, Tiergesundheit und Fruchtbarkeit zu erreichen.

Der Alltag im Stall kann durch die vereinfachte Ampelanzeige problemlos durch die Landwirtin und den Landwirt gestaltet werden, allerdings kann es aufgrund der Vielzahl und Komplexität der Daten sinnvoll sein, die Aufarbeitung und das Herausfinden von Schlüsselstellen durch eine Beratungskraft vornehmen zu lassen. Durch die zusätzliche Unterstützung mittels spezialisierter Beratung kann das Potenzial der Tierwohlampel für den Landwirtschaftsbetrieb noch präziser herausgearbeitet werden. Gezielte Veränderungen können zur Verbesserung einzelner Parameter beitragen und so insgesamt die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes erhöhen. Den Beratungskräften selbst kann die Ursachenforschung nach Problemen beziehungsweise Verbesserungspotenzialen mithilfe der Tierwohlampel verdeutlicht und Schwachstellen leichter analysiert werden. Das EIP-Projekt kann so gleich drei wichtige Schwerpunkte verknüpfen: objektive Darstellung des Tierwohls, Optimierung des Tierwohls durch Managementhinweise und Analyseinstrument für Beratungskräfte.

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