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Die deutsche Forschungslandschaft ist vielfältig. Gerade bei den Agrarwissenschaften finden sich die Akteure und Arbeitsgruppen nicht nur an Hochschulen und Universitäten, sondern auch in den Einrichtungen der Länder, des Bundes, der Forschungsverbünde und nicht zuletzt in der Praxis. Landwirtschaft, Gartenbau, Maschinenbau, Lebensmittelwirtschaft: Verschiedene Stellen und Personen sind einbezogen, wenn es um die Suche und Tests von Lösungsmöglichkeiten geht. Die Fragen zum Klimawandel sind drängend: Kann die Agrarwirtschaft dazu beitragen, dem Klimawandel entgegenzuwirken? Wie kann unter veränderten Bedingungen die Versorgung mit Lebensmitteln aufrechterhalten werden?

Innerhalb weniger Jahre sollen angepasste Verfahren, tolerantere Sorten, optimierte Maschinen, Stallanlagen und Arbeitsabläufe für die Praxis tauglich sein. Diese Ziele sind leichter zu erreichen, wenn sich die Forschenden austauschen. Es gibt Synergieeffekte, wenn die Beteiligten wissen, wer wo und an was arbeitet. Mit wem könnte man welches Projekt weiterverfolgen und wo hat jemand bereits Expertise in einer ähnlichen Sache aufgebaut?
Um diese Vernetzung zu stärken, organisiert eine Gruppe führender Klimaforschender aus der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA) seit 2022 eine Web-Seminar-Reihe, die sich mit Schwerpunktthemen der Agrarforschung zum Klimawandel befasst. Unterstützt werden die Initiatoren von Dr. Martin Erbs und Dr. Martin Köchy aus der DAFA-Geschäftsstelle am Thünen Institut in Braunschweig.

Drängende Themen

Das Ziel ist, Forschende, Forschungsförderer und andere Interessierte auf unkomplizierte Weise zusammenzubringen. Die Web-Seminare bestehen aus Impulsvorträgen und Diskussionsrunden. Sie dienen auch als Austauschplattform und sind für die Teilnehmenden kostenlos. Mehrere dieser Online-Events liegen bereits hinter den Veranstaltern zum Beispiel zu den Themen Carbon Farming, Klimawandel und Pflanzenschutz, klimafreundliche Rinderhaltung, Klimawandel und Erträge. Der Zuspruch ist gut. Im Mai stand das Thema Ernährungswende an und bereits sechs Wochen vorher lagen 450 Anmeldungen vor.

Im laufenden Jahr ist folgendes Web-Seminar geplant: Am 13. Juni geht es um das Thema "Neue Pflanzenbausysteme und -kulturen". Dr. Cathleen Frühauf vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Braunschweig stellt die Frage: "Wohin bewegen wir uns mit den Anbaubedingungen?" Aus Australien berichtet Professor Dr. John Allen Kirkegaard von der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) über die Anpassung von Feldfrüchten und Anbausystemen an Trockenheit (Adaptation of crops and cropping systems to drought in Australia). Stephan Knorre vom Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum stellt die Möglichkeiten für Anbau von Durum-Weizen in Deutschland vor. Über den Anbau von Soja und Kichererbsen in Deutschland informiert Mosab Halwani vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF).

"Oft sind die Themen in der Zeit so drängend, dass sie sich förmlich anbieten. Uns geht es darum, die gemeinsamen Interessen der Community zu identifizieren und eine Plattform zu bilden, auf der man sich verzahnen kann", beschreibt Dr. Martin Erbs die Idee hinter dem Konzept. "Mit dem Online-Format ist man flexibler, denn eine Web-Seminar-Serie ist einfacher in der Handhabung, als es Präsenzveranstaltungen wären", berichtet er. "Auch aus Sicht der Teilnehmenden ist es unkomplizierter: Einen Nachmittag kann man sich dafür schon mal reservieren – die Fahrt zu einer Tagung bedeutet ungleich mehr Aufwand, was Zeit und Kosten angeht." Wichtig ist, dass die Möglichkeit zum Austausch genutzt wird und die Teilnehmenden sich einbringen, wenn sie etwas zum Thema beitragen können.

Immer wieder forschen mehrere Gruppen an unterschiedlichen Einrichtungen an ähnlichen Fragen. "Große Themen sind einfach sehr umfangreich, da liegen dann überall die Schwerpunkte etwas anders und es werden andere Aspekte untersucht, was insgesamt auch zur Absicherung der Ergebnisse dient", erklärt Dr. Martin Köchy. Wird der Austausch von Experten untereinander gefördert, werden auch die "blinden Flecken" in der Forschungslandschaft sichtbar: Das sind die Problemfelder, die mehr im Fokus stehen müssten.

Ein bereits abgeschlossenes Projekt der DAFA widmete sich der Frage, wo die Landwirtschaft idealerweise in 30 Jahren stehen sollte: Was sind die Ziele, auf die es sich hinzuarbeiten lohnt? Entstanden sind grafisch umgesetzte Zielbilder (s. Abbildung), die die Komplexität an Aufgaben verdeutlichen. Köchy: "Es gibt Bereiche, in denen mehrere Ziele verfolgt werden. Die beste Lösung für ein einzelnes Ziel ist nicht die beste Lösung, wenn mehrere Zielanforderungen erfüllt werden sollen. Welches Ziel stellen wir in den Vordergrund? Welches muss dafür nachgeben? Wir brauchen möglichst viele Blickrichtungen." "Je mehr Ziele unter einen Hut gebracht werden müssen, desto schwieriger wird es, eine gute Lösung zu finden. Wissenschaft kann nicht die eine einzige Richtschnur vorgeben. Das muss in der Gesellschaft verhandelt werden, da wo mehrere Ziele und Forderungen aufeinanderstoßen, muss man Prioritäten herausfiltern", unterstreicht Erbs.

Multiplikatoreneffekt

Dabei hilft die Vernetzung. Sie ist außerdem sinnvoll, weil jede Forschungseinrichtung andere Aufgaben hat und eine andere Multiplikatorenfunktion. Universitäten und Hochschulen forschen, aber sie bilden auch die Betriebsleitenden für die Landwirtschaft der Zukunft aus. Der Wissenstransfer geht damit über den reinen Austausch innerhalb der forschenden Community hinaus. Deshalb gibt es zu allen bereits durchgeführten Web-Seminaren eine schriftliche Zusammenfassung und auch die Links und Tipps, die sich jeweils in der Veranstaltung über die Chatfunktion angesammelt haben.

Agrarforschung zum Klimawandel

Als Präsenzveranstaltung plant die Deutsche Agrarforschungsallianz (DAFA) die wissenschaftliche Konferenz "Agrarforschung zum Klimawandel". Vier Tage – vom 11. bis 14. März 2024 – tauschen sich Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und andere Akteure der Agrarforschung auf dem Campus Griebnitzsee der Universität Potsdam über ihre Arbeit aus.

Die Konferenz soll den aktuellen Stand der Forschung widerspiegeln und zeigen, welche Potenziale in verschiedenen Klimaschutzmaßnahmen stecken. Bis Mitte September können noch Beiträge eingereicht werden. Die Anmeldung ist ab Herbst 2023 möglich. Weitere Informationen: https://www.dafa.de/veranstaltungen/agrarforschung-zum-klimawandel-2024/

Deutsche Agrarforschungsallianz (DAFA)

Die DAFA ist eine gemeinschaftliche Initiative der deutschen Agrarforschungseinrichtungen und Teilen der Ernährungsforschung. Sie besteht seit Anfang 2011. Ihre Geschäftsstelle mit zwei Mitarbeitenden und einer Post-Doc Stelle hat sie am Thünen-Institut in Braunschweig. Zu den Zielen der DAFA gehört die Leistungsfähigkeit und Transparenz der deutschen Agrarforschung zu fördern. Im Vorstand und den Fachforen bringen sich ehrenamtlich Engagierte ein, um zum Beispiel relevante Forschungsthemen zu identifizieren. Daneben geht es um Strategien, wie solche Themen bei Planung und Ausschreibung von Forschungsprogrammen Berücksichtigung finden können. Expertise bündeln und die Akteure besser zu vernetzen, ist eine zentrale Aufgabe der DAFA, darüber hinaus stellt sie Informationen zur Struktur der Agrarforschungslandschaft und der Verteilung der Kompetenzen zur Verfügung. Sie erleichtert damit das Finden von Experten, denn die deutsche Agrar- und Ernährungsforschungslandschaft ist vielfältig. Zur DAFA gehören mehr als 60 Einrichtungen: Fachbereiche, Lehrstühle und Institute von Universitäten und Hochschulen der angewandten Wissenschaften, Ländereinrichtungen wie Landesforschungsinstitute oder Landwirtschaftskammern, Einrichtungen der Leibniz Gemeinschaft, Fraunhofer-Institute, Forschungseinrichtungen des Bundes und einige andere. Weitere Infos: https://www.dafa.de