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Lernen und Erleben in der Landwirtschaft und Landschaft (Land(wirt)schaft) stärkt das Bewusstsein der Bevölkerung für Land(wirt)schaft und wirkt gleichzeitig einer Entfremdung von Natur und Land(wirt)schaft entgegen. Dies hat somit einen direkten Einfluss auf die regionale Wertschöpfung. Das Projekt Vorpommern Connect (VoCo) hat zum Ziel, regionale Wertschöpfung zu fördern und Vorpommern attraktiv für die Menschen und nachhaltig für die Zukunft zu gestalten.

Lernen und Erleben in Land(wirt)schaft kann sowohl eine Hofführung sein, eine Verköstigung der eigenen Produkte, ein interaktiver Workshop oder die Möglichkeit, den Betrieb selbst zu erkunden, zum Beispiel mithilfe von Informationstafeln oder Audioguides. In Vorpommern gibt es eine Vielzahl an Orten in der Land(wirt)schaft, die zum Lernen und Erleben einladen. Sie heißen "LEOs – Lern- und ErlebnisOrte". VoCo möchte LEOs bekannter machen, besser untereinander vernetzen und somit die Bildungslandschaft in Vorpommern stärken. Der Landkreis Vorpommern-Greifswald ist als Partner des Projekts für das Arbeitspaket Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zuständig und wird wissenschaftlich vom Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeographie der Universität Greifswald begleitet.

Um einen ersten Überblick über Angebot, Nachfrage sowie Bedarfe im Bereich Lernen und Erleben von Land(wirt)schaft in Vorpommern zu erhalten, wurde eine Online-Umfrage erstellt. Diese wurde von Anfang März bis Anfang Mai 2022 durchgeführt, 416 Personen beteiligten sich. Die Stichprobe basierte auf einem Schneeballverfahren, das sich in diesem Fall besonders eignete, da so spezielle Personengruppen besser erreicht werden können. Die Zielgruppe waren Erwachsene mit Bezug zu Vorpommern, die sich mindestens einer von vier Akteursgruppen in Bezug auf LEOs zuordnen. Dieser Beitrag berücksichtigt LEO-Anbietende und -Nutzende, da diese in Bezug auf Angebot und Nachfrage besonders relevant sind.

Generell wird in den Aussagen kein Anspruch auf Repräsentativität erhoben, da die Grundgesamtheit der jeweiligen Personengruppen im Untersuchungsgebiet Vorpommern unbekannt ist und durch das Schneeballverfahren in der Stichprobenerstellung bereits ein Bias (Verzerrung) vorliegt. Letzterer hängt damit zusammen, dass davon auszugehen ist, dass am Thema Interessierte und auch bereits in ein Informationsnetzwerk eingebundene Personen eher den Zugang und die Motivation zur Teilnahme an der Befragung hatten.

Anbieterseite

Insgesamt 37 LEO-Anbietende haben an der Umfrage teilgenommen. Diese bieten am häufigsten Führungen (21), Projekttage (17) und Praktika (14) an. Die Angebote werden bei rund einem Drittel der Lern- und Erlebnisorte drei bis vier Mal pro Jahr oder nach Anfrage angeboten. Für Nutzende bedeutet dies, dass sie nicht mit regelmäßigen Angeboten rechnen können und Eigeninitiative zeigen müssen.

Inhaltlich bieten die Lern- und Erlebnisorte eine große Bandbreite an Themen an. 70 Prozent gaben an, dass sich ihre Angebote mit den Themen des Natur- und Umweltschutzes beschäftigen. Themen wie Landschaftspflege, Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen und Klimawirksamkeit von Mooren werden von bis zu einem Drittel der LEOs in ihren Angeboten thematisiert.

Auffällig ist, dass bei den Lebensmittelkategorien insbesondere das Thema Getreide hervorstach: 59 Prozent der LEOs gaben an, dass sie Angebote zu Getreide haben. Als weitere Lebensmittelkategorien – jedoch deutlich seltener – wurden genannt: Kartoffeln, Obst, Fleisch und Wurst, Eier, Fisch, Gemüse, Milch und Milchprodukte, Öle und Fette sowie Honig. Knapp die Hälfte der befragten Leo-Anbieter (48 Prozent) boten das Lernen über und Erleben von Tieren auf dem Bauernhof an.

Die meisten Angebote richten sich an Schulen, aber auch Erwachsene sowie Studierende. Etwas seltener werden Kitas sowie Familien adressiert. Eine mögliche Erklärung hierfür, zumindest was landwirtschaftliche Betriebe betrifft, könnte sein, dass es für kleine Kinder auf einem landwirtschaftlichen Betrieb durchaus viele Risiken und Gefahren gibt. Auch wäre denkbar, dass bei kleineren Kindern der Betreuungsschlüssel größer sein müsste, was möglicherweise für landwirtschaftliche Betriebe nicht umsetzbar ist. Die Ergebnisse lassen sich aber auch so interpretieren, dass die Angebote für Kitas und Kindergärten, Familien, aber auch Unternehmen noch ausbaufähig sind.
Um die Bildungsarbeit in den Lern- und Erlebnisorten auszubauen, bedarf es laut Befragung Unterstützung bei Finanzierung, Werbung beziehungsweise Öffentlichkeitsarbeit, Kontaktaufnahme zu Nutzern und Transportmöglichkeiten sowie einer größeren Nachfrage. Eine gute Handvoll an LEOs wünschten sich Beratung, eine Plattform, Weiterbildungen, Austausch mit Kollegen und Kolleginnen und Unterstützung durch Externe. Diese Ergebnisse sind hilfreich, um die Akteure der Region zielgerecht zu unterstützen.

Nutzerperspektive

Unter den Befragungsteilnehmenden ordneten sich 303 Personen als Nutzer von LEOs ein. Diese lassen sich in verschiedene Gruppen unterteilen. Knapp die Hälfte waren Privatpersonen. 30 Prozent der Nutzer beantworteten die Fragen aus der Familienperspektive. Bei ihnen lässt sich davon ausgehen, dass sie verschiedene Altersgruppen in ihren Antworten berücksichtigten. Alle anderen Nutzergruppen sind Personen, die für ihre Institution beziehungsweise aus einer besonderen Rolle heraus, zum Beispiel als Studierende oder Auszubildende geantwortet haben und meist eine Gruppe im Hinterkopf hatten (zum Beispiel eine Schulklasse oder eine Kindergartengruppe).

Von den Befragten haben nur etwas weniger als die Hälfte bereits eine Lern- und Erlebnisort besucht. Dies bedeutet, dass die Mehrheit, obwohl sie noch nicht bei einem LEO war, sich dennoch als Nutzer von LEOs sieht. Eine mögliche Interpretation wäre, dass das Potenzial der LEOs noch lange nicht ausgeschöpft ist. Dies wird unterstützt von der Angabe von 93,1 Prozent der Befragten, dass sie Interesse daran haben, einen LEO zu besuchen.

Diese Zahlen zeigen, dass viele potenzielle Nutzende trotz großen Interesses nicht die Angebote von LEOs wahrnehmen (können). Dies hängt mit bestimmten unerfüllten Bedarfen zusammen. 88 Prozent der Nutzenden gaben an, dass sie sich (mehr) Informationen wünschen. Beispielsweise äußerte sich ein Nutzer, dass er "mehr Kenntnis (benötigt) (…): wo LEOs sind und was sie umfassen". Dies bestätigt ein Ergebnis einer Bevölkerungsbefragung (N = 2084) im Rahmen von VoCo aus dem Jahr 2019. 43,3 Prozent der Befragten gaben an, dass fehlende Informationen das größte Problem in der Nutzung aktueller LEOs seien (Maruschke et al., 2020). Beide Befragungen zeigen, dass an dieser Stelle großer Handlungsbedarf ist.

An zweiter Stelle in beiden Befragungen steht der Bedarf an Transportmöglichkeiten. Öffentliche Transportmöglichkeiten sind vor allem in ländlichen Regionen Vorpommerns, wo die meisten LEOs zu finden sind, eine große Herausforderung. Am dritthäufigsten (von rund 17 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer) wurde der Bedarf an Finanzierungshilfe genannt, um mehr LEOs in Vorpommern zu besuchen.

Die 43,8 Prozent aus dem Nutzerkreis, die bereits einen LEO besucht hatten, wurden zu ihren Erlebnissen an den LEOs befragt. Die meisten gaben an, an Führungen teilgenommen und/oder den LEO selbstständig erkundet zu haben. Auch Feste und Aktionstage waren Gründe, um einen LEO aufzusuchen.

Angebot und Nachfrage

Im Vergleich von Angebot (LEO-Anbietende) und Nachfrage (LEO-Nutzende) in Bezug auf die Arten von Angeboten zeigt sich, dass Führungen das Format sind, das der Umfrage zufolge am häufigsten angeboten sowie auch angenommen wird. In allen anderen Kategorien zeigten sich Unterschiede, was jedoch mit der kleinen Stichprobe zusammenhängen könnte. Beispielsweise haben auf der Seite der Anbietenden nur recht wenige LEOs an der Befragung teilgenommen und auf der Seite der Nutzenden nur wenige Schulen. Während etwa die Hälfte der LEOs Projekttage für Schulklassen anbieten, geht die Nutzung von Projekttagen beinahe unter, da nur wenige Nutzende die Schulperspektive einbringen. Dies unterstreicht, dass die Befragung zwar durchaus einen ersten Einblick gibt, jedoch keine Verallgemeinerungen zulässt.

Wiederum alle Nutzenden, egal ob sie bereits bei einem LEO gewesen sind oder nicht, wurden gefragt, zu welchen Themen sie sich Angebote beziehungsweise LEOs wünschen (s. Abbildung). Hier sind die Themenwünsche sehr unterschiedlich und scheinen für die meisten Nutzenden interessant zu sein. Besonders sticht auch hier der Natur- und Umweltschutz hervor. Insgesamt zeigt die Befragung, dass mehr Angebote zu einzelnen Lebensmittelgruppen angeboten werden sollten.

Ebenfalls bei den Bedarfen gibt es Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gruppen. Während sich die LEO-Anbietenden unter anderem mehr Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, eine Plattform, mehr Nachfrage sowie Kontakte zu Nutzern wünschen, wird vonseiten der Nutzenden insbesondere der Bedarf nach mehr Information deutlich. Hier würden Infomaterialien, eine interaktive Karte, die Bekanntmachung über Social Media, ein Newsletter oder ähnliches möglicherweise helfen. Auch eine Plattform könnte zum Zweck des Werbens und Informierens genutzt werden. All diese Elemente müssen gepflegt werden. Dafür bedarf es Unterstützung, da dies kaum von den LEO-Anbietern neben ihren sonstigen Tätigkeiten umsetzbar ist.

Ein weiterer Bedarf, der auf beiden Seiten genannt wurde, ist das Thema der Finanzierung. Während erwachsene Privatpersonen und Familien einen Besuch bei einem LEO in ihrer Freizeit umsetzen und finanzieren können, ist die Finanzierung insbesondere für Institutionen wie Schulen oder Kitas eine Hürde. Ebenfalls ein Hemmnis sind die Transportmöglichkeiten, sowie die Kosten für diese. Es gibt die Fördermöglichkeiten, zum Beispiel Stiftungen und Fördertöpfe, die Schulen und Kitas explizit für Projekttage oder ähnliches im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und Umweltbildung zur Verfügung stehen. Eine Sammlung und Veröffentlichung all dieser Angebote würde sicherlich für höhere Besucherzahlen sorgen.

Seit 2020 gibt es vonseiten des Vereins Netzwerk Lernort Bauernhof MV e. V. – unterstützt durch VoCo – das Bestreben, ähnlich wie in Niedersachen mit der Initiative "Transparenz schaffen – Von der Ladentheke bis zum Erzeuger" auch für Mecklenburg-Vorpommern eine Struktur zu schaffen, die es ermöglicht, dass alle Kinder mindestens einmal in ihrer Grundschulzeit einen LEO besucht haben. Im Rahmen von VoCo wird eine Projektstelle am Landkreis Vorpommern-Greifswald, die für den Strukturaufbau als Prototyp dient, evaluiert, um aufzuzeigen, wie regionale Koordinationsstellen aussehen könnten. Eine solche Struktur ist idealerweise beim Landwirtschaftsministerium angedockt, das als Ansprechpartner und Verwalter von EU-Fördermitteln aus dem Fonds ELER (Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums) agiert.


Link

https://vorpommern-connect.de
Das Projekt Vorpommern Connect (VoCo) wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme Stadt-Land-Plus (2018-2023).


Literatur

Maruschke, J.; Schiller, D.; Rühs, M. (2020): Wie denkt die Bevölkerung Vorpommerns über Vorpommern? Berichte aus VoCo – Vorpommern Connect. URL: https://vorpommern-connect.de/wp-content/uploads/2021/05/VoCo-Bericht_Wie_denkt_die_Bevoelkerung_Vorpommerns_ueber_Vorpommern.pdf (Abruf 04.11.2022)

Lochner, J.; Maruschke, J.; Lochner, E. (2022): Einblicke in regionale Wertschöpfung durch Lern- und Erlebnisorte in der Land(wirt)schaft. In: Tränckner, J. (Hrsg.): Tagungsband Fachtagung Gute Stadt-Land-Beziehungen für eine nachhaltige Entwicklung in MV. Universität Rostock. URL:  https://rosdok.uni-rostock.de/resolve/id/rosdok_document_0000020093 (Abruf 04.11.2022)