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Wallhecken, sogenannte Knicks, prägten in Schleswig-Holstein spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Agrarlandschaft, denn sie waren Grenzmarkierung, Zaun für das Vieh, gleichzeitig Schutz des Getreides vor eben diesem Vieh, eine Quelle für Brennholz und Standort essbarer Früchte. Der palisadenartige Gehölzaufwuchs eines Knicks steht immer etwas über dem umliegenden Bodenniveau auf einem Wall. Daneben verlief früher auf beiden Seiten je ein Graben mit schmalen Krautstreifen.

Mit Flurbereinigung und Technisierung der Landwirtschaft verschwanden viele Knicks: Sie waren im Weg. "Heute weiß man, dass die positiven Effekte der Hecken den Flächenverlust wieder ausgleichen", erläutert Dr. Johannes Hets, der auf Gut Wulfsdorf den Knick zum Thema für die Bauernhofpädagogik macht. Schulklassen können den Knick hier in Theorie und Praxis kennenlernen und am Erhalt mitarbeiten.

Knicks aufwerten

Circa 27 Kilometer solcher Knicks und Baumreihen befinden sich auf den 360 Hektar des landwirtschaftlichen Betriebs im Ahrensburger Stadtteil Wulfsdorf, der nach Demeter-Richtlinien biologisch-dynamisch wirtschaftet. Nach Bestandsaufnahme der Wallhecken auf dem Betrieb steht für Hets fest: "Auch wir haben Knicks, die wir verbessern können: Es soll artenreicher werden." Die traditionelle Pflege, heute über das Landesnaturschutzgesetz Schleswig-Holsteins festgeschrieben in der Durchführungsbestimmung zum Knickschutz, sieht das regelmäßige "knicken" vor, dabei wird die Hecke alle zehn bis 15 Jahre auf den Stock gesetzt. Nur die Überhälter, große, Schatten spendende Bäume, die in regelmäßigen Abständen in der Hecke stehen, bleiben davon unberührt.

Im Idealfall entsteht so eine dichte, regelmäßig verjüngte Hecke mit einem Altbaumbestand. Aber das Knicken selektiert die vorhandenen Gehölze: Einige treiben rasch wieder aus und unterdrücken andere. Wer nicht mithalten kann, wird verschattet oder verschwindet ganz aus dem Knick. "Uns fiel auf, dass nach dem Knicken teilweise nicht das wieder hochkommt, was wir für den Artenreichtum brauchen: Wir sägen immer mehr Blüte raus und mehr Holz hinein", berichtet Hets. Das ändert sich jetzt: So werden zum Beispiel Ebereschen und Weißdorn beim nächstem Knicken nicht auf den Stock gesetzt. Die Knicks aufwerten, wieder ein größeres Artenspektrum an Pflanzen ansiedeln und so Lebensraum und Nahrungsquellen für Tiere schaffen, ist das Ziel. Gleichzeitig bietet der Knick viele Möglichkeiten, ihn pädagogisch zu nutzen.

Verstehen und mitmachen

Am Beispiel des Knicks als heimischem Biotoptyp lässt sich Wissen über das Entstehen von Kulturlandschaft, die alte und neue Funktion des Knicks, Biodiversität und CO2-Senken vermitteln. Die Gruppen können das vorhandene Artenspektrum erkunden, dokumentieren und sich praktisch an der Verbesserung eines Knick-Abschnittes beteiligen, zum Beispiel indem sie Pflanzen setzen oder gegen Wildverbiss schützen. "Junge Menschen sind sehr gut mit Ansätzen zu erreichen, die zeigen: Hier passiert etwas in eurer Nachbarschaft und ihr könnt mit anpacken", ist Hets Erfahrung.

Verschiedene Veranstaltungs- und Kursformate befassen sich inzwischen mit dem Knick. Das Thema eignet sich sowohl für Schulen als auch für die Erwachsenenbildung. Für den Biologieunterricht gibt es ein eintägiges Format mit Vortrag und praktischem Teil auf einem Knick. Beim zweitägigen Format findet der Theorieteil in der Schule statt, der zweite Tag ist ganz für die Praxis im Gelände da. Auch für Projektwochen an Schulen lässt sich das Angebot anpassen. Wöchentlich wiederkehrend kommen Schülerinnen und Schüler einer Rudolf-Steiner-Schule auf das Gut Wulfsdorf. Die Schule behandelt in Klasse 8 Gartenbau: In Kleingruppen machen die Schüler damit praktische Erfahrungen. Sie pflanzen zum Beispiel Zufallssämlinge von geeigneten Heckenpflanzen um, sodass sie Lücken in Knicks artenreich ergänzen. 

Im September dieses Jahres erwartet Hets 80 Schüler, die als Teil ihres Biologieunterrichts im 11. Jahrgang die abiotischen Faktoren neben und in den Knicks messen und auswerten werden. Die Messgeräte dafür schafft Hets gerade an. Das ist möglich, da das Knick-Projekt durch Stiftungen wie zum Beispiel die Bingo!-Projektförderung und lokale Unternehmen finanziell gefördert wird. Außerdem werden Formate, die gezielt auf die Lehrpläne von Schulen in Schleswig-Holstein abgestimmt sind, von der Bildungsoffensive Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz (BiLEV) bezuschusst. Geplant ist diese Unterstützung durch die vom schleswig-holsteinischen Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz initiierte BiLEV vorerst bis Ende 2025. 

Das Knick-Projekt ist nur eines der Themen im Veranstaltungsangebot von Gut Wulfsdorf. Das Team, das die Bauernhofpädagogik betreut, führt neben Hofführungen auch andere Veranstaltungen für Kindergärten, Klassen aller Schulformen und -stufen sowie Erwachsene durch. Die notwendigen Mittel sammelt der bereits vor 25 Jahren gegründete Initiativkreis Gut Wulfsdorf e. V., der zum Beispiel auch das Pomarium mit eigener Baumschule betreut. Im Jahr besuchen Gut Wulfsdorf zwischen 150 und 200 Gruppen, um hier an Veranstaltungen zu Natur und Landwirtschaft teilzunehmen. Die nächste U-Bahnhaltestelle des Hamburger Nahverkehrsnetzes ist nur 15 Gehminuten von Gut Wulfsdorf entfernt: ideale Standortbedingungen für Bauernhofpädagogik.