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Andreas Teichler, Ausbildungsberater bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, erläutert die Vorzüge der Leittext-Methodik und gibt Hinweise für die Entwicklung neuer Leittexte.

Interview: "Leittext"

Herr Teichler, werden Sie auch zum Einsatz von Leittexten um Rat gefragt und von wem?

Teichler: Die Leittextarbeit ist ein regelmäßiges Thema in den Gesprächen mit den Auszubildenden in der Begleitung der Berichtsheftführung. Vornehmlich die Auszubildenden fragen nach bestimmten Themen und Texten. Die Lehrerinnen und Lehrer unserer Berufsschule begleiten die Leittextarbeit zum Teil im Unterricht. Neue Ausbilderinnen und Ausbilder, die mit der Leittextmethode noch nicht häufig gearbeitet haben, fragen ebenfalls nach.

Sie haben viel Erfahrung in der Leittextarbeit und zahlreiche Vorlagen mitentwickelt. Welche Vorzüge hat die Arbeit mit Leittexten in der Berufsausbildung?

Teichler: Ein praxisbezogener Leittext führt die Auszubildenden an eine Arbeit heran und begleitet sie durch die einzelnen Arbeitsschritte. Ein Thema kann selbstständig vorbereitet und durchgeführt werden. Die Aufgabe ist strukturiert, abgegrenzt und in ihrem Umfang überschaubar. Mit einem Leittext üben die Auszubildenden zudem das handlungsorientierte Arbeiten, welches in dieser Form Grundlage unserer Prüfungsaufgaben ist. Informationsverarbeitung, Planung, Kontrolle der eigenen Arbeit und die abschließende Reflexion des Erreichten sind wesentliche Elemente zur Erlangung der beruflichen Handlungskompetenz. Die Begleitung erfolgt durch die Ausbildenden an den Punkten, an welchen Fragen entstehen.

Sehen Sie eine Veränderung in der Leittextarbeit in den vergangenen Jahren – seitdem sie nicht mehr verpflichtender Teil der Ausbildung sind?

Teichler: Die Betrachtung hierzu ist etwas differenzierter zu sehen: Die Freiwilligkeit führt in die Selbstverantwortung – denn in der Vergangenheit wurden Leittexte oft halbherzig oder widerwillig geschrieben, weil es eine Pflicht war. Jetzt liegt es an den Einzelnen zu erkennen und zu entscheiden, ob die angebotene Methode eine sinnvolle Übung und gute Vorbereitung für die Zwischen- und Abschlussprüfung ist. Die meisten Auszubildenden erkennen das früher oder später und nutzen dieses Angebot für sich.

Bereits jetzt sind Leittexte zu mehr als 50 verschiedenen Themen für die Landwirte-Ausbildung verfügbar. Gibt es weitere Themen, die Ihrer Ansicht nach in Zukunft relevant sein werden?

Teichler: Die Themenschwerpunkte liegen meiner Einschätzung nach ganz klar im Bereich der Produktionstechnik. Vor allem prüfungsrelevante Themen sollten von den Auszubildenden bearbeitet werden. Es sollten sich die Arbeitsbereiche widerspiegeln, in denen sie ihre Erfahrungen machen. Da sich die Landwirtschaft stetig wandelt und weiterentwickelt, kommen immer wieder neue Themen dazu. Wenn sich Themen zu Schwerpunkten der Ausbildung entwickeln, ist es sinnvoll, diese auch mit entsprechenden Leittexten zu begleiten. Themenfelder, die an Relevanz gewinnen, sind beispielsweise das Herdenmanagement und die Arbeit mit automatischen Melksystemen im Milchviehstall sowie der Einsatz der technischen Hilfssysteme im Schlepper auf dem Acker, zum Beispiel GPS-Steuerung, Maschinen- und Arbeitsablaufprogrammierung.

Was raten Sie denjenigen, die für ihr Fachgebiet Leittexte erstellen möchten, um damit für ein Thema zu sensibilisieren?

Teichler: Ein aktuelles neues Thema sollte im Hinblick auf Zeitrahmen und Arbeitspensum überschaubar bleiben. Die Informationsbeschaffung sollte klar sein. Wiederholt die Perspektive zu wechseln und durch die „Brille“ der Auszubildenden die Aufgaben und Fragen zu lesen und zu verstehen, ist immer wieder hilfreich. Eine offene Formulierung der Fragen ist stets eine Herausforderung und doch wichtig, damit sich jeder Betrieb mit seiner individuellen Herangehensweise wiederfindet. Nehmen wir ein Beispiel: Die Aussaat von Getreide auf einer Ackerfläche erscheint als Aufgabe eindeutig. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Betriebe auf unterschiedliche Art und Weise die Aufgabe angehen.

Ursprünglich werden die Leittexte von Ausbilderinnen und Ausbildern in die praktische Ausbildung eingebunden. Eignet sich die Leittextarbeit auch für den Berufs- oder Fachschulunterricht?

Teichler: Für den Einstieg in das Thema eines Leittexts kann es sinnvoll sein, dies im Schulunterricht vorzubereiten. In erster Linie stehen allerdings die Ausbildenden in der Verantwortung, ein Thema zu begleiten. Leittextarbeit ist und bleibt eine Methode, die davon lebt, während des praktischen Tuns die Erfahrungen und Erkenntnisse zu erfassen und im Thema weiter voranzuschreiten. Abhängig von den betrieblichen Schwerpunkten im Ausbildungsbetrieb bleibt es zudem eine individuelle Entscheidung der Auszubildenden, mit welchen Themen sie sich beschäftigen.

Das Interview führte Hildegard Gräf.

Leittexte …

  • … verfolgen das Modell der vollständigen Handlung: Informieren – Planen – Entscheiden – Durchführen – Kontrollieren – Bewerten.
  • … haben eine konkrete Aufgabenstellung.
  • … verbinden theoretisches Wissen mit praktischem Arbeiten bei hohem Lerneffekt.
  • … fördern selbstständiges und eigenverantwortliches Arbeiten.
  • … sind je nach Thema unterschiedlich schwer und umfangreich.
  • … beziehen sich immer auf den Betrieb und sind somit im Ergebnis individuell.
  • … können auch nutzbringend in den Berufsschulunterricht oder bei Prüfungen eingebunden werden.
  • … werden seit mehr als 25 Jahren erfolgreich in der landwirtschaftlichen Ausbildung eingesetzt.

Alle Leittexte zum kostenlosen Download unter: www.leittexte.de

Interview: "Einstieg in das Thema Biologische Vielfalt"

Das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) bietet seit 2021 den Leittext "Planen und Anlegen eines Blühstreifens" als kostenlosen Download an. Er ist der erste im Kanon der über 50 bisher erschienenen Leittexte zur landwirtschaftlichen Ausbildung, der das Thema Biodiversität behandelt.

Johanna Gundlach arbeitet beim Bundesamt für Naturschutz (BfN), Gabriele Blümlein im Informationszentrum Biologische Vielfalt in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Gemeinsam mit Dr. Jan Freese von der Deutschen Vernetzungsstelle Ländliche Räume (DVS) haben sie den neuen Leittext entworfen, veröffentlicht hat ihn das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft.

Frau Gundlach, Frau Blümlein, Leittexte unterstützen Auszubildende dabei, ein praktisches Projekt auf dem ausbildenden Betrieb zu machen, um sich dabei neues Wissen anzueignen oder vorhandenes zu vertiefen. Worum geht es bei dem neuen Leittext?

Blümlein: Er bietet sozusagen ein Einmaleins zum Thema Blühstreifen mit Hinweisen zu weiterführenden Infos und Videos. Beim Praxisteil geht es darum, für den jeweiligen Betrieb zu überlegen: Wo kann ich einen Blühstreifen anlegen, soll er ein- oder mehrjährig sein? Es folgen Fragen wie: Wo bekomme ich das Saatgut her? Ist es möglich, den Blühstreifen als Agrarumweltmaßnahme fördern zu lassen? Das ist ein rundes Paket. Leittexte sind zwar kein Pflichtteil der landwirtschaftlichen Ausbildung mehr. Wir hoffen dennoch, dass Ausbildende sie ihren Azubis weiterhin ans Herz legen – und auch, dass Lehrkräfte unseren Leittext als Einstieg in das Thema Biologische Vielfalt nutzen.

Gibt es dafür einen Bedarf?

Gundlach: Wir befinden uns in einer globalen Biodiversitätskrise, die wissenschaftlich hinreichend belegt ist. In Deutschland betrifft dies im besonderen Maße die Biodiversität in der Agrarlandschaft. Hier sehen wir großen Handlungsbedarf. Vielen Landwirtinnen und Landwirten sind die Möglichkeiten, sich für den Natur- und Umweltschutz zu engagieren, nicht bekannt oder die Hemmnisse sind zu groß. Da liegt es nahe, den Wissenstransfer zwischen Landwirtschaft und Naturschutz zu stärken und das Thema Biologische Vielfalt mit praxisnahen Beispielen in die Ausbildung zu bringen.

Blümlein: Wir haben öffentlich bereitgestellte Bildungsmaterialien durchgesehen und festgestellt, dass nur wenige die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft zum Thema haben. Einen Blühstreifen anzulegen, ist ein überschaubares, konkretes Projekt, das gut in das Konzept der Leittexte passt. Deshalb haben wir uns für dieses Format entschieden. Es ist eine gute Möglichkeit, Azubis an das größere Thema Biodiversität heranzuführen.

Gundlach: Ich habe mich mit Lehrkräften aus Berufsschulen ausgetauscht. Biodiversität spielt in der Grundausbildung bislang nahezu keine Rolle – der Fokus liegt naturgemäß auf landwirtschaftsnahen Fächern. Öko-Themen werden eher in den Fachschulen zur Meisterausbildung aufgegriffen. Deutlich wurde auch, dass die Integration von Querschnittsthemen, wie der Naturschutz eines ist, vom Engagement der einzelnen Lehrkraft abhängt. Von denen, die engagiert und interessiert sind, gab es das Signal: Uns fehlt es an Material, mit dem wir arbeiten können.

Kann der Leittext zum Blühstreifen diese Lücke füllen?

Blümlein: Er ist ein klitzekleiner Baustein, auf den wir nichtsdestotrotz stolz sind. Der Leittext ist der erste, der mit Fotos arbeitet, um die junge Zielgruppe bestmöglich anzusprechen und wir haben ihn zudem als beschreibbares PDF gestaltet, so dass man auch digital damit arbeiten kann. Lehrkräfte von Berufsschulen haben unseren ersten Entwurf einem Reality-Check unterzogen. Viele Fragen fanden sie zu schwierig. Die Rückmeldungen waren sehr hilfreich. Wir haben alles verständlicher formuliert und noch mehr Hintergrundinformationen aufgenommen.

Soll das Thema auch Ausbildende ansprechen?

Blümlein: Unbedingt. Die Landwirtschaft ist einer der wichtigsten Akteure, um die biologische Vielfalt zu erhalten. Dazu müssen Gräben, die zwischen Landwirtschaft und Naturschutz entstanden sind, überwunden werden. Das gilt es, auch in der Ausbildung zu vermitteln. Bei der Erstellung des Leittextes haben die BLE als landwirtschaftliche und das BfN als Naturschutz-Behörde zusammengearbeitet und sich mit Fachwissen ergänzt.

Gundlach: Die Landwirtschaft steht vor großen Transformationsprozessen. Damit dürfen die Betriebe auf keinen Fall alleine gelassen werden. Wir müssen Fachwissen an sie herantragen, damit sie in der Lage sind, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Da spielen Biodiversität, Klima-, Boden- und Wasserschutz eine zunehmend wichtige Rolle. Wir haben mit dem Leittext einen Anfang gemacht.

Also ist es für die Ausbildenden von Vorteil, wenn Azubis damit arbeiten?

Gundlach: Wir sehen, dass sich die Landwirtschaft Umweltthemen zunehmend öffnet, gleichzeitig ist es für die Betriebe schwer, an entsprechendes Fachwissen zu gelangen. Wenn Azubis sich über einen Leittext mit Naturschutz auf dem Betrieb beschäftigen, teilen sie ihre Erkenntnisse und Erfahrung mit ihren Ausbildenden. Hierdurch erhält der Betrieb womöglich neue Informationen und eine Entscheidungsgrundlage zu einem Thema, für das auf vielen Betrieben schlichtweg die Zeit fehlt. Dies halte ich für eine Win-win-Situation. Im Falle des Blühstreifens ist dieser sogar häufig mit einer Imageaufwertung verbunden: Er ist hübsch anzusehen und das Umfeld sieht, wie sich der Betrieb engagiert. Das kann ihm nutzen.

Blümlein: Blühstreifen werden als Agrarumweltmaßnahmen angeboten. Wenn die Auszubildenden sich mit dem Leittext auseinandersetzen, befassen sie sich also auch mit der Agrarförderung.

Gibt es weitere Ideen?

Gundlach: Der Leittext zum Blühstreifen richtet sich in erster Linie an Betriebe mit Ackerbau, Obstbau und Sonderkulturen. Wir möchten zukünftig auch weitere Betriebe ansprechen und hierfür zunächst grundlegender an das Thema Agrarnaturschutz heranführen.

Haben Sie schon eine Vorstellung, wie dies für die Azubis praxisnah gelingen kann?

Gundlach: Um den Betrieb mit der Naturschutzbrille zu betrachten, kann man gute Anleitungen geben und beispielsweise fragen, ob es offene Wasserstellen gibt, die von Vögeln oder Insekten genutzt werden können. Die Person, die sich den Betrieb unter diesen Aspekten anguckt, bekommt ein Gespür dafür, welche Strukturen auf der Hofstelle und den Betriebsflächen für Tiere und Pflanzen bedeutsam sind, welche Potenziale hierfür im Betrieb schlummern und welche weiterführenden Maßnahmen geeignet wären. Zu vermitteln, was zum Erhalt von Biodiversität wichtig ist und warum man was wo am besten macht – darin sehen wir die Aufgabe des nächsten Leittextes. Noch sind wir in der Planungsphase. Anregungen aus der Praxis nehmen wir gerne entgegen.

Das Interview führte Anja Rath.


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