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In urban geprägten Räumen üben landwirtschaftliche Betriebe oft mehrere Diversifizierungsstrategien aus.
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In der Metropolregion Ruhr wird die städtische und stadtnahe Landwirtschaft seit einigen Jahren verstärkt öffentlich diskutiert. In städtischer und stadtnaher Landwirtschaft ist die Entwicklungsoption des mengenmäßigen Wachstums (in Fläche und Tiereinheiten) nur sehr begrenzt möglich. Ballungsräume zeichnen sich durch enormen externen Flächendruck (für Wohnen, Gewerbe, Verkehrsinfrastruktur, Erholung, Forst, Renaturierungen und -kultivierungen) aus. Des Weiteren verhindern Abstandsregelungen zu geruchsempfindlichen Landnutzungen klassische Tierhaltungserweiterungen (Schweine, Geflügelmast etc.). Aufgrund dieser begrenzenden städtischen Rahmenbedingungen, aber auch aufgrund der sich bietenden Chancen eines großen und häufig differenzierten Verbraucher- und Kundenmarktes haben sich in urban geprägten Räumen oftmals auch Diversifizierungsstrategien etabliert. Hierzu gehören:

  • der Anbau (und die Weiterverarbeitung und Vermarktung) wertschöpfungsstarker Kulturen wie Gemüse, Beerenobst, Steinobst, Blumen und Kartoffeln;
  • die Weiterverarbeitung und Direktvermarktung zur Kürzung der Wertschöpfungskette;
  • Diversifizierungen in Dienstleistungen wie Agrotourismus (zum Beispiel Gastronomie und Pensionspferdehaltung), aber auch Landschaftspflege sowie Bildungs- und Sozialangebote;
  • die Einbindung von Städtern in die Produktion (zum Beispiel Selbstpflückfelder und Mietgärten).

Onlinebefragung

Im Frühjahr 2016 haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bonn, Fachhochschule Südwestfalen und der ETH Zürich eine Onlinebefragung mit 156 Landwirtinnen und Landwirten in der nordrhein-westfälischen Metropolregion Ruhr durchgeführt. Das Ziel war es zunächst herauszufinden, welche Diversifizierungsstrategien landwirtschaftliche Betriebe in der Metropolregion nutzen, und warum sich Landwirtinnen und Landwirte dafür entscheiden, wirtschaftliche Aktivitäten außerhalb der Primärproduktion aufzunehmen.

In einem zweiten Schritt haben sie untersucht, welche Faktoren dazu führen, dass landwirtschaftliche Betriebe mehrere Diversifizierungsstrategien gleichzeitig ausüben. Die Metropole Ruhr ist für diese Analyse besonders geeignet, da in der mehr als fünf Millionen Einwohner fassenden Region fast 40 Prozent der Fläche landwirtschaftlich genutzt werden und rund 3.300 landwirtschaftliche Betriebe existieren (s. Abbildung).

In der Studie wurden sowohl geografische Komponenten wie Bodenqualität und Nähe zu einem Ballungszentrum als auch Charakteristika des Betriebsleitenden und Betriebs, wie zum Beispiel Alter, Bildungsgrad oder Betriebstyp berücksichtigt. Zudem wurden die Risikowahrnehmung und Risikopräferenzen der teilnehmenden Landwirtinnen und Landwirte gemessen.

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Diversifizierungsaktivität

79 Prozent der befragten Landwirtinnen und Landwirte gaben mindestens eine nicht landwirtschaftliche Diversifizierungsaktivität an. Dabei spielen insbesondere Energieerzeugung (aus nachwachsenden und nicht nachwachsenden Rohstoffen), Agrotourismus und Direktvermarktung eine Rolle. Circa 70 Prozent dieser Betriebe betreiben mehr als eine Diversifizierungsaktivität.

Die Ergebnisse zeigen, dass Betriebe mit einer durchschnittlich geringeren Bodenqualität häufiger einer Diversifizierungsstrategie nachgehen. Für diese Betriebe ist der wirtschaftliche Druck in Ballungsräumen besonders groß, weshalb eine Reduzierung des wirtschaftlichen Risikos durch Diversifizierung für diese Landwirtinnen und Landwirte besonders attraktiv ist. Landwirtschaftsbetriebe mit intensiver Tierhaltung tendieren weniger dazu, Diversifizierungsstrategien zu verfolgen. Eine Begründung hierfür mag in der Abweichung der landwirtschaftlichen Praxis von der öffentlichen Vorstellung von Tierhaltung liegen. Außerdem unterliegt die intensive Tierhaltung strengen Hygienevorschriften, welche schwer mit regelmäßigem Publikumsverkehr vereinbar sind.

Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem jüngere Landwirtinnen und Landwirte mit einer größeren Risikobereitschaft diversifizieren. Außerdem trägt eine gesicherte Hofnachfolge wesentlich dazu bei, dass sich Betriebe diversifizieren und durch die Streuung des betrieblichen Risikos auf mehrere Einkommenszweige den Fortbestand des Betriebes sichern.

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Synergieeffekte

Die Anzahl der Diversifizierungsaktivitäten pro Betrieb steigt zudem mit der Nähe des Betriebs zu urbanen Ballungszentren. Mehr als eine Diversifizierungsstrategie verfolgen zudem häufiger Betriebe, die wertschöpfungsstarke Kulturen wie Gemüse, Obst, Gewürze oder Kräuter produzieren. Diese Betriebe nutzen die Nähe zu einer großen potenziellen Kundschaft offenbar stärker und setzen auf mögliche Synergieeffekte zwischen verschiedenen Aktivitäten wie zum Beispiel zwischen Agrotourismus und Direktvermarktung. Diese Geschäftsmodelle nutzen häufig die publikumswirksame Anziehungskraft touristischer Angebote wie ein Hofcafé, ein Maislabyrinth oder saisonale Veranstaltungen, um den Absatz im Hofladen zu erhöhen.

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Gezielte Betreuung

Es zeigt sich zudem, dass die Diversifizierungsintensität bei Landwirten, die vom Beratungsangebot der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen Gebrauch machen, steigt. Gezielte Information zu den oft komplexen steuerlichen und rechtlichen Herausforderungen durch die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen fördert das landwirtschaftliche Unternehmertum: Landwirtinnen und Landwirte wagen häufiger den Schritt, Zeit und Kapital in eine neue Unternehmung auf dem Betrieb zu investieren. Außerdem wünschen sie sich eine gezielte Betreuung mit Blick auf die spezifischen Bedürfnisse im stadtnahen und städtischen Raum für die gesamte Metropolregion Ruhr.

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Literatur

Meraner, M.; Pölling, B.; Finger, R. (2018): Diversification in peri-urban agriculture: a case study in the Ruhr metropolitan region. Journal of Land Use Science, 13(3), S. 284-300. URL: https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/1747423X.2018.1529830 (Abruf: 4.11.2019).

Meraner, M.; Pölling, B.; Finger, R. (2018): Data on farm diversification decisions and farmers’ risk preferences in the Ruhr Metropolitan region (Germany). Data in Brief 18, S. 9-12. URL: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352340918302099 (Abruf: 4.11.2019).

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