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Wie gelingt es, angestrebte persönliche Veränderungen nachhaltig umzusetzen?
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Vorsätze werden oft aus "schlechten Gewohnheiten", die man endlich loswerden will, abgeleitet. Weniger Stress, mehr Zeit für die Familie, mehr Sport, gesündere Ernährung - diese und ähnliche Wünsche gehören regelmäßig zu den persönlichen Hitlisten. Doch zwischen der Absichtserklärung und der Handlung geht den meisten Veränderungswilligen die Puste aus.

Drei Instanzen

Wer nach psychologischen Erklärungen für dieses Phänomen sucht, wird früher oder später auf das Drei-Instanzen-Modell von Sigmund Freud (s. Abbildung) stoßen. Für den Vater der Psychoanalyse setzt sich die Persönlichkeit eines Menschen aus drei Instanzen zusammen: dem Es, dem Ich und dem Über-Ich. Das Es lässt sich mit einem Kind vergleichen, das lebendig und spontan ist, aber auch wild und unberechenbar, weil es noch nicht gelernt hat, seine Impulse zu kontrollieren. Das Über-Ich meldet sich immer dann zu Wort, wenn gegen die verinnerlichten Wert- und Moralvorstellungen eines Menschen verstoßen wird. In der Folge treten Schuldgefühle auf, die sich als "schlechtes Gewissen" bemerkbar machen. Das Ich hat die Aufgabe, zwischen den Ansprüchen des Es ("Lustprinzip") und des Über-Ich ("Moralitätsprinzip") unter Berücksichtigung der realen Situation zu vermitteln.

Nach diesem Modell lassen sich wiederkehrende, aber nie vollzogene Vorsätze als Ausdruck des Über-Ichs einordnen. Die pauschale Selbstkritik - zu dick, zu unsportlich, zu passiv, zu ungesund - verursacht enormen Druck. Das Ergebnis sind die guten Vorsätze, von denen der Protagonist im Moment des Aussprechens wirklich überzeugt ist. Gute Absichten lösen sich jedoch wieder auf, sobald der Druck nachlässt. Denn Menschen sind "Gleichgewichtswesen" und streben danach, wieder in Balance zu kommen, erklärt Reinhard K. Sprenger in dem Buch "Die Entscheidung liegt bei dir!". Das bedeutet: Menschen können nicht lange in einer Stresssituation leben. Deshalb suchen sie nach Möglichkeiten, sich innerlich auszubalancieren. Wie so ein Ausgleich vonstattengehen kann, erläutert der Autor am Beispiel der "guten Vorsätze": "Wenn Sie zum Beispiel die klare Forderung und Notwendigkeit spüren, etwas zu tun (auf der Soll-Seite), es aber eigentlich nicht tun wollen, geben Sie Ihre guten Vorsätze gleichsam ‚in Zahlung’ (auf der Haben-Seite). Sie erzählen sich und anderen, was Sie sich vorgenommen haben - und fühlen sich angenehm entlastet. Dieser Gleichgewichts-Zustand erlaubt es Ihnen dann, passiv bleiben zu können" (Sprenger 2015, S. 73).

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Zwei Seiten, ein Problem

Noch konsequenter als gute Vorsätze "in Zahlung zu geben", wäre möglicherweise, erst gar keine Vorsätze mehr zu fassen. Doch so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint, ist das nicht. Denn gute Vorsätze beinhalten ja keine unsinnigen Absichten, sondern konkrete Forderungen, die auf Notwendigkeiten basieren. Wer sich beispielsweise vorgenommen hat abzunehmen, mehr Sport zu treiben und sich gesünder zu ernähren, leidet möglicherweise unter Übergewicht.

Das Problem sind auch nicht die Vorhaben selbst, sondern die Art und Weise, wie sie zustande kommen. Strenge Aufforderungen wie "Du musst, du sollst, du darfst nicht, tu dies, tu jenes nicht!" führen grundsätzlich zu zwei Reaktionen: Anpassung oder Rebellion. Im Fall der Anpassung wird auf die Schnelle ein Fitnessprogramm zusammengeschustert, das oft den Charme einer "Wurzelbehandlung" ausstrahlt und dazu führt, dass der gute Vorsatz bereits nach kurzer Zeit zur lustlosen Schinderei gerät. Im Fall der Rebellion sabotieren Müdigkeit, Unlustgefühle, Ausflüchte und andere Widerstandsphänomene die guten Vorsätze.

Dieser Konflikt kann nicht einseitig gelöst werden, weil beide Persönlichkeitsanteile berechtigte Anliegen vertreten. Insofern ist es wichtig, dass bei der Formulierung guter Vorsätze eine Instanz die Führung übernimmt, die in der üblichen Kommunikation fehlt: das Ich. Nur diese Instanz ist in der Lage, zwischen Luststreben und moralischen Bedenken zu vermitteln, indem es die jeweiligen Ansprüche einer realistischen Prüfung unterzieht.

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Realistische Prüfung

Über den Weg der Selbstreflexion kann ermittelt werden, welche der Vorsätze, denen ein Mensch nachrennt, wirklich wichtig sind und von welchen er sich verabschieden möchte. Viele Veränderungswillige folgen einer Illusion. Sie glauben, sie müssten sich noch mehr anstrengen, um all den Anforderungen des Über-Ichs nachkommen zu können. Die Allmachtsfantasie, über keinerlei Leistungsgrenzen zu verfügen, ist oft mit dem Vorsatz eines optimierten Zeitmanagements verbunden. Nur wenn das Ich die eigenen Leistungsgrenzen anerkennt, kann es sich von den überhöhten Ansprüchen des Über-Ichs abgrenzen. Wie aber kann es gelingen, wenigstens die restlichen Vorsätze nachhaltig in die Tat umzusetzen? Positive Ziele, Erinnerungshilfen und Wenn-dann-Pläne können diesen Prozess unterstützen.

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Positive Ziele

Nicht mehr rauchen, weniger mit digitalen Endgeräten daddeln, nicht mehr so viele Süßigkeiten naschen - der Nachteil solcher Verneinungen: Sie lösen keine positive Sogwirkung aus. Statt also ein "Tu-nicht-Ziel" ("Ich will weniger Stress haben.") aufzustellen, ist es besser, ein "Tu-Ziel" ("Ich will gelassen bleiben") zu nennen. Das erste Ziel führt zu einer Auseinandersetzung mit dem Stress, den es loszuwerden gilt. Das zweite Ziel eröffnet eine komplett andere Ausrichtung: Die Gedanken kreisen von Anfang an um die Gelassenheit. Die Umsetzung solcher "Tu-Ziele" muss zu einhundert Prozent unter der Kontrolle des Veränderungswilligen stehen. Statt: "Ich sorge dafür, dass mein Berufsschullehrer meine Leistungen gut bewertet", besser: "Ich lerne so, dass gute Bewertungen möglich werden." Ebenso wichtig ist das dritte Kriterium: Ein "Tu-Ziel" muss starke, positive Affekte auslösen. Dies kann gelingen, wenn der Veränderungswillige einen individuellen Sinn erkennt in dem, was er tun will - unabhängig davon, was andere von ihm erwarten und fordern.

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Erinnerungshilfen

Im hektischen Alltag kann ein guter Vorsatz schnell "unter die Räder geraten" – nach dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn. Damit das nicht passiert, kann ein Veränderungswilliger verschiedene Maßnahmen ergreifen, um sich immer wieder aufs Neue an sein Vorhaben zu erinnern. Die Bandbreite reicht von der Auswahl eines speziellen Musikstücks über das Speichern eines Fotos auf dem eigenen Smartphone bis hin zum Passwort, das bei der Eingabe an das vorgenommene Ziel erinnern soll.

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Wenn-dann-Pläne

Wer seinen Vorsatz mithilfe eines Wenn-dann-Plans umsetzen möchte, sollte sich eine typische Situation überlegen, in der es ihm schwerfallen könnte, im Sinne seines Ziels zu handeln. Was sind mögliche Fallgruben und Hindernisse auf dem Weg zum Ziel? Wie lässt sich diese Situation zu einem kurzen Satz zusammenfassen, der mit dem Wort "wenn ..." beginnt. Anschließend wird das beabsichtigte Verhalten als ein prägnanter Dann-Teil formuliert, zum Beispiel: "Wenn mein Freund Felix anruft und mich zum Unterbrechen des Lernens überreden will, dann verabschiede ich mich höflich und bleibe dabei."

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Sekundärgewinn

Im Allgemeinen läuft persönliche Veränderung darauf hinaus, sich in der Zukunft punktuell anders zu verhalten. Demzufolge wird versucht, eine alte Verhaltensweise durch eine neue zu ersetzen. Zum Beispiel: Wer sich vornimmt, zweimal in der Woche zu joggen, kann nicht gleichzeitig auf dem Sofa entspannen. Das bedeutet, dass in diesem Fall der Gewinn an Fitness mit einem Verlust an Entspannung verbunden ist. Das macht die Sache so störanfällig. Denn das alte Verhalten verzieht sich in den Untergrund und lauert dort auf eine Gelegenheit, die Veränderung zu durchkreuzen.

Der Vorteil, der mit dieser Selbstsabotage verbunden ist, wird in der psychologischen Fachliteratur als "Sekundärgewinn" bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine Art Belohnung, die erfolgt, wenn das offiziell angestrebte Ziel nicht erreicht wird. Wer also immer wieder an der Umsetzung seiner Vorsätze scheitert, sollte sich einmal überlegen, welche Annehmlichkeiten die Realisierung ausbremsen? Grundsätzlich liegt die Vermutung nahe, dass die Zeit genutzt wird, um anderen Dingen den Vorrang zu geben, zum Beispiel: Wer nicht joggt, kann daheim bequem von der Couch aus Fernsehen gucken.

Der Weg aus der Selbstsabotage führt nicht über die Unterdrückung des Sekundärgewinns. Im Gegenteil: Erst die Akzeptanz und Integration dessen, was sich möglicherweise durch die Umsetzung des neuen Vorsatzes bedroht fühlt, bringt eine Wende. Deshalb darf der Sekundärgewinn nicht außerhalb des guten Vorsatzes liegen, sondern davor, mittendrin oder unmittelbar danach, zum Beispiel: Wer sich vorgenommen hat, regelmäßig zu joggen, sollte eine Laufstrecke wählen, die immer mal wieder eine Parkbank aufweist. So besteht die Möglichkeit, das Laufen mit Phasen der Entspannung zu verknüpfen.

Es empfiehlt sich, immer beides zu tun: Einen klaren Vorsatz zu fassen und dann alles aus dem Weg zu räumen, was die Umsetzung behindern könnte. Dabei ist es oft gar keine Frage von "Entweder oder", sondern eine von "Sowohl-als auch". "Was soll bleiben?" und "Was soll sich ändern?" – diese zwei Fragen gilt es immer mal wieder zu beantworten, um zwischen den Bewahrungs- und Veränderungsbedürfnissen einen Kompromiss zu finden. Dabei ist zu bedenken: Wichtige Veränderungen sind oft ein langsames Werk aus Geduld und Spucke. Rückschläge sind dabei unvermeidbar und als Teil des Veränderungsprozesses zu sehen.

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Literatur

  • Sprenger, R. K. (2015): Die Entscheidung liegt bei dir! Wege aus der alltäglichen Unzufriedenheit.
    Frankfurt/ New York
  • Storch, M. (2015): Das Geheimnis kluger Entscheidungen. Von Bauchgefühl und Körpersignalen.
    München/ Berlin

Stand: 26.06.2017

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