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Im Berufsfeld Agrarwirtschaft zeichnen sich durch wandelnde Rahmenbedingungen veränderte Qualifikationsanforderungen bei Fachkräften ab. Ziel der beruflichen Bildung muss es weiterhin sein, flexibles und problemlösendes Handeln in der beruflichen Situation zu gewährleisten. Bei den 22. Hochschultagen Berufliche Bildung unter dem Rahmenthema "Fachkräftesicherung" loteten Bildungsexpertinnen und -experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an sehr unterschiedlichen Stellen Lösungsansätze aus. Zukünftige Bildungskonzepte müssen den Wegfall der Familienarbeitskräfte, den Strukturwandel durch technische, insbesondere digitale Transformation sowie die steigende Heterogenität unter den Auszubildenden beziehungsweise bei den Facharbeitern berücksichtigen. Auch die individuellen Entwicklungs- und Lebensperspektiven der Fachkräfte im ländlichen Raum verlangen nach Veränderungen in den Qualifikationskonzepten (Ausbildung, Fort- und Weiterbildung).

Zusammenfassend kann ein zunehmender Fachkräftemangel in der gesamten agrarwirtschaftlichen Domäne beobachtet werden (Holst und von Cramon-Taubadel, 2017). Laut Bundesagentur für Arbeit ist in einzelnen Berufen sogar eine verfestigte Engpasslage zu konstatieren (Bundesagentur für Arbeit, 2022). Wo sollten Maßnahmen ansetzen? Eine Sensibilisierung für das Berufsfeld Agrarwirtschaft könnte beispielsweise bereits in Kindertagesstätten und den Grund- und weiterführenden Schulen erfolgen, betonte Andrea Hornfischer, Referentin für Bildungskommunikation im Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL). Darüber hinaus könnten "digitale Hofbesichtigungen" im schulischen Kontext ein Weg sein, verschiedene Personengruppen mit dem agrarischen Terrain in Berührung zu bringen, so Benedikt Brandl, Projektleiter „Digitale Landwirtschaftsschule“ an der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) Landshut.

Um noch genauere Lösungen zu finden, sollten auf Basis der bereits existierenden Herausforderungen und Probleme – vor allem in der beruflichen Ausbildung – aus den Perspektiven der (Berufs-)Pädagogik und der Psychologie agrarisch-fachdidaktische Fragestellungen abgeleitet und evidenzbasierte Forschungsansätze ermöglicht werden. An der Fachtagung Agrarwirtschaft sind dazu insbesondere folgende Ansätze und Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung und -qualifizierung diskutiert worden: Beispielsweise kann inländisches Fachkräftepotenzial durch nachhaltige Ausbildung in zukunftsorientierten Konzepten, wie zum Beispiel dem dualen Studium, sichergestellt werden. Ein anderer Ansatz besteht darin, eine angepasste Werker-Ausbildung aufzubauen. Darauf wiesen Dr. Mirjam Pfister, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL), Zollikofen (Schweiz) und Johannes Lenz, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hin.

Berufsschule stärken

Um den Lernort Berufsschule zu stärken, muss darüber hinaus eine verstärkte Auseinandersetzung im Zweig der Fachdidaktik Agrarwirtschaft und Agrarpädagogik erfolgen, damit den veränderten Qualifikationsanforderungen und Entwicklungsperspektiven sowie den wachsenden Anforderungen an Lehrkräfte aktiv begegnet werden kann. Diesen Aspekt betonten Yvonne Grau, Zentralverband Gartenbau e. V. (ZVG), Marian Grabowski, Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. (BGL) und Dr. Antje Eder, Staatliches Berufliches Schulzentrum (BSZ) Regensburger Land. In fachdidaktischen Referaten zum "systemischen Lernen" und einer exemplarisch didaktischen Umsetzung komplexer Themengebiete wie beispielsweise dem Fleischverzicht zeigten sich sehr anschaulich die Potenziale berufsschulunterrichtlicher Umsetzungsszenarien (vgl. Eva-Maria Alfing, Wilhelm-Emmanuel-von Ketteler-Berufskolleg, Münster; Thomas Ochsenhofer und Isabell Vogl, Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik (HAUP), Wien). Vorteilhaft ist die thematische Inhaltsverknüpfung zwischen Berufsschule und Ausbildungsbetrieb, um Lernproblemen und psychischen Dispositionen bei Auszubildenden entgegenzuwirken. Dieser Herausforderung müssen sich vor allem zukünftige Berufsschullehrkräfte und Ausbilder stellen.

    Die abschließende Podiumsdiskussion mit Heinz Sandbrink (Berufsbildungszentrum, Bad Segeberg), Gerd Alscher (BSZ für Agrarwirtschaft, Ernährung und Hauswirtschaft, Freiberg-Zug) und Johannes Lenz (BMEL) fasste den eintägigen fachlichen Diskurs mit folgenden Aspekten zusammen:

    • Auszubildende und Facharbeiter müssen ihre Selbstwirksamkeit erhöhen.
    • Das Image der Grünen Berufe muss dringend verbessert werden.
    • Angehende Fachkräfte legen mehr Wert auf Work-Life-Balance und Entlohnung. Hier müssen Strukturen und eine berufsadäquate Haltung aufgebaut werden.
    • Angehenden Lehrkräften in der agrarischen Berufsbildung sollten verschiedene Zugänge ermöglicht werden; gleichzeitig sollte aber eine fundierte Lehrerbildung gewährleistet sein.

    Hochschultage Berufliche Bildung

    Die Hochschultage Berufliche Bildung werden seit 1980 im Abstand von zwei Jahren an wechselnden Hochschulstandorten durch die Arbeitsgemeinschaft Berufliche Bildung (AG BB) organisiert. Sie haben sich zu einem etablierten Forum für Fachleute entwickelt, die sich wissenschaftlich, politisch und praktisch mit gegenwartsbezogenen und zukunftsorientierten Fragen der beruflichen Bildung beschäftigen. Traditionell stehen Diskussion und Gedankenaustausch der verschiedenen Beteiligten der Beruflichen Bildung im Mittelpunkt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus Hochschulen, Unternehmen, beruflichen Schulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Innungen, Kammern, Ministerien, Studienseminaren, Verbänden, Verwaltungen, Institutionen der Weiterbildung und anderen gesellschaftlichen Einrichtungen. Während der Hochschultage finden Fachtagungen der verschiedenen Disziplinen und beruflichen Fachrichtungen statt sowie Workshops, die jeweils aktuell unterschiedliche Schwerpunkte setzen.

    Die Hochschultage Berufliche Bildung 2023 fanden vom 20. bis 22. März an der Universität Bamberg statt. Das Rahmenthema "Fachkräftesicherung" wurde über vier Bereiche konkretisiert: Fachkräftequalifizierung und -gewinnung, Fachkräftezuwanderung, Fachkräfte als Bürgerinnen und Bürger in einer Zivilgesellschaft und Qualifizierung von beruflichem Bildungspersonal.

    Uni Bamberg

    Fazit

    Fachkräftemangel ist ein ökonomisches und politisches Thema und hängt oft von formalen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Um die Problemsituation zu entschärfen, ist weiterhin entscheidend, wie gut es gelingt, Fachkräfte – Lehrkräfte und Azubis – erfolgreich und zielgerichtet auszubilden. Alle Stakeholder müssen eine positive Haltung kommunizieren. Die Hochschulen sind gefordert, Lehrkräfte umfassend für den Lehrerjob vorzubereiten und in der Fort- und Weiterbildung zukunftsgerichtete Konzepte anzubieten.


    Literatur

    Holst, C.; von Cramon-Taubadel, S. (2017): Zukünftige Herausforderungen der deutschen Landwirtschaft vor dem Hintergrund der aktuellen Alters- und Ausbildungsstruktur landwirtschaftlicher Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern in: Schriftenreihe der Rentenbank, Band 33, Frankfurt am Main.

    Bundesagentur für Arbeit (BA) (2022): Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung (BA), Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt – Fachkräfteengpassanalyse 2021, Nürnberg, Mai 2022.