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Viele Studierende der Agrarwissenschaften oder landwirtschaftliche Absolventen entscheiden sich für ein mehrmonatiges Auslandspraktikum.
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"Nur" ein Agrarwissenschaftsstudium zu absolvieren reicht inzwischen nicht mehr. Internationale Praktikantenprogramme gelten als ein wichtiger Baustein zur Qualifizierung künftiger Fach- und Führungskräfte. Ehemalige Teilnehmer sind für deutsche Unternehmen interessant, bringen sie doch Einblicke in ausländische Agrarstrukturen mit oder haben Erfahrungen wie die Wettbewerber in anderen Ländern denken und handeln. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert den internationalen Austausch und ermöglicht zwei Arten von Praktika im Agrarbereich: Praktikanten aus Mittel- und Osteuropa (Russische Föderation, Ukraine, Republik Belarus) sowie Zentralasien (Kasachstan) können zu Praktikumsaufenthalten nach Deutschland kommen, gleichzeitig unterstützt das Ministerium künftige deutsche Fach- und Führungskräfte, Agrarpraktika in Europa und Übersee oder auch in Japan zu machen.

Für deutsche Studierende oder junge Berufstätige aus dem Agrarbereich vermittelt die Schorlemer Stiftung des Deutschen Bauernverbandes e.V. Auslands-Praktika. Praktikantenprogramme für ausländische Studierende in Deutschland organisieren die Arbeitsgemeinschaft für Projekte in Ökologie, Landwirtschaft und Landesentwicklung in Osteuropa e.V. (APOLLO e.V.), die Deutsche Lehranstalt für Agrartechnik GmbH (DEULA-Nienburg) sowie der Verein Landwirtschaft und Ökologisches Gleichgewicht mit Osteuropa (LOGO e.V.). Alle vier Programme kooperieren untereinander. Sie werden hier im Einzelnen vorgestellt:

Schorlemer Stiftung

Neben der Organisation von Fachpraktika in Deutschland für Ausländer vermittelt die Schorlemer Stiftung des DBV in den Grünen Berufen eine große Auswahl an Praktikantenstellen im Ausland. Dafür arbeitet die Stiftung in den Ländern auch mit Partnerorganisationen zusammen. Das Praktikum richtet sich an junge Berufstätige und Studierende aus dem Agrarbereich im Alter von üblicherweise 18 bis 30 Jahren. Neben dem Erwerb der Sprachkompetenz soll der Auslandsaufenthalt eine sehr intensive Lebens- und Lernerfahrung darstellen.

Besonders beliebt waren im Jahr 2017 Praktika in Übersee, hier besonders in den USA, in Neuseeland, Kanada und Australien. Nach Auskunft der Schorlemer Stiftung in Berlin gibt es aber auch Praktikumsplätze in Europa (Irland, Dänemark, den Niederlanden oder Norwegen). Pro Jahr bewerben sich bei der Schorlemer Stiftung etwa 130 junge Menschen. Für ein erfolgreiches Praktikum werden neben einer hohen fachlichen Motivation auch Belastbarkeit und Sprachkenntnisse (Englisch) vorausgesetzt.

Die Praktikumsdauer beträgt mindestens vier Wochen und kann bis zu einem Jahr sein. Das ist abhängig vom Zielland und dem gewünschten Praktikumsbereich. Der Praktikant erhält für die Zeit eine Vergütung. Sie richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben des Gastlandes. Der Gastbetrieb stellt Unterbringung und zum Teil die Verpflegung zur Verfügung. Für das Praktikum fallen Programmgebühren an. Sie decken die Kosten für die Organisation des Praktikums ab. Die Schorlemer Stiftung kümmert sich auch um Visa, Versicherung, Seminare und die Betreuung vor Ort im Gastland. Die Gastbetriebe – von der Partnerorganisation vor Ort ausgewählt – sind oft schon viele Jahre dabei, auf Praktikanten eingestellt und helfen bei den ersten Schritten vor Ort. Die Schorlemer Stiftung legt Wert auf die Tatsache, dass die Praktikantinnen und Praktikanten in ihrem Programm zwar viel arbeiten müssen, aber auch Zeit haben, das Land zu sehen. Nach erfolgreichem Abschluss des Praktikums kann ein Förderbetrag aus Mitteln des BMEL angefordert werden.

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Am anderen Ende der Welt

Im August 2017 hat Theresa Rausch ihr Praktikum auf einer Schaf- Kuh-Farm in South Canterbury in Neuseeland begonnen. Die 19-Jährige aus Bayern wird noch bis März bleiben. Sie arbeitet als landwirtschaftliche Helferin (farm assistant) und Hauswirtschafterin auf der Farm. Hier ihr erster Eindruck:

"Ich bin nun schon seit einem Monat in Neuseeland und wundere mich, wie schnell die Zeit vergeht. Mein Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich, da ich nicht nur auf meiner Farm arbeite, sondern auch auf die beiden Kinder aufpasse sowie ein paar Aufgaben im Haushalt erledige.

Am meisten gefällt mir in Neuseeland die wunderschöne Landschaft und dass meine Farm zwischen den neuseeländischen Alpen und dem Pazifik liegt. Da ich in Deutschland direkt vor den Alpen wohne und einmal im Jahr das Meer sehe, finde ich es super, die Berge zum Skifahren und Wandern und das Meer zum Schwimmen und Surfen in der Nähe zu haben. Überrascht hat mich auch die familiäre Atmosphäre in den kleineren Städten und Dörfern. Jeder kennt jeden und man wird sofort herzlich aufgenommen.

Was ist anders, als in Deutschland? Als erstes fiel mir das Wetter ein, da es hier ziemlich verrückt ist. Es verändert sich gefühlt alle fünf Minuten, sodass man jetzt gerade zwischen Winter und Frühling an einem Tag Regen, Wind, dichten Nebel, strahlenden Sonnenschein und Schneefall hat. Woran man sich auch gewöhnen muss, ist, dass man als Farmer ziemlich lange zum nächsten Dorf fahren muss, um einkaufen zu können. Ich fahre zum nächsten Supermarkt 25 Kilometer und zum nächsten Städtchen 55 Kilometer. Eine peinliche Situation war, als wir Fish 'n' Chips essen wollten und ich jedem am Tisch Besteck gegeben habe. Meine Gastmutter hat mich dann erstmal aufgeklärt, dass man beides mit den Händen isst. Für mich ist das schon ungewohnt frittierten Fisch und Pommes zusammen zu essen und dann noch per Hand.

Ein Praktikum sollte man unbedingt für eine längere Zeit im Ausland machen. Egal ob Irland oder Neuseeland, man verbessert seine sprachlichen Kenntnisse, gewinnt einiges an Selbstständigkeit und lernt viele neue Menschen sowie deren Kultur und andere Praktikanten kennen. Das Wichtigste aber ist, man sammelt viele Erfahrungen, die einem keiner mehr nehmen kann und die ein Leben lang bleiben." Theresa Rausch

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APOLLO e. V.

Die Arbeitsgemeinschaft für Projekte in Ökologie, Landwirtschaft und Landesentwicklung in Osteuropa e.V. (APOLLO e.V.) setzt sich seit 1991 für die Fortbildung von Fachkräften in der Landwirtschaft und der ländlichen Entwicklung ein. APOLLO sieht sich auch heute noch als "Brückenbauer zwischen Ost und West". Ziel des Vereins ist die Entwicklung einer modernen nachhaltigen Landwirtschaft in Osteuropa durch fachlichen und interkulturellen Austausch.

Größte Projekte des Vereins sind dabei die beiden Praktikantenprogramme. Jedes Jahr kommen darüber etwa 90 Agrarstudenten nach Deutschland: 60 über das "Praktikantenprogramm Russland", gefördert vom BMEL, und 30 über das 1996 gegründete "Praktikantenprogramm Belarus/ Ukraine", gefördert vom Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (MLUL) und von der landwirtschaftlichen Rentenbank. Jährlich bewerben sich rund 300 Studierende für ein Praktikum bei APOLLO. "Bei der Organisation der Praktika arbeiten wir eng mit unseren 21 Partnerhochschulen in der Russischen Föderation, in Belarus und der Ukraine zusammen", bestätigt Lena Sonemann, zuständig für die Programmleitung Russland.

Für die Vorauswahl reist zweimal jährlich eine Auswahlkommission – bestehend aus der Programmleitung, Übersetzer, Landwirt und einem ehrenamtlichen Vereinsmitglied – von Deutschland aus dorthin. Bei der Auswahl sind fachliche Eignung, Sprachkenntnisse, die Motivation und praktische Vorerfahrungen wichtig. Da das Studium in diesen Ländern vielfach sehr theoretisch angelegt ist, haben nicht alle Agrarstudenten praktische Kenntnisse. Einige kennen zumindest die Subsistenzwirtschaft aus dem familiären Umfeld. "Wir wollen verhindern, dass die Praktikanten hier in Deutschland – überspitzt gesagt – das erste Mal eine Kuh sehen", betont die Koordinatorin. Deshalb werden die Bewerberinnen und Bewerber im Vorfeld über das Praktikum in Deutschland informiert.

Im Verein engagieren sich etwa 40 Mitglieder und Ehrenamtliche (Nichtmitglieder) in der Praktikantenbetreuung. Sie unterstützen unter anderem bei der sprachlichen Vorbereitung an den Partnerhochschulen und bei der Betreuung während des Praktikumsaufenthaltes in Deutschland.

Alle Praktikantinnen und Praktikanten absolvieren das viermonatige Praktikum zeitgleich im Sommer auf landwirtschaftlichen Familienbetrieben in Deutschland. Anders als der Namensbestandteil "Ökologie" im Vereinsnamen vermuten lässt, handelt es sich laut Lena Sonemann zu 70 Prozent um konventionell wirtschaftende Betriebe. Im "Praktikantenprogramm Russland" sind die Betriebe über ganz Deutschland verteilt – mit Schwerpunkt Süddeutschland. Beim "Praktikantenprogramm Belarus/ Ukraine" befinden sich die Praktikumsbetriebe entsprechend der finanziellen Förderung durch das MLUL in Brandenburg. Zum Praktikum gehört auch die Teilnahme an vier Seminaren. Sie beinhalten unter anderem ein interkulturelles Training, geben Hilfe bei Problemen, vermitteln Fachliches, bieten aber auch Exkursionen und Betriebsführungen an und zum Abschluss erfolgt dort die Reflexion über das Praktikum sowie eine mündliche Prüfung.

Die Praktikantinnen und Praktikanten erhalten von ihrem Betrieb pro Monat ein Taschengeld in Höhe von 250 Euro und bekommen Unterkunft und Verpflegung gestellt. Einige der Gastbetriebe nehmen bereits seit vielen Jahren an dem Programm teil. "Ein Betrieb ist jetzt im 27. Jahr dabei", bestätigt Lena Sonemann. "Den Betriebsleitern geht es nicht immer vorrangig um die Arbeitskraft – vielen ist der kulturelle Austausch wichtig: 'Wenn wir schon keinen Urlaub machen können, kommt die Welt zu uns' – ist ihre Motivation", freut sich die Programmleiterin.

Aliia Nashirvanova ist 22 Jahre alt, stammt aus Ufa in der Region Baschkortostan in Russland, ihr Studium der Veterinärmedizin steht kurz vor dem Abschluss. Im Jahr 2017 hat sie ein Praktikum auf einem Milchviehbetrieb in Rheinland-Pfalz absolviert. Sie sagt:

"Ich habe viel gelernt und es war eine gute Erfahrung. Auch wenn es für mich schwer war, mich an den Arbeitsrhythmus zu gewöhnen, war es doch eine gute Zeit. Ich habe auch einiges von der deutschen Kultur gelernt."

Kseniia Leiman hat ihr Praktikum 2017 auf einem Milchviehbetrieb südlich von München gemacht. Sie kommt aus Ekaterinburg in Russland und ist 21 Jahre alt. Einen landwirtschaftlichen Hintergrund hat sie nicht, sie studiert Tiermedizin im 4. Studienjahr. Ihr Fazit:

"Es war eine gute Entscheidung. Ich habe die deutsche Landwirtschaft kennengelernt und auch meine Sprachkenntnisse verbessert. Besonders gefallen haben mir die gute Organisation in der Landwirtschaft und die Versuche, Energie zu sparen und Ressourcen zu schonen. Ganz neu war für mich die Mülltrennung."

Lena Sonemann, Programmleiterin, APOLLO e. V.:

"Den Betriebsleitern geht es nicht immer vorrangig um die Arbeitskraft – vielen ist der kulturelle Austausch wichtig: 'Wenn wir schon keinen Urlaub machen können, kommt die Welt zu uns' – ist ihre Motivation."

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LOGO e.V.

Der gemeinnützige Verein Landwirtschaft und Ökologisches Gleichgewicht mit Osteuropa (LOGO e.V.) engagiert sich besonders für die berufliche Bildung landwirtschaftlicher Nachwuchskräfte aus Osteuropa, Zentralasien und dem Kaukasus. Er will dabei für Umwelt- und Entwicklungsfragen sensibilisieren, also Kenntnisse zum ökologischen Landbau, zu erneuerbaren Energien und zur Nachhaltigkeit weitergeben. LOGO e.V. bietet seit 1995 Praktika an und kooperiert dabei mit etwa 70 Hochschulen und Fachschulen, in denen landwirtschaftliches Wissen vermittelt wird. Über den Verein haben bisher etwa 4.000 junge Menschen – hauptsächlich aus der Russischen Föderation, aber auch aus Kasachstan, Kirgisien, dem Kaukasus oder der Ukraine – ein Praktikum in Deutschland absolviert. Etwa 800 bewerben sich jedes Jahr – ausgewählt werden rund 200 Personen.

Bei der Auswahl im Heimatland der Bewerber sind auch immer ehemalige Praktikanten und Landwirte der deutschen Gastbetriebe dabei. "Bei den Auswahlverfahren sind die Lernmotivation, gute Zeugnisse und deutsche Sprachkenntnisse entscheidend. Führerscheine und praktische Erfahrungen sind für die Bewerber von Vorteil", erklärt Geschäftsführer Dr. Hartwig Mennen. Angepasst an die Curricula der Hochschulen bietet LOGO Praktika für sechs bis zwölf Monate an, die im Frühling oder Herbst beginnen. Überwiegend werden sie auf ökologisch wirtschaftende Betriebe vermittelt. In wenigen Spezialbereichen wie Fischwirtschaft oder Pferdehaltung ist aber auch ein Praktikum auf einem konventionell wirtschaftenden Betrieb möglich. "Wir legen großen Wert darauf, dass für jeden Praktikanten der richtige Betrieb gefunden wird, damit es während der langen Praktikumsdauer fachlich und menschlich passt", betont Dr. Mennen. Ehemalige LOGO-Praktikanten, die inzwischen in Deutschland arbeiten, übernehmen vielfach die Betreuung der Praktikanten, damit, wenn es einmal Probleme gibt, schnell reagiert werden kann. "Betriebswechsel sind aber eher selten", bestätigt Dr. Mennen.

Im Vordergrund der Praktika steht die Wissensvermittlung – deshalb ist der finanzielle Anreiz für die Praktikanten eher gering. Sie erhalten für ihre Arbeit eine monatliche Vergütung von 250 Euro, bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, dazu Unterkunft und Verpflegung. Die Praktikanten sind zum Schreiben eines Berichtsheftes in Deutsch und in ihrer Muttersprache verpflichtet. Verpflichtend ist auch die Teilnahme an Fachseminaren. Dort werden unter anderem Grundlagen des ökologischen Landbaus, biologischer Pflanzenschutz, berufliche Bildung und Informationen zu erneuerbaren Energien vermittelt. Vor der Abreise erhalten die Praktikanten ihre Zertifikate. Diese beinhalten auch, wie aktiv sie in den Seminaren mitgearbeitet haben. Das LOGO-Zeugnis ist hilfreich bei der späteren Berufswahl in den Heimatländern und wird von den Hochschulen anerkannt. LOGO e.V. kooperiert auch mit den anderen Organisationen, wie APOLLO e.V. oder der Schorlemer Stiftung des DBV. "Anders als bei diesen Organisationen ist bei LOGO die Praktikumsdauer aber länger", so Dr. Mennen. "Und vielleicht ist dort der Erlebnischarakter größer als bei uns." Gerne würde LOGO e.V. auch mehr deutsche Praktikanten in die Russische Föderation vermitteln. "Aber meist scheitert es an den russischen Sprachkenntnissen. Außerdem gibt es nur wenig geeignete Betriebe", bedauert der Geschäftsführer.

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Viel Arbeit, aber auch viel gelernt

Gayane Meloyan wohnt etwa 600 Kilometer südöstlich von Moskau in der Stadt Pensa und studiert dort an der Staatlichen Agraruniversität in der technologischen Fakultät. Einen landwirtschaftlichen Betrieb gibt es in ihrer Familie nicht mehr. Die 21-Jährige war 2017 für sechs Monate als Praktikantin auf dem Bauernhof Hänfling in Weißenohe in der Fränkischen Schweiz. Ein moderner Milchviehbetrieb mit Melkroboter, Direktvermarktung/Milchtankstelle, Süßkirschenanbau und Ferienwohnungen.

Was hat Sie bewogen ein Praktikum in Deutschland zu machen?

Meloyan: Deutschland ist ein starkes Agrarland. Wir können für unser Land hier viel lernen. Ich wollte mit dem Praktikum mein Fachwissen erweitern und auch praktische Erfahrungen in der Landwirtschaft sammeln.

Und warum über LOGO e.V.?

Meloyan: LOGO bietet, anders als APOLLO, ein Sechsmonats-Praktikum an. Ich dachte, dass ich diese längere Zeit brauche, um besser Deutsch zu lernen. Im Nachhinein war es dann doch eine sehr lange Zeit und ich habe manchmal meine Familie und Freunde vermisst.

Wie sind Sie auf dem Praktikumsbetrieb zurechtgekommen?

Meloyan: Ich habe einen sehr vielseitigen Betrieb kennengelernt. Und Familie Hänfling war sehr freundlich. Das Kirschenpflücken bei jedem Wetter ist mir ehrlich gesagt manchmal schwergefallen. Aber die Verständigung auf Deutsch hat meist gut geklappt. Schön auch, dass ich Gelegenheit zum Deutschsprechen mit den Feriengästen oder den Leuten, die zum Kirschen-Selberpflücken kamen, hatte.

Würden Sie ein Praktikum in Deutschland weiterempfehlen?

Meloyan: Auf jeden Fall – auch wenn die Sprache schwierig ist. Es war für mich die richtige Entscheidung. Ich habe im Praktikum viel über den ökologischen Landbau und Bio-Lebensmittel gelernt. In Russland hätte ich diese Erfahrung nicht machen können, da es Bio-Betriebe dort kaum gibt. Ich denke, es wird mir auch bei meinem Studium und im späteren Beruf helfen. Für mich ist es wichtig, mehr zu wissen über die Zusammenhänge von Tierhaltung, Fütterung und hochwertigem Essen. Ich konnte auch sehr praktisch arbeiten, das hat mir gefallen – insbesondere auch die moderne Melkrobotertechnik des Lely Astronaut hat mich begeistert. Aber es war auch harte Arbeit – für die meine Kommilitonen in Russland deutlich mehr Geld bekommen hätten. Aber ich bin ja nicht wegen des Geldes nach Deutschland gekommen, sondern wegen der neuen Erfahrungen.

Gab es die Möglichkeit im Rahmen des Praktikums auch etwas von Deutschland zu sehen?

Meloyan: Tatsächlich hatte ich nur wenig Freizeit, aber an den freien Wochenenden oder während der mir zustehenden Urlaubstage habe ich jede Chance genutzt, um mit anderen Praktikanten aus meiner Gruppe zu reisen. Ich war in Paris, Barcelona, Innsbruck und Prag – habe aber auch Schloss Neuschwanstein, Nürnberg und München gesehen.

Was nehmen Sie noch an Eindrücken mit?

Meloyan: Ich habe die Deutschen als sehr freundlich, kultiviert und hilfsbereit erlebt. Und dort ist immer alles so sauber und ordentlich. Besonders die Bratwurst und das Brot mit Sonnenblumen- oder Kürbiskernen werde ich vermissen. Ich habe nicht nur Berufserfahrung mitgenommen, sondern auch Lebenserfahrung. Das Praktikum ist ein großes Plus für meine Zukunft. Ich möchte meiner Universität, meiner technologischen Fakultät und dem LOGO-Programm für die Möglichkeit, in Deutschland das Betriebspraktikum zu machen, herzlich danken. Ich bin auch Familie Hänfling für das gute Praktikum dankbar. Ich habe dieses Land wirklich genossen und würde gerne wieder hierherkommen!

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DEULA-Nienburg

Die Deutsche Lehranstalt für Agrartechnik GmbH (DEULA-Nienburg) in Niedersachsen engagiert sich seit über 30 Jahren international mit verschiedensten Projekten. In diesem Rahmen ermöglicht die DEULA-Nienburg ausländischen Agrarstudenten über ihr Praktikantenprogramm den Aufenthalt in Deutschland. Neben einem Kurzzeitpraktikum von vier bis sechs Monaten bietet die Bildungseinrichtung auch ein Jahresprogramm, also ein zwölfmonatiges Praktikum an. Damit handelt es sich um eine große Ausnahme unter den Praktikantenprogrammen. "Alle anderen vermitteln nur Praktika von einigen Monaten Länge", bestätigt Bernd Antelmann, Geschäftsführer der DEULA-Nienburg. "Die Frage ist doch, womit steigert man seine berufliche Qualifikation? Meiner Meinung nach nicht mit wenigen Monaten Praktikum", betont er.

Beim Jahresprogramm lernen die Praktikanten den Betriebsablauf über ein ganzes Jahr kennen und besuchen auch einmal pro Woche den Unterricht an einer landwirtschaftlichen Berufsschule. Sie führen ein wöchentliches Berichtsheft in Deutsch und nehmen am Ende des Praktikums auch an der Praktikantenprüfung teil. Zusätzlich finden über das Jahr verteilt Fachseminare für die Praktikanten statt. Anders als bei den anderen Praktikantenprogrammen kommen die Praktikanten nicht nur aus Osteuropa, sondern auch aus Brasilien und Argentinien. Gefördert wird der Praktikantenaustausch mit Südamerika allerdings nicht vom BMEL.

Die Praktikumsbetriebe sind über ganz Deutschland verteilt – schwerpunktmäßig liegen sie aber in Niedersachen. "Es handelt sich nur um anerkannte Ausbildungsbetriebe", so Antelmann. Diese Familienbetriebe sind auf die Praktikanten eingestellt und bieten natürlich Familienanschluss. "Meist sind die jungen Menschen für sie wie eigene Kinder", weiß der DEULA-Geschäftsführer. Aber die Zeit in Deutschland besteht nicht nur aus einem landwirtschaftlichen Praktikum, sondern auch aus dem normalen Leben. "Lernen und Freude gehört zusammen." Während des Praktikums ist deshalb auch die Integration in die deutsche Gesellschaft wichtig. "Gerade die Brasilianer sind in den Fußballvereinen natürlich sehr beliebt", sagt Antelmann und lächelt.

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Auswahlsystem

Damit das Praktikum ein Erfolg wird, gibt es im Vorfeld ein ausführliches Auswahlsystem. Dort werden unter anderem Beweggründe, Motivation und Sprachkenntnisse abgefragt. Wichtig ist aber auch eine realistische Schilderung, was die jungen Menschen erwartet. "Zu diesen Informationsgesprächen laden wir ehemalige Praktikanten ein. Für mich wäre es das Schlimmste, wenn Praktikanten mit falschen Erwartungen kommen und dann enttäuscht sind, zumal das Praktikum in Deutschland für sie oft mit hohen Hürden verbunden ist – auch finanzieller Art", bekräftigt Antelmann. Die Entlohnung erfolgt nach Bafög-Sätzen. "Tatsächlich gäbe es mehr Geld, wenn die Studierenden zum Erdbeerpflücken nach England gingen", ist er sich bewusst. "Aber dort erklärt niemand, welche Bodenansprüche die Kultur hat oder was bei der Vermarktung beachtet werden muss", so Antelmann. Die deutschen Betriebsleiter aber nehmen sich Zeit für die Praktikanten. "Das ist der Unterschied", bekräftigt der Geschäftsführer. "Und das macht unser duales Ausbildungssystem so interessant für ausländische Studierende. Sie kommen deshalb, und nicht wegen des Geldes."

Tatsächlich kennen andere Länder ein solches duales Ausbildungssystem nicht. Dort sind die Studierenden oft hoch qualifiziert und haben hervorragende theoretische landwirtschaftliche Kenntnisse – aber es fehlt ihnen an praktischer Erfahrung. "Solche Kompetenzen zu vermitteln ist unsere Aufgabe", betont Bernd Antelmann. "Die berufliche Ausbildung in Deutschland ist ein Exportschlager geworden." Die Vorbereitung von künftigen Fach- und Führungskräften ist eine der Kernaufgaben der DEULA-Nienburg. Dazu gehört auch die Weiterbildung von Lehrkräften an Hochschulen und Colleges. "Das hängt in anderen Ländern hinterher", so die Erfahrung von Antelmann. "Es kann nicht sein, dass die Studierenden nach dem Praktikum mehr wissen, als ihre Dozenten in der Heimat." Oft sei die Ausbildung auch veraltet – während die Betriebe hoch modern ausgestattet seien. "Die Ansprüche haben sich auseinanderentwickelt."

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Begeistert von deutscher Herzlichkeit

Ricardo Bauer Pilla stammt aus Derrubadas im Bundesstaat Rio Grande do Sul im Süden Brasiliens. Dort bewirtschaftet seine Familie einen 40 Hektar Ackerbaubetrieb (Soja, Mais) mit Schaf- und Rinderhaltung und 45 Hektar Grünland/Forst. Der 21-Jährige steht kurz vor dem Abschluss seines Studiums der Agrarwissenschaften und absolviert seit August 2017 ein einjähriges Praktikum auf dem Milchviehbetrieb.

Warum haben Sie sich für das Praktikum entschieden?

Pilla: Die deutsche Technologie, die Effizienz der Arbeitsstrukturen und auch die Wissenschaft, das Bildungssystem, das politische System und das Wirtschaftssystem in Deutschland haben mich sehr interessiert und damit meinen Entschluss bekräftigt, in Deutschland ein Praktikum zu absolvieren. Im Vorfeld habe ich bereits ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) für einen sechswöchigen Deutschkurs an der Universität in Freiburg erhalten. Diesen Kurs habe ich im Januar 2017 absolviert. Dies führte dazu, dass ich unbedingt wieder nach Deutschland wollte, um das Praktikum zu absolvieren und noch mehr über Deutschland zu lernen.

Für welche Arbeiten werden Sie auf dem Milchviehbetrieb mit 130 Milchkühen eingesetzt?

Pilla: Zu meinen Tätigkeiten auf dem Betrieb Haar gehört das tägliche Melken der Kühe, die Fütterung der Kälber, im Einzelfall eine medikamentöse Behandlung der Kälber, die Bearbeitung der Ackerflächen mit dem Grubber oder Pflug. Selbstverständlich gehören auch die Stallarbeiten wie Säubern und Einstreuen zu meinen Aufgaben.

Wie ist Ihre bisherige Bilanz?

Pilla: Bis jetzt klappt alles recht gut, da ich ja auch schon etwas Vorwissen aus der Landwirtschaft mitgebracht habe. Der Betriebsleiter gibt mir die Möglichkeit, an jeder anfallenden Tätigkeit teilzuhaben und somit dazuzulernen. Das hat für mich den Vorteil, dass keine Monotonie entsteht. Auch verstehen wir uns alle ganz prima auf dem Betrieb und arbeiten gut miteinander. Auch gefällt mir, mit welcher Geduld uns neue Aufgaben beigebracht werden. Auch die Vielfalt der technischen Einrichtungen und Maschinen und die daraus resultierende Arbeitseffizienz gefallen mir. Erstaunt hat mich, wie sehr in Deutschland die erneuerbaren Energien verbreitet sind. Ich habe nicht erwartet, in eine so herzliche und nette Familie zu kommen und dort schon in kürzester Zeit derart integriert zu sein. Selbstverständlich fällt mir das Erlernen der deutschen Sprache schwer. Aber auch hier hatte ich Glück, denn die Frau meines Betriebsleiters ist gebürtig aus Brasilien und vor fast zehn Jahren auch im Rahmen des Praktikantenprogramms nach Deutschland gekommen. Sprachbarrieren können wir in dringenden Fällen somit gut überbrücken.

Wie sind die Kontakte außerhalb des Betriebes und der Arbeit?

Pilla: In meiner Freizeit treffe ich mich regelmäßig mit den anderen Praktikanten aus der Gruppe, die in meiner Nähe auf Betrieben verteilt sind. Dann unternehmen wir gerne etwas zusammen, gehen Feiern oder machen auch mal ein brasilianisches Churrasco (BBQ). Wir nutzen jede Gelegenheit, um interessante Städte in Deutschland oder Europa zu besuchen. Wir waren schon in München, auch auf dem Oktoberfest, in Amsterdam, Bremen und Hamburg.

Gibt es schon Pläne für die Zukunft in Brasilien und wie Sie das hier Gelernte einsetzen wollen?

Pilla: Primär möchte ich mein Studium beenden und dann daran arbeiten, unseren eigenen Betrieb weiter auszubauen und meine erworbenen Kenntnisse im betriebswirtschaftlichen Sinne wie auch die praktischen Kenntnisse in unserem Familienbetrieb einfließen zu lassen. Mir gefällt auch der Gedanke unseren Betrieb mit der Produktion von Obst um einen weiteren Sektor zu erweitern.

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