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Individualisierung und Produktionssteigerung, daneben ressourceneffiziente Verarbeitung, transparente Herstellungsprozesse und rückverfolgbare Produktwege sind die zukünftigen Anforderungen an die Lebensmittelbranche, die in weiten Bereichen durch eine steigende Digitalisierung gelöst werden können. In der Milchwirtschaft beginnt die Digitalisierung bereits im Stall. Für den Bereich der Milchverarbeitung wird in den Unternehmen die vollständige Durchdringung der gesamten Produktionskette angestrebt.

Paradigmenwechsel

Das Projekt "Ausbildung für die digitale Transformation der Milchwirtschaft – AudiTraMi" des Milchwirtschaftlichen Bildungszentrums der LUFA Nord-West in Oldenburg ist eines von 17 Entwicklungs- und Erprobungsprojekten, die im Rahmen des Sonderprogramms ÜBS-Digitalisierung aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden (s. B&B Agrar 1-2019, S. 20). Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Ausbildungs- und Qualifizierungskonzepts für die Auszubildenden und das Bildungspersonal zur Unterstützung der digitalen Transformation in der Milchwirtschaft. Dieses neue Konzept soll es ermöglichen, dass die jungen Fachkräfte in der Milchwirtschaft den damit verbundenen Change-Management-Prozess aktiv begleiten können. Dazu ist ein Paradigmenwechsel in der Ausbildung notwendig.

Aktuell stehen in der Ausbildung der Milchtechnologinnen und Milchtechnologen sowie der Milchwirtschaftlichen Laborantinnen und Laboranten handwerkliches Arbeiten, handwerkliche Fähigkeiten und technisches, produktspezifisches Fachwissen im Vordergrund. Diese Punkte behalten ihre Bedeutung, müssen aber um digitale Kompetenzen erweitert werden.

Das größte Digitalisierungspotenzial und die größte Notwendigkeit zur Umgestaltung bieten die Kernprozesse der wertschöpfenden Abteilungen in der Produktion und die konsequente Begleitung durch das Qualitätsmanagement. Durch einen effektiven Einsatz von neuen Technologien, wie zum Beispiel Steuerungstechnik unterstützt von moderner Sensortechnik, ergeben sich neue Chancen zur Kostenreduktion, Beschleunigung und Automatisierung von Abläufen in der Produktion und zur Erschließung neuer, digitaler Absatzkanäle. Mit "AudiTraMi" sollen diese Aspekte in die milchwirtschaftliche Ausbildung integriert werden.

Neue Kompetenzen

Das Projektteam, zu dem ein Berufs- und Medienpädagoge und Ausbilder für die beiden Lehrberufe gehören, befasst sich daher mit der Neugestaltung der Lerninhalte sowie mit der Anpassung der Lehrmethoden in der Ausbildung. Auf der einen Seite soll neues fachliches Wissen vermittelt werden, auf der anderen Seite steht vor allem die Entwicklung neuer Kompetenzen im Mittelpunkt, da sich das Wissen sehr schnell verändert und immer wieder neue Systeme und technische Möglichkeiten entstehen. Zu den Kompetenzen, die in Zukunft besonders gefragt sind, gehören zum Beispiel:

  • systematisches/kreatives/lösungsorientiertes Denken,
  • Abstraktionsfähigkeit,
  • Selbstorganisation,
  • kommunikative Fähigkeiten,
  • Anpassungsbereitschaft und -fähigkeit.

Zukünftig geht es auch in der milchwirtschaftlichen Berufsausbildung zunehmend darum, diese Kompetenzen zu fördern und eine schnelle Informationsverarbeitung und -umsetzung zu vermitteln.

Um Auszubildende auf die zukünftige Arbeitswelt optimal vorzubereiten und Kompetenzen zu fördern, wird im Projekt "AudiTraMi" großes Augenmerk auf die Qualifizierung des Ausbildungspersonals gelegt. Es sollen passgenaue praxisorientierte Qualifizierungskonzepte für die Ausbildung aus der Perspektive der Ausbilderinnen und Ausbilder und der Auszubildenden entwickelt, erprobt und evaluiert werden. Die Anforderungen an das Ausbildungspersonal sind besonders hoch. Ob in der ÜBS oder im Betrieb – die Ausbildenden müssen den Umgang mit neuen Technologien verstehen und beherrschen, um Auszubildende zeitgemäß ausbilden zu können.

Bei der Formulierung der digitalisierungsorientierten Kompetenzziele orientiert sich das Projektteam sowohl am Deutschen Qualifikationsrahmen für Lebenslanges Lernen (DQR) als auch an den Rahmenvereinbarungen über die Berufsschule der Kultusministerkonferenz (KMK). Der DQR unterscheidet zwei Kompetenzkategorien: „Fachkompetenz“, unterteilt in „Wissen“ und „Fertigkeiten“, und „Personale Kompetenz“, unterteilt in "Sozialkompetenz und Selbständigkeit" („Vier-Säulen-Struktur“). Methodenkompetenz wird als Querschnittskompetenz verstanden und findet deshalb in der DQR-Matrix nicht eigens Erwähnung.

Multimediales Lernen

Neben dem Umgang mit den neuen Technologien soll auch die Medienkompetenz der beiden Zielgruppen durch die Einbindung von multimedialen Lerneinheiten gefördert werden. Eine intensive Netzwerkarbeit mit regionalen und nationalen Partnern zur Informationsgewinnung, zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch sowie zum Transfer der Projektergebnisse in Form einer Handlungsempfehlung soll am Ende des Projekts stehen. Als digitale Medien sind verschiedene Technologien, neue Lernmethoden sowie Online-Angebote zu verstehen, die zeit- und ortsunabhängiges, selbstständigeres Lernen ermöglichen. Damit ist einerseits die Hardware an sich gemeint, also beispielsweise Tablets oder VR-Brillen, andererseits auch die Software, also die konkreten Online-Dienste wie zum Beispiel Lernmanagementsysteme oder Lern-Apps.

Im Projekt "AudiTraMi" sollen die Lehr-/Lernkonzepte, aber auch die Lernorte selbst die Auszubildenden dazu ermutigen, sich aus eigenem Antrieb weiterzubilden und das Gelernte mit anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu teilen. Dadurch kann ein Wissensnetz aufgebaut werden, von dem in den Ausbildungsbetrieben alle Mitarbeitenden profitieren können. Voraussetzung ist der digitale Ausbau der Lernorte im Milchwirtschaftlichen Bildungszentrum in Oldenburg. Anhand von praktischen Beispielen in der Ausbildung soll bereits die Nutzung der aktuellen und aufkommenden Technologien durch den Einsatz virtueller Medien erlernt werden. Zurzeit werden kurze Lehrfilme mit den Ausbildern gestaltet. Die Visualisierung der Prozesse, zum Beispiel der Käseherstellung und des Labormanagements, stellt die Verbindung von technischem Know-how und praktischer Übung dar.

Projektbegleitender Beirat

Der Startschuss für das Projekt "AudiTraMi" ist im Oktober 2020 gefallen. Nun wird sukzessive bis Mitte 2023 an der Neugestaltung der Ausbildungslehrgänge sowie an der Implementierung der digitalen Ausstattung gearbeitet. Um eine erfolgreiche Umsetzung zu gewährleisten, soll ein projektbegleitender Beirat aufgebaut werden. Aufgabe dieses multidisziplinären Arbeitskreises wird die Bewertung der fachlichen Inhalte und der didaktischen Strukturen der Ausbildungs- und Qualifizierungskonzepte sein. Für den Bereich der digitalisierungsbezogenen Aufgaben im Projekt werden innovative Unternehmen und Fachverbände aus der Milchwirtschaft eingebunden. Die Expertisen der Landesvereinigung der Milchwirtschaft und des Fachverbandes der Milchwirtschaftler unterstützen beispielsweise bei der Ermittlung der zukünftigen Potenziale der digitalen Transformation in der Milchwirtschaft.

Mit Blick auf die berufspädagogischen Herausforderungen im Projekt werden Lehrkräfte der Berufsbildenden Schule III in Oldenburg eingebunden, denn die Arbeiten hin zu neuen Lehr-/Lernmodulen mit digitalisierungsbezogenen Inhalten müssen früh mit den berufsschulischen Lehrinhalten abgestimmt werden. Hierzu werden gegebenenfalls auch die anderen überbetrieblichen Ausbildungsstätten aus der Milchwirtschaft in Malente, Oranienburg, Kempten/Triesdorf und Wangen eingebunden werden. Das Projektteam wird sich darüber hinaus durch Know-how-Träger aus Wissenschaft (Universität Oldenburg) und Wirtschaft beraten lassen.

Sonderprogramm

Mit dem Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung strebt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Modernisierung der Ausbildung von Fachkräften in der überbetrieblichen Ausbildung mit Blick auf die Anforderungen durch die zunehmende Digitalisierung an. Das Projekt "Ausbildung für die digitale Transformation der Milchwirtschaft (AudiTraMi)" des Milchwirtschaftlichen Bildungszentrums der LUFA Nord-West (Landwirtschaftskammer Niedersachsen) ist eines von 17 Entwicklungs- und Erprobungsprojekten, die in diesem Programm aus Mitteln des BMBF gefördert werden (Stand: Mai 2021). Umgesetzt wird das Sonderprogramm beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB).