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Ein Ziel der überbetrieblichen Ausbildung im Agrarbereich ist es, die Auszubildenden digitalkompetent und datensouverän zu schulen
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Die Sammlung, Überwachung und Analyse von Daten aus dem Milchviehstall verspricht in Zukunft durch die Vernetzung von Sensoren rund um die Kuh sowie die Datenanalyse durch Expertensysteme mit Künstlicher Intelligenz große Fortschritte im Bereich der Tierbeobachtung und Tiergesundheit. Deshalb sollen die Kursteilnehmerinnen und Teilnehmer bereits in der überbetrieblichen Ausbildung die zukünftigen Arbeitsbedingungen im Milchviehstall 4.0 kennenlernen. Bald werden die Herdenmanagerinnen und Herdenmanager mit Datenbrillen in den Bestand gehen, die alle notwendigen Informationen zu ihren Kühen in Echtzeit liefern. Eine Künstliche Intelligenz selektiert die betreffenden Tiere bereits in die Behandlungsbucht und präsentiert passende Diagnose- sowie Behandlungsvorschläge. Relevante Herdenmanagementdaten (die medizinische Vorgeschichte des Tieres, die Veränderung des Verhaltensmusters beim Fressen, Laufen und Liegen, die Entwicklung der Körpertemperatur und die Veränderung der Wiederkauminuten sowie zahlreiche Melkdaten) stehen zukünftig quasi in Echtzeit zur Verfügung. Solche Sensordaten werden zentraler Bestandteil eines eigenbetrieblichen Kontrollwesens und Teil der Transparenzanforderungen von Vermarktungsstrategien des Lebensmitteleinzelhandels.

Im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung werden die bundesdeutschen Ausbildungsstätten aktuell mit einem Millionenförderprogramm des Bundes für die digitale Zukunft fit gemacht (s. B&B Agrar 1-2019, S. 20). Die Lehrkräfte werden über den Einsatz von digitalen Hilfsmitteln im Unterricht geschult. Alle Lehrpläne für die überbetriebliche Ausbildung wurden angepasst und digitale Unterrichtsinhalte in die Stundenpläne aufgenommen. Der Einbau von Sensortechnik in Milchviehställe sowie die Fortbildung von Landwirten zu mehr Digitalkompetenz wird vielerorts bereits durch staatliche Stellen gefördert.

Milchviehstall 4.0

In der Praxis hat die neue Datenwelt bereits Einzug gehalten: Ein aktueller Melkroboter liefert beispielsweise zur Kontrolle der Tiergesundheit zahlreiche Informationen zu Eutergesundheit, Milchmenge, Fett, Eiweiß, Laktose, Leitfähigkeit, Milchfarben, Zellzahl, Milchtemperatur, Melkzeit. Erhoben werden auch Daten zur allgemeinen Tiergesundheit (Bewegungsaktivität, Wiederkauindex). Erfahrungen zur Liege- und Standzeitenerfassung, Kuhortung, Körperkondition und Gewichtserfassung liegen vor, vereinzelt wird die Messung von Hormonprofilen angeboten. Abweichungen vom individuellen Normbereich der Tiere werden festgestellt, bewertet und als Krankheits- oder Gesundheits-Index dargestellt. Hier hilft die Vernetzung verschiedener Systeme, denn die Kombination von mehreren Sensoren macht die Vorhersage von möglichen Erkrankungen sicherer und bringt frühere Warnmeldungen. Wenn pansenkranke Kühe oder Mastitiden zwei Tage früher als bisher bemerkt und behandelt werden können, verbessert sich ihre Prognose deutlich.

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Entscheidungshilfe

Die vielfältigen Möglichkeiten müssen im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung vorgestellt werden, damit die Kursteilnehmerinnen und Teilnehmer in ihrer späteren Berufspraxis Entscheidungen über den Einsatz der Systeme im eigenen Betrieb treffen können. Erfasste Daten machen jedoch nur Sinn, wenn sie ausgewertet und daraus brauchbare Schlüsse gezogen werden können. Vieles, was aktuell der Praxis angeboten wird, befindet sich noch im Entwicklungsstadium oder ist aufgrund der Kosten nicht wirtschaftlich einsetzbar. Die Milchviehhalter müssen ohne aufwändige Rüst- oder Suchzeiten mit den Informationssystemen umgehen und bei Problemen und Fragen einen guten Anbieterservice nutzen können.

Gleichzeitig bergen zu viel technische Kontrolle und Arbeitserledigung aber auch die Gefahr der unreflektierten Abhängigkeit von der Technik und den Verlust des sehr wichtigen engen Kontaktes zu den Tieren. Die Vielzahl der technischen Überwachungsmöglichkeiten im Kuhstall ist außerdem durch die Vielzahl der Hersteller und Anbieter häufig nicht kompatibel. Das heißt, eine sinnvolle und notwendige Verknüpfung der Daten funktioniert oft nicht. Insellösungen stellen den Gesamtnutzen oft in Frage, für doppelte Dateneingaben fehlt die Zeit auf den Betrieben. Zudem bergen Datenerfassung und Verarbeitung auch die Gefahr des Datenmissbrauchs durch außerbetriebliche Interessen.

Digitale Medien sind bereits fester Bestandteil der Lebenswelt der meisten Auszubildenden. Im Übergang von der Buchgesellschaft zur Informationsgesellschaft (Tutorials) liegt die Herausforderung im richtigen Umgang mit der Informationsflut. Deshalb muss es ein Ziel der überbetrieblichen Ausbildung sein, die Auszubildenden digitalkompetent und datensouverän zu schulen (s. Peter Weymann, B&B Agrar 5-2016, S. 19ff). Dabei ist die Digitalisierung als Hilfsmittel und nicht als Ersatz für die Augen/den Verstand des Tierhalters zu verkaufen.

Viele Fragen sind bis zur fertigen Einbindung in den Unterricht zu klären. Daran arbeitet derzeit eine bundesdeutsche Arbeitsgruppe der überbetrieblichen Ausbildungsstätten mit Nutztierhaltung. Folgende Aspekte und Gefahren müssen bei der Nutzung von digitalen Hilfsmitteln im Stall und Unterricht beispielsweise berücksichtigt werden:

  • den Blick fürs Wesentliche schärfen,
  • Hintergründe erläutern,
  • Zeitbedarf bei vollem Stundenplan kalkulieren,
  • Ausbildungsziele anpassen,
  • Kosten und IT-Aufwand (Aufbau, Updates, Verantwortlichkeiten) klären,
  • Verfügbarkeit von WLAN im Stall berücksichtigen,
  • Schutz der betrieblichen Daten/Einstellungen im Blick behalten.

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