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Landwirtschaftliche Betriebe stehen den stetigen Herausforderungen gegenüber, sich an die klimatischen und agrarpolitischen Veränderungen anzupassen. Dafür braucht es oft standortangepasste, betriebsindividuelle und innovative Lösungsansätze. Dies ist jedoch aus dem alltäglichen Geschäft heraus nur schwer umzusetzen. Die Entwicklung individueller Lösungsstrategien stellt dabei hohe Anforderungen an Wissen und Fähigkeiten der Landwirtinnen und Landwirte.
Jede Auswirkung auf das komplexe Agrarökosystem erfordert spezifische Kenntnisse dieses Systems und seiner Gesetze. Neben dem expliziten Wissen spielen vor allem Wissen aus der Praxis und implizites Wissen eine wichtige Rolle (Lehmann 2005). Dabei sind die Erfahrungen und das Lernen auf dem eigenen Betrieb sowie das Gespräch im Kollegenkreis wichtige Bausteine. So stellen informelle Treffen zwischen Kolleginnen und Kollegen einen offenen Raum mit ungezwungener Atmosphäre dar, der Austauschbeziehungen sowie innovatives Handeln ermöglicht (Luley 1996, Luley et al. 2015).

Das Konzept

Unter der Leitung der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) entstand von April 2018 bis Mai 2021 die erste Cropping School in der Region Uckermark in Brandenburg. Das Pilotprojekt wurde aus Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) sowie aus Landesmitteln durch das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg gefördert. Die Projektidee wurde anfänglich mit vier Praxispartnern des InnoForum Ökolandbau Brandenburg (http://innoforum-brandenburg.de/) der HNEE entwickelt. Doch schnell wuchs die Gruppe innerhalb des ersten Jahres auf 18 Betriebe an, wobei durchschnittlich zwölf Betriebe über die gesamte Laufzeit regelmäßig an den Veranstaltungen teilnahmen.

Im Vordergrund des Konzeptes steht das Lernen von- und miteinander sowie das gemeinsame Entwickeln von standortangepassten und betriebsindividuellen Lösungsansätzen mit Nachbarbetrieben, Fachberatung und Wissenschaft. Dabei wurden die Ansätze der Farmer Field Schools, der dänischen Stable Schools sowie die Idee der Versuchsringe des Agrarwissenschaftlers Theodor Roemer an den Acker- und Pflanzenbau in Brandenburg angepasst.

Auf regelmäßig stattfindenden Gruppentreffen auf einem der Betriebe, den sogenannten Ringveranstaltungen, diskutieren die Teilnehmenden selbst festgelegte Probleme. Dabei kann es sich um ein konkretes betriebsindividuelles Problem des Gastgeberbetriebs handeln oder um eine regionale betriebsübergreifende Fragestellung. Die Landwirtinnen und Landwirte teilen dabei ihr Fach- und Erfahrungswissen in der Gruppe und ermitteln gemeinsam Handlungsempfehlungen. Je nach Thema und Fragestellung der einzelnen Veranstaltungen wurden auch Experten aus der Beratung oder Wissenschaft eingeladen, um vertiefenden Input beziehungsweise neueste Erkenntnisse mit einzubringen.

Aus einzelnen Fragestellungen und Ergebnissen der Veranstaltungen konnten auch Fragestellungen für Praxisversuche abgeleitet werden, die dann auf den Betrieben oder der Lehr- und Forschungsstation der HNEE angelegt wurden. Die Gruppe wurde dabei über die Ergebnisse informiert und fortlaufend in allen Prozessen und Aufgaben von einer Koordinierungs- sowie einer landwirtschaftlichen Technikerstelle begleitet und unterstützt. Die Gruppentreffen wurden jeweils von der Koordination konzipiert, vor- und nachbereitet sowie moderiert. Die Vorbereitung umfasst eine gezielte Zusammenstellung von betrieblichen Standort‐ und Bewirtschaftungsdaten (zum Beispiel Nährstoffanalysen von Bodenproben), die Nachbereitung eine Zusammenfassung aller Ergebnisse der Veranstaltung.

Der Ablauf einer Veranstaltung beinhaltet in der Regel als erstes eine Betriebsvorstellung durch den Betriebsleitenden und eine Feldbesichtigung der Ackerflächen. Hierbei berichtet der Betriebsleiter/die Betriebsleiterin über die erfolgreiche Umsetzung von Maßnahmen im Betrieb, aber auch von Problemfeldern. Angesprochen werden auch Problemstellungen, die im Kollegenkreis diskutiert werden sollen. Anschließend erfolgt eine moderierte Diskussionsrunde gegebenenfalls mit dem Fachvortrag eines eingeladenen Experten. Die Ergebnisse, Handlungsempfehlungen und weitere Schritte werden dabei von der Koordination schriftlich festgehalten und nachstehend als Protokoll für alle Teilnehmenden bereitgestellt. Die Technikerstelle unterstützt die Betriebe bei der Aufbereitung der Standort- und Bewirtschaftungsdaten sowie bei der Durchführung und Auswertung der Praxisversuche.

Austausch geschätzt

Innerhalb der Projektlaufzeit wurde das Konzept fortlaufend gemeinsam mit den Praktikern auf deren Bedürfnisse angepasst sowie der Finanzaufwand für alle Arbeitspakete kalkuliert. So konnte eine entsprechende Aussage über die notwendigen Kosten einer Fortführung über den Projektrahmen hinaus dargestellt werden. Der Bedarf der Landwirtinnen und Landwirte an einem Angebot von Gruppenberatung sowie die Bereitschaft der Kostenübernahme wurde einmal innerhalb der Projektlaufzeit und einmal etwa ein Jahr nach Projektende mittels eines leitfadengestützten Interviews abgefragt. Dabei wurden auch verschiedene Formate von Gruppenberatungsangeboten abgefragt (s. Tabelle). Aus den Ergebnissen lassen sich folgende Tendenzen ableiten:

Alle teilnehmenden Betriebe sprachen den Wunsch einer Weiterführung der Cropping School beziehungsweise nach Gruppenberatungsangeboten aus. Auch sind alle Betriebe bereit, die notwendigen Kosten eines Angebots zu tragen. Durch den geschaffenen Raum des Austausches und der Vernetzung über die Cropping School stehen alle Gruppenmitglieder mit einzelnen Kolleginnen und Kollegen in Kontakt, jedoch ist dadurch nicht der soziale und fachliche Austausch auf den Gruppentreffen zu ersetzen. Hier wird vor allem der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, mit denen man ansonsten keinen Kontakt hat, geschätzt sowie der fachliche Input von Expertinnen und Experten aus Beratung und Wissenschaft. Auch werden Probleme und Fragestellungen während der Gruppentreffen gezielter und intensiver diskutiert.

Als favorisiertes Angebot wurde von allen Landwirtinnen und Landwirten die organisierte Gruppenberatung benannt. Selbstorganisierte Gruppentreffen wurden hingegen einheitlich als unerwünscht bewertet. Für eine langfristige Etablierung seien Koordinatoren notwendig, die Organisation, Moderation und Prozessbegleitung übernehmen, da die Landwirtinnen und Landwirte selbst im alltäglichen Geschäft keine Zeit oder kein Interesse haben. Des Weiteren wird die fehlende Vernetzung zu Expertinnen und Experten aus der Beratung und Wissenschaft genannt.

Eindeutig war auch die Aussage zur Umsetzung von gemeinsamen Praxisversuchen auf den Betrieben. Praxisversuche sollten kein zwingender Bestandteil einer Gruppenberatung sein, sondern eher von interessierten Betrieben selbst getragen oder als separate Projekte mit interessierten Betrieben durchgeführt werden. Hier wurden vor allem die höheren Kosten von Gruppenberatungsangeboten mit Praxisversuchen als Kriterium für ein niedrigeres Ranking genannt.

Format mit Zukunft?

Die teilnehmenden Betriebe der Cropping School sind sehr daran interessiert, ihre etablierte Gruppe weiterzuführen. Besonders wichtig ist den Landwirten dabei die Verbandsunabhängigkeit, die geringe Gruppengröße und die Vernetzung mit Betrieben aus derselben Region sowie eine gewisse Beständigkeit der Gruppenmitglieder, um vertrauensvoll und offen zusammenzuarbeiten.

Bis zum Projektende konnte die aufgebaute Gruppe nicht an bestehende Beratungsstrukturen im Land Brandenburg verstetigt werden. Durch ein Anschlussprojekt konnten die Landwirte jedoch an öffentlichen Veranstaltungen weiterhin gemeinsam teilnehmen. Der Kontakt untereinander wurde fortgesetzt.

Das Format der Cropping School ist auf andere Regionen und Themen übertragbar. Dafür braucht es Organisationen, die derartige Formate verbandsübergreifend anbieten können, und Personen, die in Gruppenberatungsformaten geschult und mit Akteuren aus der Beratung und Wissenschaft vernetzt sind.


Literatur

Lehmann, I. (2005): Wissen und Wissensvermittlung im ökologischen Landbau in Baden-Württemberg. In: Geschichte und Gegenwart. Kommunikation und Beratung. Sozialwissenschaftliche Schriften zur Landnutzung und ländlichen Entwicklung. Volume 62, S. 22
Luley, H. (1996): Information, Beratung und fachliche Weiterbildung in Zusammenschlüssen ökologisch wirtschaftender Erzeuger. Weikersheim.
Luley, H.; Kröger, M.; Rieken, H. (2015): Beratung ökologischer Erzeuger/-innen in Deutschland. Weikersheim.