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THEMEN IN DIESEM BEITRAG

In einer bundesweiten, durch den Verband der Landwirtschaftskammern (VLK) organisierten Projektgruppe arbeiten Beratungskräfte aus Landwirtschaftskammern, Landesanstalten und weiteren Einrichtungen zusammen, um Grundlagen für die sozioökonomische Beratung zu erarbeiten. In der vergangenen Sitzung hatten sie das Thema Resilienz im Fokus. Als die Fähigkeit, Krisen zu verkraften und im besten Fall zu überwinden, ist Resilienz derzeit in aller Munde. In einer krisengeschüttelten Welt erscheint diese Fähigkeit als elementar.

Hohe Belastungen

"Makrokrisen" wie Pandemie, Ukrainekrieg, Inflation und Materialknappheit werden von vielen Menschen als enormer Druck erlebt. Landwirtinnen und Landwirte können darüber hinaus wegen der ineinandergreifenden Systeme Betrieb und Familie, Arbeits- und Privatleben von betriebs- und familienspezifischen "Mikrokrisen" betroffen sein. Die Belastungen werden dadurch verstärkt, dass die Landwirtschaft schon seit Längerem hinsichtlich Tier-, Umwelt- und Klimaschutz im kritischen Fokus der Gesellschaft steht. Menschen, die in und von der Landwirtschaft beziehungsweise ihren landwirtschaftlichen Betrieben leben, benötigen also in einem besonderen Maße Unterstützung, um diesem hohen Druck gewachsen zu sein.

Aus dieser Erkenntnis ergibt sich ein konkreter Handlungsansatz für die sozioökonomische Beratung. Eine von der gesamten Projektgruppe erstellte, umfangreiche Mindmap soll die verschiedenen Ansätze, Methoden und Beratungswerkzeuge strukturieren, darstellen und für andere Beratungskräfte leichter zugänglich machen. Diesem "Werkzeugkasten" liegen als Ordnungsprinzip die "Sieben Säulen der Resilienz" zugrunde (s. auch B&B Agrar 3-2021, S. 11ff):

  • Akzeptanz,
  • Lösungsorientierung,
  • Optimismus,
  • Beziehungen und soziales Miteinander,
  • Selbstwirksamkeit,
  • Verantwortung übernehmen,
  • Zukunftsplanung.

Methodenkoffer

Mit den nachfolgend aufgezeigten Methoden können Beratungskräfte ihre Klientinnen und Klienten in und durch Krisen begleiten und somit zu einer insgesamt erhöhten Resilienz beitragen. Allerdings sind bei der Methodenwahl die verschiedenen Phasen und Ziele einer Krisenberatung zu beachten – idealerweise durch eine gründliche Auftragsklärung: Möchten sich die Beteiligten im Rahmen einer Prävention auf eine sich abzeichnende Krise vorbereiten? Befinden sich die Beteiligten akut in einer Krise? Um welche Art von Krise handelt es sich? Möchten die Beteiligten Unterstützung auf dem Weg aus einer Krise? Soll mit den Beteiligten zusammen eine überstandene Krise aufbereitet werden?

Die einzelnen Beratungsziele können mit unterschiedlichen Werkzeugen entsprechend den sieben Säulen der Resilienz erreicht werden.

Akzeptanz (s. Abbildung 1): Dabei geht es darum, die Beteiligten darin zu unterstützen, sich und die gegenwärtige Situation anzunehmen (Standortbestimmung). Somit sind aktives Zuhören, Elemente der Achtsamkeit und alle Methoden hilfreich, mit denen sich die Beteiligten aus der negativen Bewertung hin zu einer gegenwartsorientierten realistischen Beurteilung der eigenen Situation entwickeln können. Wo stehe ich gerade? Was brauche ich konkret an Unterstützung? Was ist mir gerade wichtig? Behindern mich Denkmuster und gibt es Verhaltensweisen, die ich nicht mag? Viele der Methoden unterstützen die Beteiligten dabei, Strukturen aufzubauen, um aus dem Grübeln und dem Gefühl herauszukommen, dass alles mit allem fremdgesteuert zusammenhängt. Beispielsweise hilft es, den eigenen Wirksamkeitsbereich vom Unbeeinflussbaren abzugrenzen. Es fällt beispielsweise leichter, ein Dürrejahr zu akzeptieren, wenn bewusst wird, nicht für das Wetter verantwortlich zu sein.

Lösungsorientierung (s. Abbildung 2): Hier stehen Perspektivwechsel und Motivation im Vordergrund. Dabei kann die Analyse der Stärken und Schwächen hilfreich sein oder das Erarbeiten einer Prioritätenliste. Hilfreich kann auch der Blick auf bereits bewältigte Krisen und den daraus gewonnenen Erfahrungen sein. Es ist wichtig zu erkennen, dass es immer Handlungsmöglichkeiten gibt. Bezogen auf das Dürrejahr können verschiedene Optionen geprüft werden: Wie gehe ich mit dem Futtermangel um: Abstocken oder Futterzukauf?

Optimismus (s. Abbildung 3): Hier kommt es auf eine positive Haltung der Beratungskräfte an, um die Beteiligten für die aufgezeigten Handlungsmöglichkeiten zu öffnen. Bei der Trauerbewältigung und bei akuten Krisensituationen ist jedoch sehr viel Fingerspitzengefühl seitens der Beratungskräfte gefragt. Ziel ist es, einen Prozess in Gang zu bringen, bei dem der Blick immer wieder auf „alles, was gut funktioniert (hat)“, gerichtet wird. Vielleicht gab es vor 30 Jahren bereits eine große Dürre, die der Betrieb überstanden hat?

Beziehungen und soziales Miteinander (s. Abbildung 4): Resilienz wird immer auch durch das soziale System der Beteiligten geprägt. Gibt es Aktivitäten außerhalb des Betriebes und einen lebendigen Freundeskreis? Ist das Familiensystem geeignet, um Belastungen Stand zu halten oder zu verlagern? Viele Landwirtinnen und Landwirte steigern in einer Krise den eigenen Arbeitseinsatz, um mehr für den Betrieb zu erreichen. Eine komplette Vernachlässigung sozialer Beziehungen vermindert aber die Chance auf eine erfolgreiche Krisenbewältigung. Auch in der Familie und bei den Beschäftigten auf dem Betrieb besteht gerade in einer Krise erhöhter Kommunikationsbedarf, der bedient werden sollte. Das gute Wetter in einer Dürre bietet sich beispielweise für Grillabende an. Es ist häufig zu erleben, dass Menschen, die sich lange unter Druck und somit in einer Krise befinden, verlernt haben, ohne schlechtes Gewissen Freude zu empfinden und auch Teilerfolge zu feiern.

Selbstwirksamkeit (s. Abbildung 5): Ziel ist es, den Beteiligten wieder ein Gefühl für die eigene Wirksamkeit zu vermitteln. Außenperspektiven oder der Perspektivwechsel innerhalb der eigenen Gedanken können dafür genutzt werden, nicht gesehene positive Seiten des eigenen Denkens und Handeln zu erkennen. Das Erinnern an vergangene Erfolge und vielleicht schon unternommene Schritte sind ein guter Anfang. Um im Beispiel zu bleiben: Vielleicht wurden schon drei Futterhändler angerufen, um Ersatzfutter zu finden. Auch wenn es erfolglose Anrufe waren, wurde zumindest diese Option selbstständig überprüft. Das als Teil der eigenen Wirksamkeit zu verstehen, ist ein großer, aber wichtiger Schritt.

Verantwortung übernehmen (s. Abbildung 6): Dieser Schritt erweitert die Selbstwirksamkeit um eine bewusste Gestaltung der Entscheidungsräume. Welche Entscheidungen können getroffen werden und wie lauten deren Konsequenzen? Ergänzend zur Prozessberatung kann betriebswirtschaftlich unterstützt werden. Es bietet sich an, auch über unkonventionelle Lösungen nachzudenken und möglicherweise tradierte Betriebsabläufe auf den Prüfstand zu stellen. Zum Beispiel könnten überzählige Färsen in der Dürre früher verkauft werden, auch wenn bislang der Zuchtviehverkauf ein Aushängeschild des Betriebes war.

Zukunftsplanung (s. Abbildung 7): In dieser Phase werden konkrete Ziele besprochen; es geht um Perspektiven und aktive Lebens- beziehungsweise Zukunftsgestaltung. Wie sehen die Etappen und Ziele bei dieser Planung aus? Woran mache ich fest, in welchem Umfang diese Ziele erreicht werden können? Dabei ist ein gutes Bewusstsein für die eignen Stärken und Schwächen mehr als hilfreich. Gerade die Erfahrungen aus vorangegangenen Krisen können und sollten genutzt werden, um sich, die Familie und den Betrieb mit einer gestärkten Resilienz fit für die Zukunft zu machen.

Fazit

Die Menschen und deren Krisen, denen die Beratungskräfte begegnen, sind individuell sehr unterschiedlich. Die "Säulen der Resilienz" und die Zuordnung der Werkzeuge stellen daher nur ein vereinfachtes Beratungsmodell dar. Wie immer gilt, dass die gute Beratungskraft aus einem großen Fundus an möglichen Methoden auswählt, die in der vorliegenden Situation die beste Unterstützung bieten. So agierend kann die sozioökonomische Beratung dazu beitragen, Menschen und damit auch Betriebe in der Landwirtschaft resilienter und krisenfester zu machen.