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Eine gute Kommunikation ist auch auf landwirtschaftlichen Familienbetrieben in der Partnerschaft der Schlüssel, um Konflikte zu vermeiden oder zu lösen.
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Das Arbeitspensum, das Selbstständige in Familienbetrieben bewältigen, gleicht dem eines Top-Managers, stellt Ute Buschhaus, Coach und Trainerin aus Soest fest. Die Agraringenieurin kennt aus langjähriger Beratertätigkeit die vielfältigen Belastungen auf dem Hof. Lange Arbeitstage 365 Tage im Jahr und wenig Freizeit sind besondere Herausforderungen für die zwischenmenschlichen Beziehungen. Leben und arbeiten am selben Ort, die enge Verflechtung von Privat- und Berufsleben bietet Vorteile und birgt gleichzeitig großes Konfliktpotenzial im Alltag – zwischen den Generationen, aber auch in der Partnerschaft. Paare in landwirtschaftlichen Familienbetrieben tragen die Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs und das Zusammenleben in der Kernfamilie und mit den Altenteilern.

Rollenkonflikte

Die vielfältigen Rollen, die die einzelnen Familienmitglieder im Betrieb einnehmen, können sich überschneiden oder auch im Widerspruch zueinander stehen. "Ein wichtiger Punkt ist, Zuständigkeiten abzugrenzen – sowohl bei der Arbeit als auch im Privaten", so Buschhaus. "Nicht immer ist ganz klar, wer agiert jetzt in welcher Rolle – als Betriebsleiterin und Betriebsleiter, Fachkraft, Ehepartnerin und Ehepartner, Vater/Mutter. Hier braucht es eine stetige Klärung", sagt Peter Jantsch, systemischer Coach, Konfliktklärer und Autor aus Braunschweig.

Der Agraringenieur, der viele Jahre in der landwirtschaftlichen Praxis, Forschung und Beratung gearbeitet hat, kennt die besonderen Herausforderungen in Familienbetrieben und die Auswirkungen auf die Partnerschaft: In der "Rushhour" des Lebens versuchen junge Paare ihr Bestes zu geben, als Team zu funktionieren. Häufig fehlt die Zeit, die Beziehung zu pflegen; die Gefühle füreinander gehen verloren. Entfremdung ist auch ein Thema bei älteren Paaren. Sie haben zwar die Belastung der Kindererziehung hinter sich, stehen jedoch nun vor der Aufgabe, sich wieder als Paar neu zu definieren.

Konflikte in der Partnerschaft resultieren beispielsweise auch aus der Tatsache, dass mehrere Generationen unter einem Dach leben und arbeiten. Der Partner/die Partnerin, der/die eingeheiratet hat, findet festgefügte Strukturen – meist mit Altenteilern – vor. Fast immer ist der Umzug auf einen Betrieb für ihn/sie mit einem starken Wandel des Lebensstils verbunden. Bleibt eine klare Positionierung des/der betriebsleitenden Sohns/Tochter zur Partnerin/zum Partner aus, ist der "klassische Schwiegermutter-Konflikt" vorprogrammiert.

Sind solche Szenarien zwangsläufig und unveränderbar? Keineswegs, sind sich beide Coaches einig. Allerdings kommen viele Ratsuchende sehr spät zu ihnen, oft erst, wenn "die Hütte schon brennt", so Jantsch. Offenbar sei gerade in landwirtschaftlichen Familien das Bemühen groß, eine Fassade aufrechtzuerhalten. "Viel besser wäre es, Konflikte früh anzugehen", betont der Coach. Denn nur glückliche und starke Betriebsleiter und Betriebsleiterinnen sind der Vielfachbelastung im Privat- und Berufsleben gewachsen. Das Zwischenmenschliche ist ein wichtiger Erfolgsfaktor auf den Betrieben, bestätigt Ute Buschhaus, die auch therapeutisch arbeitet. Meistens sind es ihrer Erfahrung nach zuerst die Frauen, die Beratung in Konfliktsituationen suchen: "Die Beziehungsprobleme haben sich häufig bereits zugespitzt und verhärtet, sodass es für alle Parteien schwierig ist, sich zu bewegen."

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Miteinander reden

Der Ausweg aus vielen Konflikten klingt einfach: aufeinander zugehen und miteinander reden. Aber auch eine gelungene Kommunikation will gelernt und geübt sein. "Je eingefahrener die Gewohnheiten desto schwieriger wird es miteinander zu sprechen", weiß Ute Buschhaus. "Dann gibt ein Wort das andere und schon ist die Kaskade von Vorwürfen in Gang gesetzt". Dabei hat Peter Jantsch ein geschlechterspezifisches Konfliktverhalten beobachtet: "Frauen wollen eher über ihre Beziehung reden, auch offen streiten. Männer wollen Probleme lösen und flüchten sich oft ins Schweigen."

Befinden sich Paare in dieser Zwickmühle, ist es sinnvoll, Hilfe von außen zu holen. Coaches wie Ute Buschhaus und Peter Jantsch bieten ratsuchenden Ehepartnern Werkzeuge und Techniken an, um Bewegung in festgefahrene Auseinandersetzungen zu bringen und begleiten sie auf dem Weg, für sich eine gute Lösung zu finden. Sie geben den Rahmen vor, in dem die Konfliktpartner miteinander streiten können. Der/die Beratende ist allparteilich und ergreift nicht Position für eine Seite, sondern sucht gemeinsam mit beiden Seiten nach Lösungswegen. "Als Beraterin bringe ich allen Beteiligten großes Interesse entgegen. Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass es jeder irgendwie gut meint. Und ich bin neugierig, was hinter einem bestimmten Verhalten steckt", erklärt Ute Buschhaus ihren Ansatz.

Hilfreich ist es, Perspektivwechsel und Sicherheit in konflikthaften Situationen anzubieten. Häufig überlagern Störungen auf der Beziehungsebene und noch stärker Verletzungen der Persönlichkeit die Sachebene. Es sei daher notwendig, so Jantsch, dass Verletzungen in einem geschützten Raum "quasi mit Leitplanken" angesprochen und vom Partner/von der Partnerin gesehen werden können. Er unterstütze die Konfliktparteien unter anderem dabei, die richtigen Worte zu finden, "um einander verstehen zu können, auch ohne einverstanden zu sein" und "sachlich über Emotionen statt emotional über Sachen zu reden".

Erst wenn sichtbar geworden ist, was das eigentliche Konfliktthema ist, kann man auf die Sachebene zurückkehren. Diesen Aspekt sollte seiner Ansicht nach auch die Fachberatung stärker einbeziehen: "Fachberater können einen Spiegel anbieten. Wenn beispielsweise Probleme im Stallmanagement auftreten, dann könnte auch mal das Thema Kommunikation angesprochen werden."

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Beziehungspflege

Was genau braucht die Partnerschaft, um angesichts der besonderen Belastungssituation in einem landwirtschaftlichen Familienbetrieb möglichst stark sein zu können? Auch hier ist die Antwort der beiden Coaches eindeutig: gute Pflege! Dazu gehört ganz wesentlich zu lernen, die Kommunikation rechtzeitig in die richtige Richtung zu steuern und Streitschleifen zu verhindern, aber auch eine Streitkultur zu entwickeln, die von Wertschätzung und Verständnis geprägt ist und zu konstruktiven Lösungen führt. "Alle Konfliktparteien wünschen sich letztlich, dass ihre Sichtweise gesehen und gehört wird und sie Anerkennung und Wertschätzung erfahren", erläutert Ute Buschhaus. Im alltäglichen Umgang miteinander bleibt wertschätzende Kommunikation jedoch allzu häufig auf der Strecke.

Die Pflege der Gefühls- und Beziehungsebene ist eine Daueraufgabe und eine lohnende Investition. Die Coaches empfehlen, regelmäßige verbindliche Paarzeiten in den Alltag einzuführen, um sich beispielsweise bei einem Spaziergang oder Auswärtsessen ungestört über Gefühle, Ängste, Sorgen und Bedürfnisse auszutauschen. "Was wünsche ich mir vom anderen – und was wünscht der andere von mir?" – Fragen wie diese können nach Auffassung von Ute Buschhaus wie eine "Zauberformel" wirken und Überraschendes zutage fördern.

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Konflikt als Chance

Aber auch ein konstruktiver Streit mit anschließender Versöhnung gehört zu einer intakten Beziehung. "Ein Konflikt hat die Aufgabe, Klarheit zu schaffen. Es ist wichtig ihn auszuhalten und zu lernen, dass Distanz und Disharmonie Teil des Spiels sind", warnt Jantsch vor "falschem" Harmoniebestreben. In diesem Sinne geht es in einem guten Konflikt nicht mehr darum, gegeneinander (um mangelnde Ressourcen wie Freizeit, Anerkennung oder Aufmerksamkeit) zu kämpfen, sondern den Perspektivwechsel zu ermöglichen, mit dem Ziel sich gegenseitig zu stärken und gemeinsam die Situation zu verbessern. Für Ute Buschhaus eröffnet somit jeder Konflikt auch die Chance für eine Weiterentwicklung.

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Literatur

Jantsch, P. (2019): Glück und Gelingen im Familienbetrieb. Kommunikation und Konfliktlösung (Band 1), Braunschweig. (Bezugsquelle: www.veraenderung.jetzt)

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Weitere Informationen und Kontakt: www.ute-buschhaus.de und  www.veraenderungen.jetzt