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Im Rahmen des EU-Projekts FAIRshare wurde im Herbst 2020 unter der Federführung der Landwirtschaftskammer Österreich eine europaweite Online-Umfrage unter 665 Beratungskräften (davon 274 Frauen; 41 Prozent der Antworten) beziehungsweise 397 landwirtschaftlichen Betriebsführenden (davon 99 Frauen; 24,93 Prozent der Antworten) durchgeführt, um Einstellung und Nutzungsverhalten im Hinblick auf digitale Beratungswerkzeuge und -dienstleistungen zu erheben. Ziel der Befragung war es, aktuelle Aktivitäten zur Einbindung der zu beratenden Landwirtinnen und Landwirte kennenzulernen und motivierende Faktoren sowohl für Landwirtinnen und Landwirte als auch für Beratungskräfte zu identifizieren, sich aktiv mit neuen Beratungswerkzeugen zu beschäftigen.


FAIRshare

FAIRshare (Farm Advisory digital Innovation tools Realised and Shared) hat zum Ziel, die effektive Nutzung von digitalen Anwendungen für Landwirtinnen und Landwirte sowie deren Beratungskräfte zu verbessern. Hierfür wurde eine Übersicht von europaweit existierenden Anwendungen geschaffen, die laufend ergänzt wird: https://fairshare-pnf.eu/tools. Für dieses Projekt wurden im Rahmen der Finanzhilfevereinbarung Nr. 818488 Fördermittel aus dem Programm der Europäischen Union für Forschung und Innovation "Horizont 2020" bereitgestellt. Weitere Informationen zum Projekt FAIRshare auf der Website unter www.h2020fairshare.eu.


Der Anteil der Beraterinnen, die in der europaweiten Befragung antworteten, übersteigt den Anteil der weiblichen Beratungskräfte in Österreich. Im Jahr 2020 sind  in Österreich von den 854 Beratungskräften 280 weiblich (32,78 Prozent). Somit kommt es zu einer stärkeren Gewichtung der weiblichen Meinung, als dies bei ausschließlicher österreichischer Beteiligung möglich wäre. Bei den Landwirtinnen übersteigt der Anteil der Betriebsführenden mit rund 33 Prozent (Bäuerinnenstudie 2016: Erstellt wurde die Studie von der KeyQuest Marktforschung GmbH in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft.) den Anteil der weiblichen Antwortenden in der europaweiten Befragung. Das führt möglicherweise zu einer nicht ausgeglichenen Darstellung.

Nutzungsprofil

Die Umfrageergebnisse zeigen (s. Abbildung), dass die Nutzung digitaler Instrumente bei beiden Geschlechtern sehr ähnlich ist. Sowohl Beraterinnen als auch Berater werden am häufigsten um ihre Expertise bei digitalen Werkzeugen zur Produktionssteigerung (zum Beispiel Melkroboter, Düngungsratgeber, Ertragskartierung) sowie Informationen zur digitalen Antragstellung von Förderungen gefragt.

An der dritthäufigsten Anfrage zeigt sich allerdings eine Differenz: Während Berater dort um Informationen zu digitalen Technologien gebeten werden, fokussieren Beraterinnen stärker auf Webshops, Webseiten und digitale Kommunikationstools. Darüber hinaus lässt sich aus den Befragungsergebnissen ablesen, dass der digitale Newsletter keinesfalls an Relevanz eingebüßt hat. Auch in Zeiten der überbordenden Social-Media-Nutzung kann die gezielte und persönliche digitale Ansprache demnach durch nichts ersetzt werden und ist somit aus Sicht der Beraterinnen ein gutes und zeitgemäßes Marketinginstrument. Die höchste Wichtigkeit wird nach wie vor bei allen Beratungskräften dem persönlichen Kontakt als Ergänzung zu digitalen Werkzeugen eingeräumt.

Mit Blick auf die in der Landwirtschaftsberatung tätigen Frauen zeigen die gesammelten Daten aus der Umfrage, dass sowohl Altersgruppe als auch Berufserfahrung für die Einstellung zur Digitalisierung ausschlaggebend sind. Im Gegensatz zu Beraterinnen mit einer kürzeren Berufserfahrung (bis zehn Jahre) bewerten jene mit einer längeren (elf bis 20 Jahre) digitale Beratungsinstrumente und -dienste – Digital Advisory Tools and Services (DATS) – als wesentlich wirkungsvoller und positiver. Dies betrifft DATS zur Unternehmensführung, zum Produktionsmanagement (sowohl im Pflanzenbau als auch im Tierbereich) sowie zum Umwelt- und Fördermanagement. Nach Altersgruppen betrachtet hebt sich dieser Trend besonders bei Personen in der Altersgruppe von 30 bis 49 Jahren hervor.

Zustimmungsfaktor

Im Zuge der Befragung konnte festgestellt werden, dass die befragten Landwirtinnen, die über einen Hochschulabschluss verfügten, den höchsten Zustimmungsfaktor betreffend DATS aufweisen, insbesondere wenn beispielsweise mit DATS Vorteile und positive Auswirkungen im Betriebsmanagement verbunden sind. Differenziert nach Altersgruppen war dies vor allem bei den 20- bis 29-jährigen Befragten der Fall. Österreichs Bäuerinnen scheinen auch die neueste Technik auf den Höfen nicht zu scheuen: Einer im vergangenen Jahr im Auftrag des LFI Österreich durchgeführten Studie zufolge zeigen sich rund 70 Prozent der befragten Bäuerinnen positiv oder zumindest neutral gegenüber der zunehmenden Digitalisierung in der Landwirtschaft (s. Interviews).

Interview "Hohe Diversifikation gefragt"

Dr. Viktoria Motsch, Universitätsassistentin am Institut für Landtechnik an der Universität für Bodenkultur Wien erläutert Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten, die mit zunehmender Digitalisierung und mit Blick auf die in der Agrarwirtschaft tätigen Frauen einhergehen:

Wo sehen Sie die Herausforderungen speziell für Frauen in der Landwirtschaft ebenso wie für weibliche Beratungskräfte?

Motsch: Die Landwirtschaft ist ein Bereich, in dem historisch gesehen meist weniger Frauen als Männer arbeiten. In solchen Männerdomänen ist oft leider nicht nur die fachliche Qualifikation ausschlaggebend für die Akzeptanz im Stall und auf dem Feld. In den vergangenen Jahrzehnten wurden schon Schritte in die richtige Richtung gesetzt, aber noch ist ein weiter Weg zu gehen. Gerade mit dem Bereich Digitalisierung kommt ein weiteres männlich dominiertes Feld hinzu. Auch wenn das Themengebiet erweitert wird, gilt es bei der Digitalisierung in der Landwirtschaft weiterhin auf fachliches Wissen und gesellschaftliche Akzeptanz zu setzen – sowohl bei Männern als auch bei Frauen.

Wie wird die (digitale) Landwirtschaft in fünf bis zehn Jahren in Österreich ausschauen?

Motsch: Die digitale Landwirtschaft ist weltweit wie auch in Österreich auf dem Vormarsch und wird auch in den nächsten Jahren immer mehr Verbreitung finden. Aufgrund der relativ langen Nutzungsdauer von Maschinen und Geräten sind allzu schnelle Veränderungen im Bereich Landwirtschaft aber nicht immer möglich. Auch die Kommunikation von Maschinen und Geräten unterschiedlicher Hersteller ist ein zentrales Thema, welches die Verbreitung von Smart Farming beeinflussen kann. Es wird vor allem spannend, ob es gelingt auf die in Österreich vorherrschenden Bedingungen einzugehen. Sehr unterschiedliche Strukturen – vom flachen Marchfeld (Ebene in Niederösterreich) bis zum alpinen Raum – verlangen eine hohe Diversifikation der eingesetzten Technologien. Weitere Faktoren wie Betriebsgröße haben auch einen Einfluss auf die Adaptionsfähigkeit. Durch gemeinsame Nutzung könnten hier notwendige Flächenleistungen erzielt werden.

Interview "Synergien für die Praxis nutzen"

Digitale Werkzeuge spielen eine immer größere Rolle in der landwirtschaftlichen Beratung. Das sagt auch DI Gertrude Freudenberger. Sie ist Leiterin für den Fachbereich Milch- und Rinderproduktion und Arbeitskreisleiterin für Milch- und Rinderproduktion in der Landwirtschaftskammer Steiermark. In diesem Arbeitskreis sind circa 350 Betriebe aktiv.

Welche digitalen Anwendungen sind für Sie als Beraterin im Bereich Milchviehhaltung relevant? Welche Entwicklungen hat es in diesem Bereich in den vergangenen Jahren gegeben?

Freudenberger: Wie in allen Bereichen findet auch in der Milchviehhaltung eine ständige Spezialisierung statt. Die Anforderungen an Management und Betriebsleitung steigen ständig. Zeitgleich stehen aber immer weniger Arbeitskräfte am Milchviehbetrieb zur Verfügung. Diese Tatsache stellt nicht nur wachsende Betriebe, sondern auch kleinstrukturierte Betriebe im Neben- oder Zuerwerb vor große Herausforderungen. Digitale Anwendungen wie Sensoren zur Brunstüberwachung, Herdenmanagementsysteme, aber auch automatische Melk-, Fütterungs- oder Entmistungssysteme, um nur einige zu nennen, knüpfen hier an. Je nach Typ und Einsatzgebiet sind die Systeme in der Lage, Arbeitsschritte zu erledigen beziehungsweise über Sensoren eine Vielzahl an Daten zu liefern. Die zur Verfügung stehenden Daten müssen jedoch analysiert werden, um die richtigen Maßnahmen und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Die aufgezeichneten Daten stellen für die Beratung wertvolle Informationen zur Verfügung und finden im Beratungsalltag ihre Anwendung. Zudem werden auch digitale Anwendungen speziell für die Beratung entwickelt oder sind bereits im Einsatz. Zum Einsatz kommen unter anderem Systeme zur Beurteilung von Haltungsbedingungen und Tierwohlkriterien, aber auch betriebswirtschaftliche Auswertungssoftware ist fester Bestandteil der Betriebsberatung. Die Anwendungsgebiete sind hier vielfältig.

Wie bringen Sie Landwirtinnen und Landwirte dazu, sich mit neuen, digitalen Technologien – von Apps bis hin zu automatischen Melksystemen - auseinanderzusetzen?

Freudenberger: Die Bereitschaft bei Betriebsleiterinnen und -leitern ist groß, sich mit neuen Technologien und Systemen auseinanderzusetzen. Unabhängig von Geschlecht und Alter finden digitale Anwendungen ihren Einzug am landwirtschaftlichen Betrieb. In welchem Ausmaß die Systeme eingesetzt und genutzt werden, ist sehr unterschiedlich. Im Beratungsalltag fällt mir persönlich auf, dass Betriebsleitende vor der Anschaffung neuer Systeme großen Wert auf die Erfahrungen von anderen Landwirtinnen und Landwirten legen. Auch die neutrale Meinung von Beratungskräften ist sehr gefragt. In der Beratung ist es wichtig, die verschiedenen Systeme mit all ihren Vor- und Nachteilen objektiv darzustellen und so einen möglichst guten und kompakten Überblick zu bieten.

Welche Rückmeldungen gibt es von Landwirtinnen und Landwirten, die digitale Anwendungen in der Praxis nutzen?

Freudenberger: Digitale Systeme liefern umfangreiche Daten und Informationen für das Betriebsmanagement. Sie ersetzen aber nicht das persönliche Beratungsgespräch oder den Erfahrungsaustausch. Der objektive Blick von außen wird immer gefragt sein. Die Beratung wird so wie das Betriebsmanagement zukünftig auf die Kombination von digitalen Anwendungen und persönlichen Gesprächen setzen. Man muss die Synergien der verschiedenen Systeme und Methoden bestmöglich für die Praxis nutzen.