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Ob ein ständig klingelndes Telefon, ein neues Computerprogramm, welches nicht so funktioniert, wie es sollte, ein Terminkalender, der überquillt, ein unsortierter Stapel unbearbeiteter Papiere, lange Wege – jeder Mensch kennt etwas, das stört oder viel Zeit kostet. Das kann Stress auslösen und den ganzen Körper in Aktivität versetzen. Ein beschleunigter Puls, feuchte Hände, Gereiztheit oder Verspannungen sind hierbei die Folge. Stress im Alltag vorzubeugen ist die Angelegenheit aller Beteiligten. Fach- und Führungskräften kommt dabei die Aufgabe zu, gesunde Rahmenbedingungen zu schaffen und Stressoren gemeinsam im Kollegenkreis und mit den Beschäftigten zu ermitteln und Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen. Beschäftigte müssen sich an Vereinbarungen halten und können auch unabhängig von den Rahmenbedingungen ihren persönlichen Stress reduzieren.

Jeder Mensch ist anders

Eine wichtige Rolle spielt das Individuum mit seinen persönlichen Leistungsvoraussetzungen. Neben der formalen Bildung und Erfahrung im beruflichen Kontext spielt auch die eigene Biografie eine entscheidende Rolle im Umgang mit herausfordernden Situationen. Im Laufe des Lebens entwickeln Menschen eine innere kognitive Landkarte, die dabei hilft, Situationen zu bewerten und zu bewältigen. Vor allem im Kontext von Beratung und Lehre muss dies immer mitgedacht werden. Besondere Zuversicht bekommt ein Mensch dann, wenn er viele positive Erfahrungen gemacht und gelernt hat, auch schwierige Situationen gut bewältigen zu können. So kann sich eine positive innere Haltung entwickeln beispielsweise im Sinne von "et hätt noch immer jot jejange" ("Wird schon gutgehen…") oder "kein Nachteil ohne Vorteil". Doch selbst mit einer positiven inneren Haltung und einer grundsätzlich zuversichtlichen Einstellung gibt es Anforderungen aus der Arbeitssituation, bei denen es sehr wahrscheinlich ist, dass sie, unabhängig von individuellen Faktoren, auf Dauer negative Auswirkungen haben und auch krank machen können. Dazu gehören beispielsweise viele Überstunden und Schichtarbeit, ein geringer Handlungsspielraum, geringe Unterstützung durch das kollegiale Umfeld oder ein schlechtes Führungsverhalten. Besonders tückisch ist die Kombination aus hohen quantitativen und qualitativen Anforderungen gepaart mit geringem Entscheidungsspielraum und mangelnder Unterstützung und Anerkennung (vgl. Rau 2015, Kaluza 2018). Um präventiv tätig zu werden, lohnt es sich hinzuschauen und die Rahmenbedingungen der Arbeit aktiv zu gestalten.

Gesunde Rahmenbedingungen

Ein wichtiger Faktor zur Stressreduktion ist die äußere Gestaltung von gesunden Rahmenbedingungen für die Arbeit. Hierunter fallen alle technischen und organisatorischen Maßnahmen, welche den Arbeitsprozess betreffen, wie Maschinen, Hilfsmittel, Pausenregelungen, Vereinbarungen zur Arbeitszeitgestaltung oder die Gestaltung von baulichen Anlagen und Arbeitsräumen. Maßnahmen auf dieser Ebene kommen allen zugute, was ein großes Plus ist, da so eine gesundheitsgerechte Arbeitsgestaltung unabhängig von individuellen Faktoren möglich ist.

Wenn es nur ergonomisches Mobiliar gibt, das Raumklima technisch dem Jahresverlauf angepasst werden kann, der Dienstwagen so ausgestattet ist, dass alles seinen Platz hat, die Arbeitszeit dem jeweiligen Arbeitsaufkommen und privaten Verpflichtungen angepasst werden kann und auch bei Verbrauchsmaterial, beispielsweise für Moderationen oder Seminare, mehr die Qualität als der Preis zählt, dann stellt sich automatisch eine positive Wirkung ein und Arbeiten macht Spaß. Unmut über schlechtes Arbeitsmaterial verschlechtert die Motivation und den Output. Wertschätzung gegenüber allen Beteiligten und eine systematische Gestaltung gesunder Arbeit tragen zum Unternehmenserfolg bei. Sei es nun in Beratung, Lehre oder anderen landwirtschaftsnahen Dienstleistungen. Die Klammer im Bereich der Gestaltung gesunder Arbeit bildet die Unternehmenskultur.

Kultur der Prävention

Sicherheit und Gesundheit als feste Werte im Unternehmen können die Leistungsfähigkeit des Systems und jedes/jeder Einzelnen steigern. Für Betriebe zahlt es sich aus, Sicherheit und Gesundheit zu einem zentralen Wert ihrer Kultur zu machen. Das ist auch die Botschaft der Kampagne "kommmitmensch" der Unfallkassen und Berufsgenossenschaften. Hier werden sechs Handlungsfelder für die Organisationsentwicklung definiert (s. Abbildung). In ihrer Gesamtheit bilden sie die "Kultur der Prävention". Es geht darum,

  • die Themen Sicherheit und Gesundheit bei allen Entscheidungen "mitzudenken",
  • wertschätzend zu unterstützen (Führung),
  • sich auf Augenhöhe auszutauschen (Kommunikation),
  • Mitarbeiter als Experten ihrer eigenen Arbeit zu sehen (Beteiligung),
  • Verbesserungen konstruktiv umsetzen (Fehlerkultur) und  
  • das Miteinander zu stärken (Betriebsklima).

Werden die Beschäftigten in betriebliche Entscheidungen eingebunden, ist dies für alle gewinnbringend. Sie sind die besten Fachleute auf ihrem Gebiet, ihr vorhandenes Wissen nutzt dem gesamten Unternehmen. Sie aktiv zu beteiligen, wirkt sich motivierend und positiv auf das Betriebsklima aus. Je mehr Beschäftigte in Entscheidungen eingebunden werden, desto höher sind die Akzeptanz von Sicherheits- und Gesundheitsmaßnahmen und die Identifikation mit ihnen. Eine offene Kommunikation sowie gegenseitiges Vertrauen können helfen, Probleme frühzeitig zu erkennen und sie auf Augenhöhe gemeinsam zu lösen.

Die innerbetriebliche Kommunikation lässt sich beispielsweise über Idee-Treffen fördern. Über diese regelmäßigen und nach einem festgelegten Muster ablaufende Besprechungen können alle Beschäftigten aktiv eingebunden werden. Sie bieten die Möglichkeit, Arbeitsabläufe, Produktqualität oder den Arbeitsschutz Schritt für Schritt zu verbessern. Die Besprechungen werden moderiert, sind lösungsorientiert, dauern etwa eine Stunde und binden die Beschäftigten effektiv in den Verbesserungsprozess mit ein. Damit eignet sich die Methode auch für eine Unterweisung oder für die Beurteilung psychischer Belastungen. 

Gefährdungsbeurteilung

Die Gefährdungsbeurteilung ist für alle Arbeitsplätze zu erarbeiten – und das kann am besten mit den betroffenen Beschäftigten aus der täglichen Arbeitspraxis heraus gelingen. So ergeben sich praxisnahe Lösungsvorschläge und Schutzmaßnahmen, um Gefährdungen zu vermeiden. Das stärkt die Eigenverantwortung der Beschäftigten für gesundheitsgerechtes Verhalten. Auch die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen, wie sie im Arbeitsschutzgesetz (vgl. § 5 ArbSchG, Ziffer 6) verankert ist, sollte in den Blick genommen werden. Hierbei geht es nicht um individuelle psychische Befindlichkeiten, sondern ebenfalls um Arbeitsbedingungen, welche von außen auf den Menschen einwirken und Einfluss auf Denken, Konzentration und die Leistungsfähigkeit haben. Die klassische Gefährdungsbeurteilung wird ergänzt um die Merkmalsbereiche Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen, Arbeitsumgebung und – besonders für den Bereich der Beratung und Lehre interessant – neue Arbeitsformen. Dabei spielt eine offene und systematische Kommunikation eine zentrale Rolle. Weitere Informationen sind im Arbeitsprogramm Psyche der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutz Strategie (GDA) und auf der Seite der SVLFG zu finden.

Eigene Ressourcen aufbauen

Neben der Gestaltung gesunder Rahmenbedingungen spielt auch das Verhalten jedes/jeder Einzelnen eine Rolle. Auf individueller Ebene gibt es unterschiedliche Möglichkeiten Anforderungen zu begegnen und Gesundheitsressourcen aufzubauen:

  • Fragen Sie sich zunächst, was genau Sie stört und was Sie stresst. Können Sie die Ursache selbst beheben oder benötigen Sie Hilfe?
  • Welche Rolle spielen Sie selbst? Haben Sie vielleicht zu hohe Erwartungen an sich und andere? Sind Sie ungeduldig, perfektionistisch oder können Sie weder "nein" sagen noch um Hilfe bitten?
  • Beobachten Sie, wie ihr Körper reagiert und fragen Sie sich, wie Sie zu mehr Regeneration kommen können.
  • Neben ausreichend Schlaf und einer ausgewogenen Ernährung spielt Bewegung eine zentrale Rolle zur Stressbewältigung. Suchen Sie sich einen Ausgleich, der Spaß macht und dem Sie gerne und freiwillig nachgehen. Fragen Sie sich, was Ihnen guttut und nehmen Sie sich die Zeit, denn sonst bestimmt ihr Körper, wann es Zeit ist.
  • Werden Sie aktiv und begegnen Sie ihren Anforderungen. Am besten gemeinsam mit anderen!

Literatur

  • Kaluza, G. (2018): Stressbewältigung. Berlin.
  • Rau, R. (2015): Risikobereiche für psychische Belastungen. In: Initiative Gesundheit und Arbeit. iga Report 31  

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