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In der Öffentlichkeit erscheint der Diskurs zwischen Landwirtschafts- und Naturschutzakteuren verhärtet. Doch tatsächlich verfolgen beide Seiten oft sehr ähnliche Ziele, wie etwa den Erhalt der Natur als Grundlage für die nächsten Generationen. Unterschiedliche Ansätze in der Umsetzung führen jedoch zu Konflikten. Wie können die Ansichten beider Seiten zusammengebracht werden? Die Antwort ist ebenso einfach wie schwer: Sie müssen miteinander reden (Bundesamt für Naturschutz, 2023). Die projektbezogene Kommunikation in lokalen und regionalen Naturschutzprojekten hatte bereits das Potenzial für einen erfolgreichen Austausch gezeigt (Siebert et al., 2006, Knierim und Liebe 2003). Mit dem von 2020 bis 2023 im Rahmen von EIP geförderten Beratungsprojekt setzte die Landwirtschaftskammer NRW auf ein konkretes Maßnahmenpaket, um dem Schwund einiger Insekten und Vogelarten im Vogelschutzgebiet Hellwegbörde entgegenzuwirken.

Kernpunkte der "Biodiversitätsberatung Hellwegbörde" waren unter anderem eine intensive Beratung, eine enge Zusammenarbeit mit dem örtlichen Naturschutz und ein begleitendes Monitoring. Insbesondere beim Thema Vertragsnaturschutz fand auch ein direkter Austausch zwischen Bewirtschaftenden und Naturschützenden der Biologischen Stationen Soest und Unna statt. In den ersten Projektjahren (2020 bis 2021) wurden 126 landwirtschaftliche Betriebe zu Biodiversitätsmaßnahmen, insbesondere zu Agrarumwelt- und Vertragsnaturschutzmaßnahmen, beraten. Diese Zahlen sprechen aus Kammersicht für eine erfolgreiche Umsetzung. Aber welche Auswirkungen hatte die Beratung auf Verständnis und Akzeptanz von Naturschutzbelangen seitens der Landwirtinnen und Landwirte? Dies wurde von der Universität Hohenheim in einem Forschungsprojekt untersucht. Als Basis dienten zwölf ausführliche Interviews mit Landwirtinnen und Landwirten aus Ackerbau, Schweine- beziehungsweise Rinderhaltung sowie Haupt- und Nebenerwerb. Je die Hälfte dieser Interviews wurde mit Bewirtschaftenden durchgeführt, die Maßnahmen mit oder ohne Biologische Stationen durchgeführt hatten.

Beratungsstruktur

Um einen Überblick über den Ablauf der Beratung zu erhalten, wurde das Beratungsjahr in vier Phasen eingeteilt (s. Abbildung):

  • Situationsanalyse (meist das erste intensive Beratungsgespräch),
  • Planung (der Maßnahmen) bis zur Antragstellung,
  • Durchführung (der Biodiversitätsmaßnahmen) und
  • Evaluation (Bewertung der Beratung).

Bei einem Erstkontakt handelt es sich um eine sogenannte Initiierung. Eine systematische abschließende Evaluation am Ende eines Beratungsjahres fand nicht statt, sondern wurde grundsätzlich von der Landwirtschaftskammer am Ende des Projekts durchgeführt. Dies hat zur Folge, dass Problematiken in der Umsetzung erst im Nachhinein ermittelt werden und Anpassungen während der Beratung kaum möglich sind. Empfohlen wird daher, eine kurze Umfrage am Ende eines Beratungsjahres durchzuführen. Dadurch erfolgt eine Rückmeldung an die Beratungskräfte und den landwirtschaftlichen Praktikerinnen und Praktikern wird direkte Beteiligung am Beratungsprozess ermöglicht und Wertschätzung signalisiert.
 

Prozessbeteiligung

Ein hoher Grad an Partizipation von Landwirtinnen und Landwirten erleichtert es, Beratungsprozesse gezielter auf ihre Bedürfnisse zuzuschneiden, und kann so zur erfolgreichen Durchführung mit zufriedenstellenden Ergebnissen führen (Birner et al., 2009, Linder und Vatter, 1996). Im Prozessverlauf der Biodiversitätsberatung zeigten sich insbesondere drei Faktoren als relevant und effektiv für das Gelingen der Beratung:

  • Wünsche und Ideen: Besonders während der Situationsanalyse und den folgenden Phasen zeigte sich, dass die Einbeziehung der Landwirtinnen und Landwirte bei der Äußerung von Wünschen, Ideen und Problemen, die durch die Teilnahme am Programm erfüllt werden sollten oder entstehen könnten, von Vorteil für den Beratungsverlauf ist. Somit kann der Berater oder die Beraterin frühzeitig erkennen, ob die Vorstellungen der Bewirtschaftenden erfüllt werden können.
  • Klare Ziele und Kommunikation: In der Planungsphase hat sich gezeigt, dass eine klare Definition der Ziele (landwirtschaftlich und naturschutzfachlich) förderlich ist, um die Erwartungen von Landwirtinnen und Landwirten zu erfüllen. Konkret geht es dabei um anschauliche Darstellungen von Maßnahmen wie beispielsweise der Selbstbegrünung. Hierbei sollte illustriert werden, wie sich eine solche Fläche im Laufe der Zeit entwickelt. Dies schließt die Kommunikation möglicher Umsetzungsprobleme mit ein. Somit ist der Ablauf der Maßnahmen für Landwirtinnen und Landwirte nachvollziehbar und negative Überraschungen können vermieden werden.
  • Verständnis für Naturschutz: Manche Naturschutzentwicklungen, die seitens der Landwirtinnen und Landwirte als agronomische Fehlentwicklungen wahrgenommen werden, führen zu zurückhaltender Umsetzung. Um ein gemeinsames Verständnis für eine optimale Entwicklung zu gewährleisten, wird das beiderseitige Gespräch empfohlen, beispielsweise in Form von Gruppenveranstaltungen mit Akteuren aus der Kammer, den Biologischen Stationen und landwirtschaftlicher Praxis. Diese sollten weniger der Wissensvermittlung dienen als dem Austausch und der Verständigung.

Motivationsfaktoren

Finanzielle Anreize wie die Nutzung unwirtschaftlicher (Teil-) Flächen spielten eine große Rolle bei der Umsetzungsbereitschaft von Biodiversitätsmaßnahmen. Auch wenn ökonomische Überlegungen die Teilnahme an Naturschutzmaßnahmen förderten, zeigte sich dennoch, dass ein primäres Interesse der Befragten an der biologischen Vielfalt vorhanden war. Außerdem waren eigene Vorerfahrungen mit ähnlichen Angeboten und Erfahrungen von Kolleginnen und Kollegen relevant. Der Berater der Kammer war vielen Befragten schon bekannt und damit die notwendige Vertrauensbasis gegeben. Sein praktischer landwirtschaftlicher Hintergrund erwies sich ebenfalls als bedeutender Faktor für die Inanspruchnahme der Beratung.

Zwischenergebnisse eines begleitenden Monitorings der Biologischen Stationen wurden den Landwirtinnen und Landwirten erst zur Abschlussveranstaltung kommuniziert. Bereits während der Umsetzung hätte dies nach Ansicht der Befragten eine motivierende Rückmeldung sein können. Die Motivation hemmten vor allem die mit den Maßnahmen einhergehenden "unflexiblen" Kontrollen und der teilweise entstehende Unkrautdruck, der auch zu Diskussionen mit benachbarten Bewirtschaftenden führte.

Die enge Zusammenarbeit mit den Biologischen Stationen führte zu Naturschutzerfolgen, wie etwa eine erhöhte Zahl geschützter Arten auf den Betrieben. Dies ist ein Motivationsfaktor, der die Zusammenarbeit zwischen Befragten und Naturschutz stärkte. Auch wenn sie nicht immer einer Meinung waren, konnte doch von den Befragten festgestellt werden, dass beide Seiten von dem Austausch profitierten und dazulernten. Daher ist es wichtig, vonseiten des Naturschutzes immer wieder in das Gespräch mit den Landwirtschaftsbetrieben zu gehen und die Hemmnisse für eine Umsetzung von Maßnahmen zu ergründen und nachzuvollziehen.

Akzeptanz

Die kurzfristige Betrachtung im Rahmen des Projekts zeigte, dass sich das Naturschutzverständnis von Befragten, die durch die Biologischen Stationen mitberaten wurden, und Befragten ohne Beratungsunterstützung durch die Biologischen Stationen, nicht unterschied. Gruppenübergreifend wurde jedoch deutlich, dass Befragte, die bereits vor der Biodiversitätsberatung Projekte mit Naturschützern durchgeführt hatten, ein wesentlich differenzierteres Verständnis für Maßnahmen und Sichtweise des Naturschutzes aufbrachten. Vor allem eine längerfristige Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz scheint also erhebliche Auswirkungen auf Naturschutzverständnis und -akzeptanz zu haben und sollte zukünftig forciert werden.

Der Austausch mit Akteurinnen und Akteuren außerhalb des Projekts war insgesamt zurückhaltend und nahm ab, je weniger die extern Beteiligten mit der Landwirtschaft zu tun hatten. Selbst von Betrieben mit eigener Vermarktung wurden die Maßnahmen nur in geringem Maße an die Kunden kommuniziert. Erfahrungen aus der Kollegschaft sind jedoch ein wichtiger Faktor, wenn es um Akzeptanz und Verbreitung von Maßnahmen geht (Cullen et al., 2020). Möglichkeiten zur Verbreitung bieten zum Beispiel Winterversammlungen oder Arbeitsgruppen. Außerdem können Materialien wie Feldschilder oder Aufsteller für den Verkauf ab Hof Informationen an ein breiteres Publikum streuen.

Zukünftige Schritte

Die direkte Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz hat das Potenzial, das gegenseitige Verständnis und die Akzeptanz von Naturschutzthemen zu verbessern. Eine klare Kommunikation, ein gemeinsames Verständnis und die langfristige Zusammenarbeit sind Schlüsselfaktoren für den Erfolg solcher Projekte und die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft im Einklang mit dem Naturschutz.


Literatur

Birner, R.; Davis, K.; Pender, J. et al (2009): From best practice to best fit: A framework for designing and analyzing pluralistic agricultural advisory services worldwide. In: Journal of agricultural education and extension, 15. Jg., H. 4, S. 341-355.
Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.) (2023): Lösungsvorschläge für eine konstruktive öffentliche Kommunikation zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. Hintergrundpapier. Bonn.
Cullen, P.; Ryan, M.; O’Donoghue, C. et al (2020): Impact of farmer self-identity and attitudes on participation in agri-environment schemes. In: Land Use Policy, 95. Jg., S. 104660.
Knierim, A.; Liebe, F. (2003): Gemeinsame Prozessgestaltung als Weg zu erfolgreichem Naturschutz. In: Natur und Landschaft, 78 Jg., H. 8, S. 354-359.
Linder, W.; Vatter, A. (1996): Kriterien zur Evaluation von Partizipationsverfahren. In: Selle, K. (Hrsg.): Planung und Kommunikation, S. 181–188.
Siebert, R.; Toogood, M.; Knierim, A. (2006): Factors affecting European farmers' participation in biodiversity policies. In: Sociologia ruralis, 46 Jg., H. 4, S. 318-340.