
Die Verbundausbildung ist eine Sonderform der dualen Ausbildung und als solche bereits seit einigen Jahrzehnten etabliert. Vor allem für strukturschwache und kleinbetrieblich strukturierte Regionen sind Verbundausbildungsprojekte wichtige und vorteilhafte Lösungen für eine effiziente und fachlich hochklassige Berufsausbildung. Einen geografischen Schwerpunkt bilden große Teile Ostdeutschlands, wo neben den bereits erwähnten Faktoren auch der vollständige Strukturwandel ganzer Regionen (Beispiel Braunkohlereviere in der Oberlausitz, Regionen mit hoher Konzentration ehemaliger Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften wie in Sachsen-Anhalt und Brandenburg) eine Modernisierung der Berufsausbildung besonders dringend erforderlich macht.
Win-win-Situation
Viele kleine und mittlere Betriebe mit einem hohen Spezialisierungsgrad stehen vor dem Problem, nicht den vollen Umfang der staatlich vorgegebenen Lerninhalte abdecken oder dafür die notwendigen Arbeits- und Ausbildungsmittel anbieten zu können. Dennoch verfügen diese Betriebe auf bestimmten Gebieten über wichtige Erfahrungen und Kompetenzen, die es gilt, für den Ausbildungsprozess junger Menschen in der Region nutzbar zu machen. Allerdings beteiligen sich diese Unternehmen allein schon aufgrund beschränkter personeller und finanzieller Ressourcen in der Regel kaum an einzelbetrieblichen Ausbildungen. Über eine Verbundausbildung in Kooperation mit anderen Unternehmen der Region werden diese kleinen und mittleren Betriebe zum einen in die Lage versetzt auszubilden und auf diesem Weg eventuell auch neue Fachkräfte für sich zu gewinnen. Zum anderen wird spezialisiertes Wissen für die Auszubildenden im Rahmen der Ausbildung vermittelt, was ansonsten für den Ausbildungs- und Wirtschaftsstandort verloren wäre. Somit sollen Betrieb, Auszubildende und Wirtschaftsstandort von den Synergien des Verbunds gleichermaßen profitieren.

- Vorteile für Unternehmen: Durch den Zusammenschluss zu Verbünden können kleinere Betriebe somit permanent ausbilden und damit gleichzeitig für sich selbst oder zumindest den regionalen Arbeitsmarkt für Nachwuchsfachkräfte sorgen, selbst wenn die eigene Finanzlage eigentlich keinen oder nur einen Auszubildenden im Betrieb erlaubt. Indem sich die Verbundpartner regelmäßig über Methoden oder Inhalte der Ausbildung austauschen, lässt sich darüber hinaus eine kontinuierliche Qualitätssteigerung der Ausbildung erzielen. Aber auch die Auszubildenden selbst bringen den Betrieben Vorteile. Denn da mehr Auszubildende in kürzeren Zeiträumen im Betrieb arbeiten, kann das Unternehmen auch deren Erfahrungen, Talente und Kompetenzen für sich nutzbar machen. Dazu zählt auch, dass die Ausbildungsbetriebe unmittelbarer von neuen Markt- und Ausbildungsanforderungen erfahren und darauf schneller reagieren können.
- Vorteile für Auszubildende: Für den Auszubildenden hat das Lernen in verschiedenen Betrieben, die in ihren jeweiligen Spezialbereichen über großes Wissen verfügen, ebenfalls viele Vorteile. Wie in vergangenen Zeiten die Handwerksgesellen „auf der Walz“, die von einem Ort und Handwerksbetrieb zum nächsten zogen, lernen sie durch ihre Betriebswechsel eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsverfahren, Fertigkeiten und Unternehmenskulturen kennen. Dadurch können sie oft mehr Kompetenzen erwerben als es bei einer Ausbildung in nur einem Unternehmen der Fall gewesen wäre. Durch den Verbund erhöhen sich schließlich auch die Übernahmechancen für die jungen Auszubildenden, die nicht mehr nur von der wirtschaftlichen Situation und damit einhergehenden Übernahmebereitschaft eines einzelnen Ausbildungsunternehmens abhängig sind.
Organisationsformen
Die rechtliche Grundlage der Verbundausbildung ist in § 22 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes formuliert. Darin wird gesagt, dass Ausbildung auch in Zusammenarbeit mit anderen Betrieben oder Bildungseinrichtungen durchgeführt werden kann. Die rechtlichen Konkretisierungen für die Verbundausbildung sind in § 10 (Vertrag) und § 27 (Eignung der Ausbildungsstätte) des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) festgelegt.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit im Verbund? Bei allen Unterschieden zwischen den einzelnen Verbundformen ist das Grundprinzip sehr ähnlich: Kann ein Betrieb beispielsweise einen bestimmten Ausbildungsinhalt nicht anbieten, wechselt der Auszubildende für diesen Teil der Ausbildung in einen der Partnerbetriebe, um dort die entsprechenden Kenntnisse zu erlangen. Für den nächsten Ausbildungsinhalt bzw. die nächste Ausbildungsphase wechselt er den Betrieb dann erneut. Welches Unternehmen welchen Teil der Ausbildung übernimmt und zu welchem Zeitpunkt genau der Auszubildende rotiert, wird in einem Ausbildungs- und Rotationsplan im Vorfeld der Ausbildung geregelt.
Interessierte Unternehmen müssen einen Antrag auf Anerkennung als Ausbildungsbetrieb stellen. Erst wenn den Betrieben die Erlaubnis auszubilden zuerkannt wird, können sich potenzielle Auszubildende bewerben. Im Ausbildungsrahmenplan werden neben den Ausbildungsinhalten die Zeiträume vorgegeben, welche die Verbundpartner für die einzelnen Ausbildungsphasen einzuhalten haben.
Grundsätzlich lassen sich Verbundausbildungen im Rahmen von vier unterschiedlichen Organisations- und Rechtsformen umsetzen.
- Verbund mit einem Leitbetrieb: Bei dieser Form sind die Auszubildenden bei einem Leitbetrieb festangestellt. Dieser übernimmt auch die alleinige rechtliche Verantwortung für die administrative Durchführung, die Vergütung der Auszubildenden und die gesamte Organisationsplanung. Ihm kommt also auch die Aufgabe zu, die Ausbildungs- und Rotationspläne umzusetzen. Die übrigen Verbundpartner dagegen sind nur für die Wissensvermittlung im Rahmen der ihnen zugewiesenen Ausbildungsbereiche zuständig. Diese Organisationsform wählt oft die Rechtsform der GmbH bzw. gemeinnützigen GmbH oder aber der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).
- Verbund in einem Konsortium: Im Gegensatz zum Modell des Leitbetriebs sind im Konsortiummodell alle Unternehmen gleichberechtigt. Die Auszubildenden haben zwar auch bei dieser Organisationsform ihre Ausbildungsverträge mit einem Stammbetrieb, der ihnen auch den Lohn zahlt. Zwischen den Betrieben gibt es aber Kooperationsverträge und jeder Betrieb haftet für die aktuell in seinem Betrieb befindlichen Auszubildenden. Die Ausbildung im Konsortium wird auch als Ringausbildung bezeichnet, denn alle Partnerunternehmen bilden gleichberechtigt nebeneinander aus und jeder Betrieb ist immer gleichzeitig aufnehmender und abgebender Betrieb.
Verein als Träger: Hierbei stellt ein Verein die Auszubildenden ein und schließt mit ihnen Ausbildungsverträge ab. Die organisatorische Kontrolle wird dabei von einer hauptamtlich bestellten Geschäftsführung übernommen, welche die organisatorischen Abläufe plant und überwacht. Es werden Kooperationsvereinbarungen für die Zuständigkeiten abgeschlossen. Damit liegt weniger formalrechtliche Verantwortung bei den Betrieben und der
Verwaltungsaufwand wird für sie minimiert. Die Mitgliedsunternehmen zahlen Mitgliedsbeiträge ein. Bei dem Verein kann es sich um einen eingetragenen oder einen nicht eingetragenen Verein handeln. Da ein eingetragener Verein förderfähig ist, können die notwendigen Kosten in der Regel vollständig durch öffentliche Fördermittel gedeckt werden – und daher dominiert diese Rechtsform auch bei dieser Variante der Verbundausbildung. Dafür bilden die Vereine auch öfter als andere Verbundformen (oder auch nicht eingetragene Vereine) sozial schwache oder junge Menschen mit Lernbeeinträchtigungen aus und können diese dann auch oft übernehmen.
- Auftragsausbildung: Bei der Auftragsausbildung kauft ein Unternehmen, welches nicht alle Ausbildungsinhalte oder -mittel selbst anbieten kann, die fehlenden Inhalte bei einem externen Dienstleister ein. Über den Zukauf der Ausbildungsdienstleistung hinaus besteht keine weitere Verbindung zwischen den Partnern. Die Auszubildenden wechseln für bestimmte Ausbildungsabschnitte aus diesem Stammbetrieb zu dem entsprechenden Dienstleister. Beim Stammbetrieb besteht der Ausbildungsvertrag und auch alle Kosten werden von diesem übernommen.
Checkliste Gründungsvoraussetzungen eines Verbunds
Der Bauernverband Sachsen-Anhalt und das Zentrum für Sozialforschung Halle fassen die wichtigsten Punkte für die Gründung eines Verbundprojekts in folgender Checkliste im Rahmen ihres Konzepts zusammen:
- Die Verbundpartnerbetriebe sind gefunden und kennen sich.
- Sie haben die Zulassung als Ausbildungsbetrieb.
- Die Betriebe sind über den Aufwand aber auch den Mehrwert einer Verbundausbildung informiert.
- Die Entscheidung für ein Verbundmodell ist getroffen.
- Die Möglichkeit finanzieller Unterstützung ist geprüft und gegebenenfalls beantragt.
- Bei Vorhandensein ist der Betriebsrat informiert.
- Die Partnerbetriebe sind sich über die Schwerpunkte der Verbundausbildung einig.
- Die zuständige Stelle der Berufsausbildung ist über den geplanten Verbund informiert.
Finanzielle Förderung
Die Kosten für Ausbildungsvergütungen, Prüfungsgebühren oder Ausbildungsmittel sind nicht gering. Im Vorfeld sollten die Partner eines zukünftigen Ausbildungsverbundes daher eingehend prüfen, ob die finanzielle Belastung zu stemmen ist. In den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurden die Kosten für jeden Betrieb im Rahmen von Umfragen und Studien auf 30 bis 300 Euro pro Auszubildenden pro Monat berechnet, je nach Branche und Tätigkeitsfeld. Staatliche Fördermittel sind daher umso bedeutsamer bei der Umsetzung, allerdings stehen gegenwärtig nicht in allen Bundesländern Fördermittel zur Verfügung.
Grundlage der Mehrzahl der staatlichen Förderprogramme ist, dass ein Verbund sich mittels einer Anschubfinanzierung schon möglichst schnell selbst tragen kann – eingetragene Vereine mit einer generell hohen Förderfähigkeit machen hier eine Ausnahme. Sowohl die Fördermittel als auch Förderprogramme sind bundesländerspezifisch unterschiedlich geregelt. Förderfähig sind in der Regel die verbundbedingten Mehrausgaben wie Verwaltungs-, Prüfungs- oder Beratungskosten. In seltenen Ausnahmen, vor allem in strukturschwachen Regionen, kann auch die Ausbildungsvergütung übernommen werden. Die zuständigen Arbeits- oder Bildungsministerien in den Bundesländern unterstützen zumeist mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds. Im Falle von Nordrhein-Westfalen werden für jeden Auszubildenden in Vollzeit 260 Euro pro Monat bezahlt, in Teilzeit 150 Euro pro Monat. Die Förderdauer beträgt dort maximal 18 Monate. Viele wichtige Förderprogramme sind aktuell (Stand März 2025) aber bereits abgelaufen, so wie das Programm „Förderung der betrieblichen Ausbildung im Verbund“, das Ende 2023 eingestellt wurde. Über gegenwärtige Möglichkeiten der Förderung und ihre Beantragung können neben den zuständigen Ministerien sowohl die Investitionsbanken der Länder als auch die Ausbildungsberater und Ausbildungsberaterinnen in den Landwirtschaftskammern Auskunft geben.
Transferprojekt in Sachsen-Anhalt
In Sachsen-Anhalt hat der Bauernverband ein dreijähriges Projekt zur Verbundausbildung initiiert, welches durch den Europäischen Sozialfond gefördert wird (Projektzeitraum: 1. Januar 2020 bis 30. Juni 2022). Die Schwerpunktregion lag im nördlichen Teil des Bundeslandes, der Altmark, wobei drei konkrete Verbünde gegründet wurden.
Aufgrund der im Projektzeitraum geltenden Beschränkungen infolge der Corona-Pandemie wurde der Projektverlauf jedoch stark erschwert und verzögerte sich an vielen Stellen. In der zweiten Projekthälfte fanden viele gemeinsame Veranstaltungen in den jeweiligen Verbünden statt, die auch von den Auszubildenden sowie den beteiligten Betrieben sehr positiv aufgenommen wurden, berichtet Peter Deumelandt, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt und Ansprechpartner für das Projekt.
Eine Fortführung der Verbünde fand allerdings nach Projektende nicht statt. Der Bauernverband Sachsen-Anhalt sei weiterhin bemüht, eine Gründung von Verbünden zu begleiten, so Deumelandt, und gehe dafür regelmäßig aktiv auf Betriebe zu.
Ratschläge für Grüne Berufe
Was sollten grüne Verbundprojekte beachten? In einem Konzeptpaper, das vom Bauernverband Sachsen-Anhalt und dem Zentrum für Sozialforschung Halle („Ausbildung im Verbund: Verbundmodelle und Leitfaden zur Umsetzung in der Praxis“) erstellt wurde und die Erkenntnisse eines einschlägigen Transferprojekts in Sachsen-Anhalt analysiert und zusammenfasst (siehe Infokasten und Checkliste) werden vor allem folgende Punkte herausgestellt:
- Als Organisationsformen sind insbesondere der Leitbetrieb mit Partnerbetrieb sowie das Ausbildungskonsortium für die Berufsausbildung in der Land- und Hauswirtschaft besonders relevant (für das Verbundprojekt selbst wurde das Ausbildungskonsortium gewählt).
- Insbesondere in der Landwirtschaft sollte der Radius der sich am Verbund beteiligenden Betriebe nicht zu groß sein. Denn größere Wegstrecken zwischen den Betrieben erhöhen den Organisationsaufwand. Die Mobilität der Auszubildenden ist ein wichtiger Faktor.
- Unbestreitbar erhöht sich der Ausbildungsaufwand, wenn Auszubildende im Rahmen eines festgelegten Betriebswechsels erstmalig mit einem ihnen unbekannten Betriebsablauf konfrontiert sind. Bei Aufteilung der Lehrunterweisungen verringert sich allerdings der Aufwand für die einzelnen Ausbilderinnen und Ausbilder in der Unterrichtung der Auszubildenden. So muss nicht jeder Ausbilder/jede Ausbilderin alle Lehrunterweisungen für die Auszubildenden anbieten und durchführen, sondern kann sich auf Themen spezialisieren.
- Aufteilung der Lehrunterweisungen auf die Verbundbetriebe sollte gleichmäßig erfolgen. Größenunterschiede der Betriebe sollten kein Aufteilungskriterium sein. Möglichkeiten und Grenzen aufgeteilter Lehrunterweisungen sollten offen und transparent für alle Verbundpartnerbetriebe kommuniziert werden.
- Ein Einstieg in die Zusammenarbeit der Verbundbetriebe mittels gemeinsamer Lehrunterweisungen und Prüfungsvorbereitungen ist niedrigschwellig und gut organisierbar. Ist auf diesem Weg Vertrauen in das Konzept einer Verbundausbildung aufgebaut, können auch die vorbereitungs- und abspracheaufwändigeren Betriebswechsel der Auszubildenden in die Verbundarbeit integriert werden.
- Die Phase für einen ersten Betriebswechsel wurde durch die Betriebe erst ab dem zweiten Ausbildungsjahr geplant. Auf diese Weise kann sich der oder die Auszubildende erst einmal an die Rhythmen der Ausbildung und den Ausbildungsbetrieb gewöhnen.
Gemeinsame Philosophie
Abgesehen von den organisatorischen, finanziellen und verwaltungstechnischen Herausforderungen entscheiden schließlich aber insbesondere auch „softe“ Faktoren über den Erfolg eines Verbundprojekts: nämlich ob die Verbundpartner in Hinsicht auf ihre Bildungsphilosophie, ihr Engagement für die Ausbildung und ihren Einsatz für die jungen Leute auf einen gemeinsamen Nenner kommen können. Anders ausgedrückt: Die besten Absichten nützen nichts, wenn die Einstellung zur Ausbildung eines der teilnehmenden Betriebe konträr zu dem der anderen Verbundpartner ist, also diesbezüglich die „Chemie nicht stimmt“. Daher muss die Formulierung der gemeinsamen Ausbildungsziele und -methoden unbedingt zentraler Teil der Planungen im Vorfeld der Verbundgründung sein.
Links
Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. und Zentrum für Sozialforschung Halle e.V.: Ausbildung im Verbund: Verbundmodelle und Leitfaden zur Umsetzung in der Praxis, https://www.bauernverband-st.de/wp-content/uploads/2022/12/Projekt-Verbundausbildung-gesamt.pdf (Abruf: 10.4.2025)
Bundesministerium für Forschung und Bildung: Gemeinsam mit Partner ausbilden. Vier Modelle der Verbundausbildung, https://www.bmbf.de/SharedDocs/Publikationen/DE/3/31671_Gemeinsam_mit_Partnern_ausbilden.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Abruf: 24.3.2025)
Landwirtschaftskammer NRW: Leitfaden zur Verbundausbildung unter https://www.landwirtschaftskammer.de/bildung/pdf/verbundausbildung.pdf (Abruf: 24.3.2025)