Artikel herunterladen

pdf, 235 KB
Download

„Nachhaltig – digital – chancengerecht. Zukunftsszenarien von Arbeit, Bildung und Beruf“: Unter dieser Überschrift fand Mitte März an der Universität Paderborn die Fachtagung Agrarwirtschaft im Rahmen der Hochschultage Berufliche Bildung statt. Die Veranstaltung zeichnete sich durch einen lebhaften Austausch zwischen Wissenschaft, Bildungspraxis und Branchenvertretenden aus.

Klimawandel, technologische Innovationen und gesellschaftliche Erwartungen an eine nachhaltige Produktion fordern in der Agrarwirtschaft neue Kompetenzen. Dies gilt nicht nur für Betriebe, sondern insbesondere für die berufliche Bildung. Während grüne Berufe bei jungen Menschen attraktiv bleiben, fehlen zunehmend Lehrkräfte an beruflichen Schulen. Vor diesem Hintergrund diskutierten die Teilnehmenden während der Veranstaltung, welche Kompetenzanforderungen künftig zentral sein werden, welche strukturellen Bedingungen notwendig und welche didaktisch-methodischen Konzepte zukunftsorientiert sind.

Betriebliche Erfolgsfaktoren

Gerahmt wurde die Veranstaltung durch vielfältige Fachbeiträge. Der erste Tag der Fachtagung stand im Zeichen wissenschaftlicher Erkenntnisse und praxisnaher Konzepte. Prof. Ing. Dr. Theresa Eichhorn von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik Wien präsentierte Ergebnisse aus ihrer Studie „Lernen von den Besten“, die sie gemeinsam mit Prof. Dr. Leopold Kirner durchführte. Darin wurden Erfolgsfaktoren landwirtschaftlicher Betriebsleiterfamilien in Österreich identifiziert: Neben betrieblichen und strategischen Aspekten wie Kostensenkung und Diversifizierung erwiesen sich insbesondere persönliche und soziale Kompetenzen als zentral. Die Studie betont, dass der Erfolg maßgeblich von den Menschen und ihren Entscheidungen abhängt, und beschreibt Merkmale eines neuen Unternehmertums wie Gestaltungsspielräume, Innovation, Autonomie, Selbstverwirklichung und Netzwerkorientierung. Für die landwirtschaftliche Berufsbildung ergibt sich daraus der Auftrag, Lehr-Lern-Prozesse so zu gestalten, dass sie gezielt zur Entwicklung dieser Kompetenzen und Haltungen bei jungen Landwirtinnen und Landwirten beitragen.

Praxisnahe Lehramtsausbildung

Einen hochschuldidaktischen Ansatz stellte Silas Kubin von der Universität Bonn mit dem Projekt „Lehr-Lern-LoK Agrar“ vor. Angehende Lehrkräfte erhalten durch Arbeitsprozessanalysen konkrete Einblicke in reale betriebliche Abläufe und entwickeln daraus praxisnahe Lernsituationen für den schulischen Kontext. Im Vortrag wurde gezeigt, wie eine stärkere Verzahnung von Theorie und Praxis in der ersten Phase der beruflichen Lehramtsausbildung zu einem tieferen Verständnis der vielfältigen Arbeitsprozesse im Berufsfeld Agrarwirtschaft beitragen kann.

Digitales Bildungsmodell

Einen innovativen Beitrag zur Digitalisierung agrarischer Bildung präsentierte die Berufsbildende Schule Einbeck. Anna-Lena Engelhardt und Dr. Daniel Siebrecht-Schöll stellten die bundesweit erste vollständig digital organisierte iPad-Bundesfachklasse im Bereich Pflanzentechnologie vor. Seit 2013 hat sich dieser Bildungsgang zu einem einzigartigen Modell mit knapp 160 Schülerinnen und Schülern aus rund 60 Ausbildungsbetrieben entwickelt. Die Transformation zur iPad-Schule basiert auf dem SAMR-Modell zur digitalen Integration und eröffnet neue methodisch-didaktische Möglichkeiten – etwa den Einsatz künstlicher Intelligenz oder verbesserte digitale Kommunikationsformen im Unterricht.

Kontinuierliche Weiterqualifizierung

Am zweiten Tag standen der Erfahrungsaustausch und die Entwicklung von Perspektiven für das „Berufsfeld der Zukunft“ im Mittelpunkt. Im Diskussionsforum mit Dr. Antje Eder (Staatliches BSZ Regensburger Land), Franz-Josef Meyer (Gregor Mendel Berufskolleg Paderborn) und Martin Willi (Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs Sargans, Schweiz) wurden zentrale Herausforderungen benannt:

  • die zunehmende Heterogenität der Lernenden,
  • der Bedarf an methodisch-didaktischen Innovationen sowie
  • die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen Berufsverbänden und Bildungseinrichtungen.

Besonders betont wurde die Rolle der Lehrkräfte als zentrale Gestalter des Wandels, die kontinuierlich weiterqualifiziert werden müssen, um den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. Diese Weiterqualifizierung sollte neben fachlicher Expertise gezielt auch zukunftsorientierte überfachliche Kompetenzen fördern, um Individualisierung und Methodenvielfalt in der beruflichen Bildung wirksam voranzubringen.

Didaktische Innovationen fördern

Im anschließenden World-Café diskutierten die Teilnehmenden an zwei Thementischen über die Bedeutung einer engen Verbindung von Theorie und Praxis in der fachdidaktischen Ausbildung sowie über die Kompetenzen, die zukünftige Lehrkräfte mitbringen sollten. Janus Niederlechner (TU München) und Prof. Dr. Alexandra Brutzer (Universität Bonn) setzten sich mit der Frage auseinander, inwiefern eine „Fachdidaktik Agrar“ eher Theorie oder Handwerk ist. Grundlage dafür war der Entwurf eines entsprechenden Modells. Prof. Dr. Roland Stähli von der Berner Fachhochschule diskutierte mit den Teilnehmenden, wie neben fachlichen und methodischen Kompetenzen insbesondere die Fähigkeit, flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren und mit Unsicherheiten umzugehen, an Bedeutung gewinnt.

Die Tagung machte deutlich, dass es bereits vielfältige und vielversprechende Ansätze zur Weiterentwicklung der beruflichen Bildung im Agrarbereich gibt, die es weiterzuentwickeln gilt. Gleichzeitig wurde der Bedarf nach passenden Rahmenbedingungen betont, um didaktische Innovationen zu fördern und die gezielte Kompetenzentwicklung von Lehrkräften zu ermöglichen. Die intensiven Diskussionen und der lebendige Austausch unter den Teilnehmenden unterstrichen das große Potenzial des Berufsfelds Agrarwirtschaft für eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung.

Zusammenarbeit stärken

Das Organisationsteam der Fachtagung aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigte sich zum Abschluss erfreut über den produktiven Austausch. Das länderübergreifende Netzwerk zwischen Berufsbildungsinstitutionen konnte gestärkt werden, und der Wunsch nach intensiverer Zusammenarbeit in Lehre und Forschung stieß auf breite Zustimmung. Entscheidend scheint dabei, dass die zukünftigen Arbeiten auf ein gemeinsames Verständnis von zu fördernden Kompetenzen ausgerichtet sind.

Zudem wurde von mehreren Teilnehmenden mit Nachdruck gefordert, den Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der Berufsbildung künftig noch mehr Gewicht zu verleihen. Ansätze wie Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), neue fachdidaktische Modelle und angepasste Kompetenzbeschreibungen bieten hierfür vielversprechende Entwicklungsimpulse. Im Mittelpunkt aller Überlegungen müsse jedoch nicht die Bildungsinstitution, sondern der Lernerfolg der Auszubildenden stehen – darin waren sich alle einig. Eine nächste Zwischenbilanz bietet sich spätestens in zwei Jahren beim kommenden Hochschultag Berufliche Bildung an.


„Eines der größten bundesweiten Formate“

Die Hochschultage Berufliche Bildung finden seit 1980 alle zwei Jahre an wechselnden Standorten statt: 2023 an der Universität Bamberg, davor in Siegen und Köln. „Mit rund 1.000 Teilnehmenden sind die Hochschultage eines der größten bundesweiten Formate für den Austausch zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik“, erklärte Prof. Dr. Dietmar Heisler, Leiter der AG Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Berufspädagogik der Universität Paderborn und Organisator der HTBB 2025. Der Kongress dient der Vernetzung, dem Austausch sowie dem Forschungs- und Wissenstransfer im Bereich betrieblicher, schulischer und außerschulischer Berufsbildung. Universität Paderborn