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Erfolgreiche Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter sind heutzutage umfassend ausgebildet und verfügen über Erfahrung in ihrem Metier. Viele junge Landwirtinnen und Landwirte kennen zahlreiche Techniken der Informationsakquise. In dieser Hinsicht sind sie älteren Beratungskräften oft einen Schritt voraus. Deshalb muss zunächst geklärt werden, welche Bedürfnisse die landwirtschaftlichen Betriebe heute haben, und welche dieser Bedürfnisse die landwirtschaftliche sozioökonomische Beratung (s. Infokasten) erfüllen muss: Was wird also nachgefragt?

Prozessbegleitung

In der Regel suchen Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter professionelle Prozessbegleitung. Dies geschieht in persönlichen oder betrieblichen Umbruchsituationen, bei Veränderungsprozessen oder wenn neue Strategien für die familiäre oder betriebliche Lebensführung notwendig sind.

Deshalb muss die Beratungskraft zuerst einmal die Aufgabenstellung verstehen, einschließlich der vielleicht noch nicht offenbarten Probleme. Ausgehend von der Tatsache, dass es sich hierbei meist um komplexe Themen handelt, sind folgende vier Kompetenzbereiche besonders wichtig:

  • Kommunikation: Neben Kontakt- und Lebensfreude, Humor in der Gesprächsführung hat vor allem das Zuhören (aufmerksam, geduldig, absichtslos) einen besonderen Stellenwert.
  • Perspektivwechsel: Beratungskräfte sollten nicht nur ihre eigene Sichtweise, sondern auch die der Ratsuchenden einnehmen. Sie müssen die Fragestellung auf einer Metaebene betrachten können, um sie im familiären und unternehmerischen Kontext umfassend zu beleuchten. Gesunder Menschenverstand und Lebenserfahrung sind dabei hilfreich.
  • Selbst-/Persönlichkeitskompetenz: Beraterinnen und Berater stehen vor der ständigen Herausforderung, ihre eigenen Grenzen zu erkennen und anzuerkennen. Nur wer sich seine eigenen „blinden Flecke“ durch Selbstreflexion bewusst macht, wird diese Thematik im Beratungskontext lösungsorientiert bearbeiten können.
  • Sozialkompetenz: Wichtige Fähigkeiten sind Empathie, Leidenschaft für Landwirtinnen und Landwirte im Betrieb und in Familiensystemen sowie die Fähigkeit zur Vernetzung.

Diese methodischen Werkzeuge müssen in der praktischen Situation zum Einsatz kommen. Dies gelingt jedoch nur in Kombination mit einer fachlich fundierten Ausbildung in landwirtschaftlichen Themen. Zur fachlichen Qualifikation sozioökonomischer Beratungskräfte gehören beispielsweise:

  • eine theoretische und praktische Ausbildung im landwirtschaftlichen Betrieb (Berufsausbildung oder mindestens zwölf Monate Praktikum mit Studium) für den gesamtbetrieblichen Blick,
  • Kenntnisse im Sozialrecht,
  • Kenntnisse in der Betriebswirtschaft,
  • Gutachterausbildung.

Nur wer versteht, wie landwirtschaftliche Betriebe und insbesondere Familien in der Unternehmerrolle funktionieren, kann die komplexen Fragestellungen und vor allem die unausgesprochenen Probleme und Fragestellungen erfassen.

Formale Auswahlkriterien

Bezüglich der formalen Kriterien, die für die Auswahl von landwirtschaftlichen Beratungskräften relevant sein sollen, ergab sich in der Arbeitsgruppe ein gemischtes Bild: Die Mehrheit der Mitglieder sprach sich dafür aus, dass ein Studium (Bachelor, Master, Diplom-Ingenieur) erforderlich ist. Im Studium werden Gedächtnisleistung und abstraktes Denkvermögen intensiver trainiert als in anderen Ausbildungsgängen.

Auch eine methodische Qualifikation sollte vorhanden sein oder zusätzlich erworben werden. Die Bildungsangebote hierfür sind allerdings so zahlreich, dass es schwierig wird, den Überblick zu behalten oder die Qualität dieser Angebote einzuschätzen. Die Frage, die sich an dieser Stelle aufdrängt, ist: Was kann jemand wirklich? – und nicht: Was kann jemand nachweisen? Im Prinzip bedarf es bei der Auswahl des Beratungspersonals einer persönlichen Ansprache, denn Landwirtinnen und Landwirte unterscheiden sich in ihrer Vorbildung und Persönlichkeitsstruktur, daher muss auch das Profil der Beratungskräfte variieren.

Nicht zu unterschätzen ist auch, dass Beraterinnen und Berater nicht solitär arbeiten, sondern immer Rückhalt in einem kollegialen Umfeld finden sollten. Denn komplizierte Fragestellungen und Menschen bringen sie schnell an persönliche Grenzen und damit in die Gefahr des Burn-outs. Arbeitgebende und bestehendes Team sollten daher immer gemeinsam ein neues Mitglied auswählen und so den Zusammenhalt untereinander stärken.

Weiterqualifizierung

Aufbauend auf einer landwirtschaftlichen Grundqualifikation (Meister, Bachelor) bilden Weiterbildungen im methodischen Bereich die Grundlage, um in der sozioökonomischen Beratung tätig zu werden und dauerhaft kompetent zu bleiben. Diese Weiterbildungen bauen auf Soft Skills wie soziale Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit auf, die von der angehenden Beratungskraft bereits mitgebracht werden sollten.

Es bieten sich verschiedene Formate an, die entsprechend qualitätsgesichert sind:

Regelmäßige fachliche Fortbildungen ergänzen je nach Schwerpunkt der Tätigkeit die bisherige Ausbildung oder das Studium der Beratungskraft. Innerhalb von fünf Jahren sollten hier 40 Stunden angestrebt werden. Mögliche Fachinhalte sind zum Beispiel:

  • Betriebswirtschaft,
  • Kontextwissen zu rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen,
  • Sozialrecht und Informationen zur sozialen Absicherung.

Supervision (von außen) und kollegiales Coaching helfen Beratungskräften, ihre Beratungsqualität stetig zu verbessern. Beide Maßnahmen fördern die persönliche Entwicklung, sodass Beraterinnen und Berater kritische Situationen professionell bewältigen können. Sie unterstützen dabei, Erlebtes zu verarbeiten und persönliche Fähigkeiten gezielt zu reflektieren und zu verbessern. Aus den genannten Gründen sollten Supervision und/oder kollegiales Coaching in regelmäßigen Abständen eingeplant und durchgeführt werden.

Auch die Vernetzung über das eigene Einsatzgebiet hinaus gilt als Voraussetzung, um langfristig im regionalen und überregionalen Kontext neues Wissen zu schaffen. So lassen sich passende Ansprechpersonen und Informationen finden, die sowohl für die eigene Arbeit als auch für die Begleitung der Klienten wichtig sind.


Sozioökonomische Beratung

Sorgen um den Betrieb, zu viel Bürokratie, Konflikte in der Familie – auf vielen landwirtschaftlichen Betrieben ist die Situation extrem angespannt. Irgendwann wird es einfach zu viel, um die Belastungen allein zu bewältigen. Genau hier setzt die sozioökonomische Beratung an. Sie unterstützt landwirtschaftliche Familien, die sich in einer besonders schwierigen betrieblichen und finanziellen Situation befinden. Gemeinsam mit der Familie erarbeiten die Beratungskräfte auf der Basis einer Unternehmens- und Familienanalyse nachhaltige Lösungen zur Einkommens- und Vermögenssicherung.

Die Träger der sozioökonomischen Beratung gewährleisten eine unabhängige Beratung, die frei von wirtschaftlichen Interessen Dritter ist. Die sozioökonomische Beratung verfolgt das Ziel, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Familie nachhaltig zu lösen und setzt hierfür ihre besonderen Kompetenzen ein. Die Entscheidung und Verantwortung für eine Lösung liegen bei der betroffenen Familie.

Die sozioökonomische Beratungskraft begleitet dabei unter anderem zu folgenden Fragestellungen:

  • Einkommens- und Vermögenssicherung,
  • Zukunftsfragen (Entwicklung, Hofübergabe, Ausstieg),
  • Gestaltung des individuellen Umfelds (betrieblich und sozial),
  • Vorsorge und Risikoabsicherung,
  • Altersvorsorge,
  • Herausforderungen des Zusammenspiels des sozialen Systems Betrieb und Familie,
  • nachhaltige soziale und ökonomische Entwicklung des Betriebs,
  • Krisensituationen,
  • Zielentwicklung.

Die Beratungskraft stärkt die Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit der Landwirtinnen und Landwirte, gibt Impulse für Entwicklungen und begleitet Prozesse. Zudem stärkt sie Beziehungen und klärt Themen, Inhalte, Fragen, Emotionen und Interessen. Betrieb und Familie werden ganzheitlich betrachtet. Die Beratung erfolgt nur auf Nachfrage.