
Bei der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro wurde der Begriff “Bildung für nachhaltige Entwicklung” (BNE) geprägt. Dabei kommt der Bildung die Schlüsselaufgabe zu, die nachhaltige Entwicklung zu fördern und Menschen weltweit dazu zu befähigen, verantwortungsbewusst und eigenverantwortlich die zunehmend komplexe und global vernetzte Welt gemäß dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung mitzugestalten (KMK 2024, S. 3). Dank ihrer engen Verbindung zu Arbeitswelt und Wirtschaft hat die Berufsbildung ein großes Potenzial, zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Durch die Sensibilisierung junger Menschen für nachhaltige Entwicklung und die Förderung ihrer entsprechenden Handlungskompetenzen werden zukünftige Fachkräfte ausgebildet, die in der Lage sind, sowohl beruflich als auch privat nachhaltig zu denken und zu handeln und nachhaltige Praktiken in ihren Betrieben zu verankern.
Nachhaltigkeitsbezogene Kompetenzen
Mit dem Ziel, Nachhaltigkeit langfristig und berufsübergreifend in der deutschen Berufsbildung zu verankern, wurde die Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ formuliert. Diese kompetenzbezogenen Mindestanforderungen sind für alle ab dem 1. August 2021 in Kraft tretenden, modernisierten und neu entwickelten anerkannten Ausbildungsberufe verbindlich und werden in den Ausbildungsordnungen als Kompetenzziele integriert. Die Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ersetzt die frühere Position „Umweltschutz“ und erweitert ökologische Ziele um das ganzheitliche Konzept der Nachhaltigkeit, das auch die Dimensionen Ökonomie und Soziales einbezieht.
Die Kompetenzen, die in den Standardberufsbildpositionen formuliert sind, sind berufsübergreifend und sollen über die gesamte Ausbildungszeit hinweg integrativ vermittelt werden (BIBB 2021, S. 5). Dies stellt eine herausfordernde Aufgabe für das Berufsbildungspersonal dar, da es die berufsbezogene Interpretation sowie die methodisch-didaktische Planung und Umsetzung der formulierten Lernziele in der betrieblichen Ausbildung übernehmen muss. Hier setzt das Projekt NAWiGaLa („Qualifizierung für Nachhaltiges Ausbilden und Wirtschaften im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau“) an, das im Rahmen des Programms „Nachhaltig im Beruf – zukunftsorientiert ausbilden (NIB)“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) der Europäischen Union gefördert wird.
Das Projekt NAWiGaLa wird in Kooperation zwischen der Abteilung Berufs- und Wirtschaftspädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Osnabrück unter der Leitung von Prof. Dr. Dietmar Frommberger und der Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur der Hochschule Osnabrück unter der Leitung von Prof. Martin Thieme-Hack durchgeführt. Diese Zusammenarbeit ermöglicht es, die Qualifizierungsangebote im Rahmen von NAWiGaLa sowohl fach- und praxisgerecht als auch berufspädagogisch fundiert zu konzipieren und umzusetzen.
Potenzial der Grünen Berufe
Grüne Berufsfelder wie der Garten- und Landschaftsbau sind aufgrund ihres engen Bezugs zur Natur prädestiniert, eine aktive Rolle bei der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft zu übernehmen. Zu den zahlreichen Möglichkeiten, mit denen der GaLaBau zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt, zählen begrünte Dächer und Fassaden, Regenwassermanagement sowie die Förderung der Biodiversität. Mit Wildblumenwiesen, heimischen Gehölzen und Nisthilfen werden wertvolle Lebensräume geschaffen, die dem Artenverlust entgegenwirken und das ökologische Gleichgewicht stärken. Gleichzeitig übernimmt die Branche in der Kreislaufwirtschaft eine Vorreiterrolle, etwa durch die Wiederverwendung von Natursteinen unterschiedlicher Größe oder den Einsatz recycelter Schüttgüter. Durch die Gestaltung öffentlichen Grüns und urbaner Begegnungsräume entstehen zudem Orte, die auch den sozialen Zusammenhalt und die Lebensqualität steigern. Dies sind nur einige Beispiele für das Potenzial der Branche, das in vielen weiteren Bereichen zur nachhaltigen Entwicklung genutzt werden kann.
Qualifizierungskonzept

Im Projekt NAWiGaLa wurden in engem Austausch mit den strategischen Partnern, zu denen die wichtigsten Akteure der grünen Aus- und Weiterbildung sowie Regelwerksgeber und Branchenverbände gehören, relevante Kompetenzen und Themen identifiziert und für Ausbildende und Unternehmen bedarfsgerecht aufbereitet. Inhaltlich orientieren sich die Module am Ausbildungsrahmenplan sowie an den in der Branche bekannten Standardwerken. Didaktisch sowie methodisch aufbereitete Lehr-/Lernmaterialien werden auf einer digitalen Plattform zur Verfügung gestellt, sodass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im eigenen Tempo lernen können.
Berufsspezifische Handlungsfelder mit hohen Überschneidungen zu Aspekten nachhaltigen Wirtschaftens sind etwa die Nutzung von Stoffen, Bauteilen und Pflanzen regionaler Herkunft, der Verzicht auf Tropenholz, insektenfreundliches und diversitätsbewusstes Gestalten, die Dach- oder Fassadenbegrünung oder der verantwortungs- und fachgerechte Umgang mit Oberboden.
Die Inhalte werden im Rahmen eines modularen Qualifizierungskonzepts vermittelt, das mit einer verpflichtenden Einführungsveranstaltung in Präsenz beginnt. Das Einführungsmodul „Grundlagen einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung im GaLaBau“ wurde bereits im Dezember 2024 in Osnabrück sowie im Januar 2025 in Landshut mit insgesamt 62 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Darauf aufbauend können weitere Module – ähnlich einem Baukastenprinzip – hinzugebucht werden.
Diese Wahlmodule haben einen zeitlichen Umfang von etwa vier Stunden und finden in einem Online-Format mit asynchronen und synchronen Phasen statt. In der ersten Phase (asynchron) können die auf der Lernplattform bereitgestellten Inhalte selbstständig bearbeitet werden. Auf dieser Grundlage baut die zweite Phase, ein synchrones Webinar, auf. Anschließend haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, die bis dahin erarbeiteten Inhalte und Anregungen im Praxisalltag einzusetzen. Die hierbei gesammelten Erfahrungen werden dann in einem abschließenden Reflexionstermin gemeinsam besprochen.

Auf Inhaltsebene hat die Qualifizierung nicht die rein technisch-fachliche Qualifizierung im Blick, sondern setzt auf der Ebene der didaktischen Vermittlung der fachspezifischen Ausbildungsinhalte an: Der Fokus liegt dabei auf der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE). Angeboten werden drei Wahlmodule mit berufspädagogischem Schwerpunkt (Nachhaltigkeitsbezogene Berufsausbildung vorbereiten und planen, gestalten und überprüfen) sowie fünf Wahlmodule mit fachlichem Schwerpunkt (Organisation von Baustelle und Betrieb, Wegebau und Baukonstruktion, Grünflächenpflege, Instandhaltung, Ressourcenschutz Boden – Wasser sowie Begrünung in Stadt und Landschaft) (siehe Abbildung).
Als zusätzliches Angebot soll aus dem NAWiGaLa-Vorhaben heraus eine dreitägige Qualifizierung konzipiert werden, die als Bildungsurlaub nach dem Bildungsurlaubsgesetz in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen (und gegebenenfalls anderen Bundesländern) Anerkennung finden soll. Auf Ebene der non-formalen beruflichen Weiterbildung wird ein dauerhaftes Seminarprogramm geschaffen, das nach dem Beispiel der in der Branche bereits etablierten WdA-Seminare (Weiterbildung der Ausbilder) konzipiert ist. Damit soll eine Verstetigung und dauerhafte Verbreitung innerhalb der Branche sichergestellt werden.
Praxistransfer verstärken
Die Qualität und Wirksamkeit eines Weiterbildungsangebots lassen sich maßgeblich durch die Perspektiven der Teilnehmenden bewerten. Im Rahmen von NAWiGaLa wurde für die bereits stattgefundenen Einführungsmodule in Präsenz ein standardisierter Evaluationsbogen eingesetzt, der sowohl geschlossene als auch offene Fragen enthält. Die Ergebnisse einer solchen Evaluation bieten wertvolle Einblicke in die Relevanz, die methodisch-didaktische Gestaltung und die Praxisnähe der Weiterbildung. Insgesamt zeigte die Evaluation eine sehr positive Wahrnehmung der Weiterbildung durch die Teilnehmenden.
Besonders geschätzt wurden die Praxisnähe, die interaktiven Elemente und die hohe Bedeutung des Themas für die berufliche Tätigkeit. Gleichzeitig geben die Rückmeldungen wichtige Hinweise zur Optimierung, insbesondere in Bezug auf eine noch stärkere Verknüpfung mit konkreten betrieblichen Herausforderungen und die Ausweitung des praxisbezogenen Anteils. Diese Erkenntnisse bieten eine fundierte Grundlage für die Weiterentwicklung des Qualifizierungsangebots, das zukünftig verstärkt darauf ausgerichtet werden soll, den Transfer in die betriebliche Praxis noch gezielter zu unterstützen.
Literatur
Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) (2021): Vier sind die Zukunft: Digitalisierung. Nachhaltigkeit. Recht. Sicherheit. Die modernisierten Standardberufsbildpositionen anerkannter Ausbildungsberufe. Verlag Barbara Budrich.
Kultusministerkonferenz (KMK) (2024): Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Schule. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 13.6.2024. URL: https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2024/2024_06_13-BNE-Empfehlung.pdf.
