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Ressourcensparendes Leben, Lernen und Lehren ist keine Erfindung der heutigen Gesellschaft. Schon die (Ur-)Großeltern und Eltern mussten aufgrund einfacher Lebensverhältnisse nachhaltig handeln. Kleidung und Spielzeug wurden repariert und den nachfolgend geborenen Kindern weitergegeben. Reichhaltige Ernteerträge an Obst und Gemüse wurden für den Herbst und Winter konserviert. Heimtextilien wurden geflickt oder anderweitig genutzt. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem zweiten Weltkrieg gingen viele dieser Ideen verloren oder wurden gar belächelt.

Heute gewinnt nachhaltiges Handeln wieder an Bedeutung. Auch in der beruflichen Ausbildung hat mit der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ der ressourcenschonende Umgang an Bedeutung zugenommen. Danach sollen Ausbilderinnen und Ausbilder beispielsweise ihre Auszubildenden dazu ermutigen, Vorgehensweisen zu hinterfragen, nachhaltige Alternativen zu entwickeln und umzusetzen. 

Nachhaltiges Handeln

In der Berufsschule Auerbach in Trägerschaft des Bildungswerks der Sächsischen Wirtschaft gGmbH (kurz: bsw) werden seit 2023 Weiterbildungsinteressierte für den hauswirtschaftlichen Bereich qualifiziert und seit 2024 junge Menschen zum Hauswirtschafter und zur Hauswirtschafterin ausgebildet. Der hauswirtschaftliche Beruf erhält in der modernen Gesellschaft eine wachsende Bedeutung. Gastronomische und Pflegeeinrichtungen schätzen Hauswirtschafter und Hauswirtschafterinnen als wertvolle Fachkräfte, die in verschiedenen Bereichen der Haushaltsführung und -organisation eingesetzt werden können und auch maßgeblich zur Lebensqualität in Privathaushalten, verschiedenen Betreuungseinrichtungen oder Krankenhäusern beitragen können.

An der Vogtländischen Berufsschule für Hauswirtschaft legten die Ausbildenden und Lehrkräfte von Beginn an den Fokus auf ein nachhaltiges Denken und Handeln und setzen diese Ziele auch praktisch um. Zur Schule gehören beispielsweise ein Gewächshaus und ein Garten mit Beeten, die ab Frühjahr bestellt werden. Mit der Ernte können Speisen gekocht und verfeinert werden. Ein Kräutergarten liefert die Rohstoffe, um Tee- und Kräutermischungen zu fertigen – alles ohne chemische Düngung. Aus Stoffresten und anderem ausrangiertem Nähzubehör wurden Beschäftigungskissen (Nestelkissen) für Pflegeeinrichtungen gefertigt. Die Kissen mit den unterschiedlichen Nestelelementen bieten Beschäftigung für die Hände der (demenzerkrankten) Bewohnerinnen und Bewohner und trainieren die motorischen und haptischen Fähigkeiten.

Projekt HAND

Parallel dazu wird an der Berufsschule am Projekt “HAND: Hauswirtschaftliche Ausbildung nachhaltig denken” gearbeitet, das im Rahmen des Programms “Nachhaltig im Beruf – zukunftsorientiert ausbilden” durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert wird. Das Projekt HAND richtet sich an hauswirtschaftliches Ausbildungspersonal in Gastronomie- und Pflegeeinrichtungen und zielt darauf, gemeinsam herauszufinden, wie nachhaltige Ausbildungsinhalte sinnvoll in den Ausbildungsablauf integriert werden können. Alle fünf Projektmitarbeiterinnen kommen ursprünglich aus der Pflege und wissen, dass Nachhaltigkeitsaspekte insbesondere im Pflegealltag aufgrund von Zeitengpässen häufig zu kurz kommen. Dennoch oder gerade deshalb sprühen die jungen Frauen vor Ideen, um die Arbeit in Pflege oder Gastronomie mit ganz einfachen Dingen nachhaltig(er) zu gestalten. Dazu gehören Kräutertöpfe auf der Fensterbank, der Einsatz von natürlichen Rohstoffen zur Reinigung oder die Nutzung von ausrangierten Textilien für andere Zwecke.

Um die vielen Ideen auch nachhaltig in der Ausbildungspraxis umsetzen zu können, müssen insbesondere Ausbilderinnen und Ausbilder in den Betrieben angesprochen werden. Der Arbeitsalltag von Ausbildungsverantwortlichen ist jedoch (branchenübergreifend) mehr als voll. Nachhaltigkeit in die Ausbildung zu integrieren, sollte dennoch für sie kein Mehraufwand sein – sondern im Sinne der Gesellschaft und der nachkommenden Generationen eine Erleichterung und ein Gewinn. Die Gründe dafür liegen auf der Hand:

  • Azubis, die nachhaltiges Denken und Handeln lernen, sind für die Zukunft bestens gerüstet.
  • Nachhaltiges Wirtschaften und effiziente Prozessgestaltung verringern Kosten und sparen langfristig Geld.
  • Nachhaltigkeit wird für viele Fachkräfte immer wichtiger und gibt modernen Ausbildungsbetrieben ein positives Image.

Diese und weitere Beweggründe sollten Ansporn für hauswirtschaftliches Ausbildungspersonal sein, gemeinsam mit Gleichgesinnten zu lernen, statt allein zu kämpfen. Die Aktivitäten im Projekt HAND bieten Unterstützung und Austausch in Netzwerken. Das Projektteam steht noch am Anfang, aber Inputs aus der Praxis sind entscheidend für den Erfolg dieses Projekts. So sind neben dem hauswirtschaftlichen Ausbildungspersonal auch Praxisanleiterinnen und -anleiter aus Pflegeeinrichtungen wichtige Ansprechpersonen für das Projektteam. Zahlreiche Maßnahmen konnten bereits umgesetzt werden, um die Basis für eine nachhaltige Ausbildung zu legen:

  • Umfragen zur Nachhaltigkeit: Es wurden Gespräche mit dem Ausbildungspersonal in Betrieben geführt, um ihre Wünsche und Herausforderungen aufzunehmen und besser zu verstehen. Einige Betriebe setzen bereits nachhaltige Konzepte um, wie Mülltrennung in Kindertagesstätten, Wassersparmaßnahmen und Gärten zur Selbstversorgung. Diese Maßnahmen sind jedoch oft punktuell. In Pflegeeinrichtungen zeigt sich Nachhaltigkeit vor allem in der Küche durch bewussten Lebensmitteleinsatz und Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Es besteht Motivation zur Weiterentwicklung, aber es wird praxisnahe Unterstützung gewünscht. Einige Betriebe setzen aktiv nachhaltige Maßnahmen um, während andere aufgrund von Personalmangel, wirtschaftlichen Zwängen oder organisatorischen Strukturen Schwierigkeiten haben. Diese Betriebe äußern Bedenken hinsichtlich zusätzlicher Belastungen und benötigter Ressourcen. Die Befragungen zeigen ein heterogenes Bild. Weitere Befragungen sind geplant, um ein detaillierteres Bild der Bedürfnisse und Möglichkeiten zu erhalten.
  • Netzwerktreffen: Betriebe, Ausbildende und Fachleute tauschen sich aus und sammeln Ideen und Impulse. Bei der Auftaktveranstaltung im August 2024 deckten die Schülerinnen und Schüler in Form von Sketchen kleine Veränderungsansätze im Alltag auf, die von großer nachhaltiger Wirkung sind.
  • Pilot-Workshops für Ausbildende und Azubis: Erste Schulungen befassten sich mit den Themen Ressourcenmanagement, Abfallvermeidung und nachhaltiger Einkauf. Praxisnahe Simulationen und Gruppenaufgaben zur Optimierung des Ressourcenverbrauchs, Analyse von realen Beispielen und Rollenspiele zur Reflexion von Einkaufsentscheidungen ergänzten Einführungen mit theoretischem Input sowie den Austausch von Erfahrungen und Herausforderungen im Berufsalltag. Diese Workshops dienten der Wissensvermittlung und Sensibilisierung für nachhaltiges Handeln im beruflichen Alltag und boten eine Plattform für den Austausch zwischen Ausbildenden und Azubis, um praxisnahe Lösungen zu entwickeln.
  • Spielerische Wissensvermittlung: Der Escape-Room wurde zum innovativen Lernort für die Berufsschülerinnen und Berufsschüler. Die richtigen Lösungen zu Aufgaben im ressourcenschonenden Umgang führten durch alle Lehrkabinette und schließlich zu dem Gewinn, der Kiste mit gesunden Snacks.

Darüber hinaus arbeitet das Projektteam an weiteren Angeboten, zum Beispiel an Infomaterialien und Checklisten, die allen Unternehmen kostenlos zur Verfügung stehen, und an einer Online-Plattform mit zahlreichen Lernnuggets zu nützlichen Inhalten und mit Ideen zum Nachmachen. Das erste Lernnugget ist bereits online gegangen: Hier wird kurz und kompakt vorgestellt, wie aus alten Handtüchern ein Kleiderschutz für Pflegebedürftige gefertigt werden kann. 

Erfolgsgeschichten

Nachhaltige Ausbildung steckt in vielen Betrieben noch in den Kinderschuhen. Doch einige Einrichtungen und Unternehmen haben bereits erste Schritte gewagt – und zeigen, dass es funktioniert. So testet ein mittelständisches Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, spezialisiert auf Metallverarbeitung, ein neues Abfallkonzept. Ein Familienbetrieb in Bayern, der seit 1985 in der Lebensmittelproduktion tätig ist, hat begonnen, gemeinsam mit seinen Auszubildenden ein einfaches Mülltrennungssystem zu entwickeln. Das Ergebnis: weniger Abfall, bewussteres Handeln und neue Ideen für den Betrieb. 

Ein Familienbetrieb mit Sitz in Bayern und seit 1950 in dritter Generation geführt arbeitet daran, nachhaltige Ausbildungsinhalte wie umweltfreundliche Produktionsmethoden, Ressourcenschonung und soziale Verantwortung zu entwickeln. Die ersten Rückmeldungen zeigen: Azubis schätzen den Fokus auf Nachhaltigkeit. Das macht den Betrieb attraktiver für Bewerberinnen und Bewerber.

Erfolgsgeschichten wie diese möchte das Projektteam gemeinsam mit hauswirtschaftlichen Ausbildungs-verantwortlichen fortschreiben. Das Ziel: gemeinsam Lösungsansätze entwickeln, die zum Betrieb passen, und messbare Erfolge in Sachen Nachhaltigkeit erzielen.