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Die meisten Ausbildungsabbrüche haben eine längere Vorgeschichte. Wenn es gelingt, die Warnzeichen rechtzeitig zu erkennen, ergibt sich wertvoller Handlungsspielraum für den Ausbildungsbetrieb, um die Auszubildenden von der Fortsetzung ihrer Ausbildung zu überzeugen.

Dies ist umso wichtiger, da Auszubildende ihren Unmut, ihren Frust oder ihre Sorgen selten in einem persönlichen Gespräch direkt ansprechen. Tatsächlich setzt oft eine Abwärtsspirale ein, bei der sich die Situation verschlimmert, bis die Auszubildenden die Notbremse ziehen und die Ausbildungszeit unplanmäßig beenden.

Warnsignale

Drohende Ausbildungsabbrüche vonseiten der Auszubildenden kündigen sich meist durch deutliche Vorzeichen an:

  • Unentschuldigte Fehlzeiten häufen sich.
  • Auszubildende sind häufiger krank.
  • Auszubildende arbeiten deutlich langsamer als bisher.
  • Es schleichen sich zunehmend Fehler und Versäumnisse ein.
  • Auszubildende wirken lustlos und weniger engagiert.
  • Auf Kritik wird zunehmend gereizt reagiert.
  • Es besteht kaum mehr Interesse an betrieblichen oder außerbetrieblichen Aktivitäten.
  • Der persönliche Austausch im Team versiegt.

Wenn sich solche Anzeichen häufen, stimmt etwas nicht im Binnenverhältnis zwischen Auszubildenden und Ausbildungsbetrieb. Aufmerksame Beobachtung und echte Anteilnahme an der Person der Auszubildenden erleichtern es den Ausbildungsverantwortlichen, den akuten Handlungsbedarf zu erkennen und frühzeitig Einfluss zu nehmen.

Private Lebenssituation

Häufig liegt das veränderte Verhalten der Auszubildenden in einer persönlichen Situation begründet, die zwar nichts mit dem Ausbildungsbetrieb zu tun hat, aber dennoch die Leistung negativ beeinflusst. Um die jeweilige Situation nachvollziehen zu können, sollten Ausbildungsverantwortliche das persönliche Gespräch mit den Auszubildenden suchen. Die folgenden Leitfragen können hier eine Grundorientierung geben, um der Ursache auf die Spur zu kommen.

  • Zweifeln die Auszubildenden an der Wahl des Ausbildungsberufes (Tätigkeit als solche, Zukunftsfähigkeit, Verdienst)?
  • Leiden die Auszubildenden unter körperlichen Beschwerden (Erschöpfung, Rückenschmerzen, Allergien)?
  • Gibt es private Beziehungsprobleme (Konflikte im Freundeskreis, Liebeskummer)?
  • Sind familiäre Sorgen vorhanden (Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Todesfall)?
  • Haben die Auszubildenden Anpassungsschwierigkeiten im Ausbildungsalltag (Frauen in Männerberufen, Männer in Frauenberufen, neu hinzugezogen, kultureller Hintergrund, Sprache)?
  • Sind die Auszubildenden mit ihrer neuen Lebenssituation überfordert (Neuorganisation des Tagesablaufs, eigener Haushalt, finanzielle Fragen)?

In einem vertrauensvollen Gespräch mit den Auszubildenden treten dann ein Aspekt oder sogar mehrere Probleme zutage. Vor diesem Hintergrund lassen sich gemeinsam mit den Auszubildenden Lösungen entwickeln. In Tabelle 1 werden beispielhafte azubigerechte Gegenmaßnahmen vorgestellt, mit denen Auszubildende in ihrer aktuellen Lebenssituation unterstützt werden können.

Betriebliche Faktoren

Wenn Auszubildende ihr Auftreten und Verhalten ändern, können auch betriebliche Aspekte dahinterstecken. Dies umfasst den Umgang mit Kolleginnen und Kollegen und den aktuellen Ausbildungsverlauf. Bei diesen heiklen Themen ist nicht zu erwarten, dass Auszubildende in einem persönlichen Gespräch ehrliche Antworten geben. Zielführender ist es, mögliche Schwachstellen des Ausbildungsbetriebs durch eigene Beobachtung zu identifizieren. Ansatzpunkte hierzu können die folgenden Leitfragen sein:

  • Ist es möglich, dass Auszubildende sich bei manchen Aufgaben überfordert sehen?
  • Ist der Anteil an monotonen Aufgaben zu groß, sodass Auszubildende sich unterfordert fühlen?
  • Wirkt die Betriebsausstattung in den Augen der Auszubildenden womöglich veraltet und nicht auf der Höhe der technischen Entwicklung?
  • Haben die Auszubildenden Zweifel an der Zukunftssicherheit des Ausbildungsbetriebs?
  • Gibt es Anzeichen dafür, dass Auszubildende ausgegrenzt werden?
  • Ist es möglich, dass Auszubildende sich bei der Bewertung ihrer Leistung oder ihres Auftretens im Vergleich zu anderen ungerecht behandelt fühlen?
  • Gibt es bestimmte Personen im Ausbildungsalltag, mit denen die Azubis nicht klarkommen?

Die folgenden ausbildungsrelevanten Themen sollten Ausbildungsverantwortliche ungefragt bei Feedbackgesprächen ansprechen, da hier wichtige Informationen zu erwarten sind:

  • Stufen die Auszubildenden die aktuelle Betreuung vonseiten des Ausbildungsbetriebs womöglich als nicht ausreichend ein?
  • Benötigen die Auszubildenden zusätzliche Unterstützung in fachlichen Bereichen?
  • Fühlen sich die Auszubildenden nicht ausreichend über die Zeit nach der Ausbildung informiert (Weiterbeschäftigung als Fachkraft, Arbeitsgebiete, Verdienstmöglichkeiten)?

Wenn die Ursache für das veränderte Verhalten der Auszubildenden geklärt ist, können Ausbildungsverantwortliche passende Gegenmaßnahmen entwickeln (siehe Tabelle 2).

Wohlfühlprogramm

Auszubildende fühlen sich dann im Ausbildungsbetrieb wohl, wenn sie nicht auf ihre Funktion als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin reduziert werden, sondern sich als Person anerkannt und wertgeschätzt fühlen und eine wohlwollende Förderung erleben. Dies lässt sich durch folgende Maßnahmen vermitteln:

  • persönliches Interesse an den Lebenswelten, Werten und Ansichten der Auszubildenden zeigen;
  • Auszubildende mitgestalten lassen und um ihre Meinung bitten;
  • gute Leistung nicht als selbstverständlich hinnehmen, sondern wertschätzend und zeitnah loben;
  • Raum für Erfolgserlebnisse schaffen;
  • Teamrituale installieren und mit Leben füllen.

Dieses Wohlfühlprogramm kann zusätzlich dazu beitragen, dass Auszubildende sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren und dem Ausbildungsbetrieb gewogen bleiben. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung geschaffen, um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden.