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Eine strategische Unternehmens- und eine professionelle Innovationsberatung sind Basis für die systemische Beratung
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Im Rahmen einer strategischen Unternehmensberatung stehen der Klient oder die Zielgruppe und deren Bedürfnisse im Mittelpunkt. Ziel der Beratung ist es, bei den Klienten die Fähigkeit zur Problemlösung zu erhöhen und sie zu motivieren, Entscheidungen zu treffen.

Für Beratungskräfte ist es erforderlich, klientenzentriert Gespräche führen zu können. Um in der Einzel- wie auch in der Gruppenberatung arbeiten zu können, bedarf es methodischer Fähigkeiten gepaart mit ökonomischer und fachlicher Expertise.

Der/dem strategischen Unternehmensberaterin/Unternehmensberater ist bewusst, welches fachlich-ökonomische und methodische Handwerkszeug benötigt wird, um dieser anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu werden. Es müssen grundlegende Ziele und Motive der Klienten ermittelt, die sozialen Aspekte erfasst und die gesellschaftlichen Anforderungen passend berücksichtigt werden, um daraus das Potenzial eines landwirtschaftlichen Betriebes zu analysieren und die richtigen Handlungsalternativen und -strategien zu entwickeln. Dieser systemische Ansatz in der Beratung (Prozessberatung) hat in den vergangenen zehn Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen.

Im Sinne der sozioökonomischen und gesellschaftlichen Anforderungen ist ein enger Austausch zwischen der klassischen Fach- beziehungsweise Expertenberatung (Spezialberatung) und der Prozessberatung notwendig, beide Beratungsansätze ergänzen sich.

Die drei Säulen der Beratung

Am Beispiel der bayrischen staatlichen Landwirtschaftsberatung lassen sich drei, zum Teil neu angepasste Auftragsschwerpunkte für eine Offizialberatung definieren:

  • Beratung zur Unternehmensentwicklung (Merkmal: sozio-ökonomische Einzelberatung unter Beachtung der gesamtbetrieblichen Situation und der Gemeinwohlaspekte als Rahmendaten),
  • Innovationsberatung (Merkmal: Partizipative Innovationsentwicklung durch Interaktion und Vernetzung),
  • Beratungsmanagement (Merkmal: Beratungskoordinierung).

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Unternehmensentwicklung

Auftrag und Inhalt einer strategischen Unternehmensberatung sind sozioökonomische Fragestellungen und die dazu gemeinsam gefundenen Antworten, die den Betriebsleitenden und der Betriebsleiterfamilie helfen, ihren Betrieb strategisch, somit zukunftsfähig aufzustellen. Dabei sollen die unternehmens- und familienindividuellen wie auch regionalen Entwicklungspotenziale herausgearbeitet werden. Die gesellschaftlichen Ansprüche, die an die Landwirtschaft gestellt werden, nimmt die Beratung ebenfalls auf und versucht, dies in den Beratungsergebnissen zu berücksichtigen. Die gängigen Schlagworte sind derzeit: Nachhaltigkeit, Biodiversität, Tierwohl, Gewässer- und Bodenschutz sowie Klima. Diese Themenbereiche haben in den letzten Jahren stark an Bedeutung zugenommen und werden künftig noch stärker Beachtung finden. Besonders deutlich wurde das in dem bayrischen Volksbegehren "Rettet die Bienen" und den daraus resultierenden Ergebnissen.

Eine strategische Unternehmensberatung muss zukunftsorientiert ausgerichtet werden. So bietet sich ein Fitness-Check an, der zum Beispiel in Bayern ab 2020 online angeboten wird und als Einstieg in die strategische Unternehmensberatung dienen soll (s. Abbildung 1). Der Fitness-Check kann von jedem einzelnen Familienmitglied genutzt werden, um die betriebliche und familiären Situation zu reflektieren. Beratenden kann er grundsätzlich als Einstieg in eine strategische Beratung dienen.

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Komplementärberatung

Die strategische Beratung ist eine Form der systemischen Beratung, auch Prozessberatung genannt. Hier geht es primär nicht um fachliche Implementierungen, sondern darum, Antworten für den Betrieb und die Betriebsleiterfamilie zu finden. Diesen Prozess begleitet der Berater/die Beraterin in erster Linie durch methodische Kompetenz und hilft dem/der zu Beratenden oder der betroffenen Familie, selbst die Problemlage zu erkennen und eigenständig für sich passende Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Es sind vor allem methodische Kompetenzen der Beratungskraft gefragt. Die Erfahrung zeigt, dass diese Vorgehensweise in der Regel nachhaltiger in der Umsetzung wirkt als vom Beratenden verordnete (Patent-)Rezepte.

Das heißt nicht zwingend, dass der Beratende sich nicht auch fachlich als Experte einbringen darf. Im Gegenteil: Der Landwirt/die Landwirtin ist oft für die Expertise dankbar, die sich aus der fachlichen Qualifizierung und dem breiten Erfahrungsschatz ergibt. Der Beratende bringt daraus resultierend aktiv Lösungsvorschläge mit ein. Es findet klassischer Wissenstransfer statt.

Allerdings besteht – vor allem bei komplexen Fragestellungen – die Gefahr, dass die Lösung an sich logisch sein kann, aber nicht ausreichend an den Klienten und an die spezielle Situation vor Ort angepasst ist. Dies trifft umso mehr zu, wenn mehr sozial-familiäre Komponenten und/oder gesellschaftliche Anforderungen berücksichtigt werden müssen.

Expertenberatung findet am ehesten bei (produktions-)technischen Fragen Anwendung, Prozessberatung bei komplexen, oft familiär und gesellschaftlich geprägten Fragestellungen.

So ergibt sich in der strategischen Unternehmensberatung eine Mischung aus Experten- und Prozessberatung. Je nach Ausgangssituation bietet sich folglich oft eine Verknüpfung aus beiden mit jeweils unterschiedlichen Intensitäten an. Auf diese Weise werden die wichtigsten Elemente der beiden Beratungsformen verbunden. Einerseits wird Expertenwissen eingebracht, andererseits kann der Klient mit Unterstützung durch den Beratenden eigenständig seine Probleme und Fragen identifizieren und Lösungsansätze für sich entwickeln. Die sogenannte Komplementärberatung (s. Abbildung 2) kann von einem Einzelberatenden in dieser Form wahrgenommen werden oder im Verbund verschiedener Beratungskräfte, die sich ergänzend als Experten oder als Begleitende und Unterstützende einbringen. Diese Form der Beratung ist nicht selbstverständlich. Sie setzt sich über Paradigmen und Modelle der einzelnen Beratungsformen hinweg. Die Erfahrung der bayrischen staatlichen Landwirtschaftsberatung zeigt aber, dass dies der künftige Weg der strategischen Beratung ist. Die Komplementärberatung wird je nach Ausgangssituation von einem einzelnen Beratenden oder im Verbund erledigt.

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Innovationsberatung

Innovationen ermöglichen und fördern wird künftig eine verstärkte Aufgabe der Beratungskräfte sein. Sie wirken als Multiplikatoren und Auffangbecken von relevanten Fragen zwischen denen, die in der Praxis tätig sind, und denen, die Wissen generieren. Zu einer erfolgreichen Innovation gehört eine gute Idee und deren nachhaltige Verbreitung in der Praxis, so Inge van Oost, EU-Kommission. Die Aufgabe, neues Wissen zu generieren und Innovation zu entwickeln, wird traditionell Landesanstalten und Universitäten wie auch bestimmten Wirtschaftsbereichen zugeschrieben (top down). Viele Innovationen wie auch innovative Ideen kommen aber auch aus der land- und forstwirtschaftlichen Praxis inklusive den Bereichen Hauswirtschaft und Ernährung (bottom up).

Die Innovationsberatung soll die Lücke zwischen Ideenfindung und Realisierung beziehungsweise Etablierung in der Breite schließen und somit den Wissens- und Know-how-Transfer verbessern. Bisher hat die Unternehmensberatung der verschiedenen Beratungsinstitutionen diese Aufgabe im Wissenstransfer professionell ausgefüllt und den Betrieben in vielfältigen Beratungssituationen neue und innovative Wege in die Zukunft aufgezeigt.

Die Innovationsberatung legt den Fokus verstärkt darauf, verschiedene Akteure mit einem partizipativen Ansatz frühzeitig in Interaktion und Kooperation zu bringen. Ein Beispiel: Bei einem Innovationsprojekt zum Thema „Zuchtsauenstall der Zukunft“ könnte ein Innovationsberatender die koordinierende und moderierende Rolle des Prozessbegleitenden einnehmen und je nach Notwendigkeit verschiedene Akteure wie Forschungsanstalten, Stallbaufirmen, Ethologen, Verbraucher und Tierschützer einbeziehen. Im Zusammenspiel der Akteure kann verstärkt implizites Wissen (Erfahrungen) der Betroffenen eingebracht und gezielt genutzt werden.

Auftrag für die Beratung ist es, Eigenverantwortung, Eigeninitiative und Innovationsfähigkeit von selbstständigen Unternehmern der Agrarwirtschaft zu stärken – und zwar durch folgende Maßnahmen:

  • Initiierung und Moderation regionaler Netzwerke mit anderen Partnern,
  • Koordinierung von Beratungsprojekten mit Partnern,
  • Mitwirkung in regionalen Projekten mit Gemeinwohlfunktion,
  • Vertiefung des Erzeuger-Verbraucher-Dialogs,
  • Initiierung, Aufbau und Leitung von projektbezogenen Arbeitskreisen zur Stärkung des ländlichen Raums,
  • Mitwirkung bei der Initiierung von Vermarktungskonzepten für regionale Produkte,
  • Wissensgenerierung und -transfer,
  • Entwicklung von überregionalen Beratungsaussagen zum Beispiel im Bereich regenerativer Energien.

Um Innovationen erfolgreich umzusetzen und Veränderungen zu implantieren, bedarf es einer Vernetzung von mehreren Akteuren, die auf vielfältige Weise (Ideen, Entwicklung, Finanzierung, Begleitung) zusammenwirken.

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Soziale Dimension

Die Einführung und Umsetzung von Innovationen bringt nicht nur einen technischen Fortschritt, sondern hat auch eine soziale Dimension. Ein Beispiel: Durch den neuen Tränkeautomat wird zwar die Qualität der Kälberfütterung verbessert (weniger Durchfall bei den Kälbern), die Oma, die bisher die Kälber getränkt hat, fühlt sich aber ihrer Verantwortung enthoben. Hier wird die unmittelbare Verknüpfung zur strategischen Unternehmensberatung sichtbar.

Dass dem Thema Innovation künftig mehr Bedeutung zukommt, ist daran zu erkennen, dass die Europäische Union viele Milliarden Euro Fördergelder (EIP-Agri: Europäische Innovationspartnerschaft) zur Verfügung stellt (s. Infokasten). Der Beratende wird hier als Impulsgebender, Initiierender und als Moderierender gesehen. In Planung sind daher verschiedene Innovationsstrategien mit verschiedenen Formaten wie Fortbildungsseminare, Workshops, Zukunftswerkstätten.

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Beratungsmanagement

Es lässt sich gut erkennen, dass im Beratungskontext künftig verstärkt mehrere Akteure bewusst im Netzwerk agieren werden. Beratungskräfte nehmen eine veränderte Rolle ein, die noch nicht von allen verinnerlicht ist, die aber immer bedeutsamer wird: Sie sind verantwortlich für die Beratungskoordinierung. Dieser Managementauftrag wird in der Innovationsberatung eine maßgebliche Komponente sein.

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EIP-Agri

Die Europäische Innovationspartnerschaft (EIP) ist ein neues Instrument der EU, um gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen. Die auf die Landwirtschaft bezogene EIP-Agri wurde im Rahmen der letzten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft eingeführt.

EIP-Agri hat zum Ziel, die landwirtschaftliche Produktion bei geringerem Ressourcenverbrauch zu steigern und somit nachhaltiger zu machen. Um Innovationspotenziale zu heben und den Innovationstransfer zu beschleunigen, sollen sich Forschung und landwirtschaftliche Praxis besser verzahnen. Weitere Ziele der EIP-Agri:

  • Informations- und Wissenstransfer zwischen Praxis und Wissenschaft stärken,
  • Innovationen fördern, um das finanzielle Risiko für die Umsetzung von neuen Ideen und Vorhaben zu mindern,
  • Interaktion zwischen Wissenschaft und Praxis verbessern.

Wesentliches Element der EIP ist die Gründung und Förderung Operationeller Gruppen (OG), die sich aus Vertretern unterschiedlicher Interessengruppen wie Landwirten, Forschern, Beratern sowie Unternehmen des Agrarsektors zusammensetzen. Sie sollen gemeinsam ein innovatives Projekt entwickeln und bis zur Praxisreife bringen.

Innovationsprojekte, die im Rahmen von EIP-Agri gefördert werden, können ein Produkt, ein Prozess, eine Technologie, eine Methode oder eine Dienstleistung sein. Sie müssen einen konkreten Bezug zur Land- und Ernährungswirtschaft haben.

StMELF

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Text verändert auf Grundlage der Erstveröffentlichung in SuB 11/12-2019, S. 59ff. Mehr zur Innovationsberatung und zum EU-Projekt "i2connect" erfahren Sie in weiteren Online-Beiträgen die im Mai 2020 erscheinen werden.

Stand: 24.04.2020

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